Sonntag 19.02.23, 21:24 Uhr
3 Jahre Hanau Gedenkdemonstration am 18.02.2023

Redebeitrag der SDAJ


Liebe Antifaschist:innen, liebe Passant:innen,

zum dritten Male jährt sich das faschistische Attentat in Hanau. Es war eines der schlimmsten und tödlichsten Attentate der vergangenen Jahrzehnte. Und wie jedes Jahr gibt das Gros der bürgerlichen Politiker Lippenbekenntnisse über ihre angebliche Betroffenheit und Trauer zum Besten, spricht von „einer Tragödie“. Aber wie sich die kurdische Aktivistin Zozan darüber schon 2020 mit den Worten „Eine Tragödie? Sind wir denn hier im Theater oder im Kino? Das ist ein Massaker!“ erboste, muss man sich auch heute ernsthaft fragen, ob diese Politiker selbst an ihre Märchen von einer angeblichen Tragödie glauben.

Dieses Attentat, dieses Massaker an jungen Menschen, war kein Zufall und auch kein Versagen der Behörden oder des Systems. Es ist von ihm selbst hervorgebracht worden. Es reiht sich ein in eine lange Geschichte mörderischer Anschläge, Netzwerke und Verschwörungen von Rassisten und Faschisten, die nicht oder nur unzureichend verfolgt wurden: die Mordserie des NSU, das rechte Netzwerk Nordkreuz, das braun verseuchte Kommando Spezialkräfte (eigentlich eine Eliteeinheit der Bundeswehr) und ein ganzer Rattenschwanz von rechten Polizeichatgruppen. Und über alle die hält der Verfassungsschutz seine rechte Hand.

Und das ist wenig verwunderlich: Schon bei der Gründung der BRD wurden die neuen Institutionen von den alten Nazis aufgebaut, darunter auch der Verfassungsschutz. Richter, Lehrer und Politiker rekrutierten sich aus Altnazis – eine Stunde Null gab es nicht. Und so setzte sich die Faschistenpest in Ämtern und Behörden weiter fort, mal weil man sonst keine Leute gehabt hätte, dann weil es wichtiger war gegen die Kommunisten vorzugehen als die Faschisten.

Und auch heute benötigt und hofiert der Staat Rechte und ihr menschenverachtendes Gedankengut. Angesichts des jahrzehntelangen Sozialabbaus, immer prekäreren Arbeits- und Lernbedingungen und den mindestens drei Jahren akuter Krise, ist es den bürgerlichen Politikern nur recht, wenn wir uns gegenseitig auffressen, wenn wir deutsche migrantische Lohnabhängige für ihre von der kapitalistischen Systemlogik verursachte Misere verantwortlich machen, anstatt zu sehen: Wir haben einen gemeinsamen Feind. Und nur zusammen können wir ihn bezwingen. Der Staat und die Arbeitgeber brauchen den Faschismus, um uns zu spalten, damit wir ihnen nicht gefährlich werden können.

Und so liegt das Problem nicht bei Einzeltätern, Verrückten oder Fanatikern in irgendwelchen Bunkern. Es liegt im bürgerlichen Staate selbst: die Neonazis, die ihr Neonazisein nicht ohne V-Mann Honorar des Verfassungsschutzes bezahlen könnten; die von rassistischen Ressentiments geleiteten Ermittlungen im Falle des NSU, die wiederum vom Verfassungsschutz geschredderten Akten; die zahlreichen faschistischen Netzwerke in Polizei und Bundeswehr, irgendwo verschwundene oder absichtlich zurückgehaltene Informationen und auch die verzögerte Tätigkeit der Polizei am Abend des 19. Februar 2020.

Und so hat der Staat an diesem Abend auch nicht versagt. Er will nichts gegen faschistische Gewalt unternehmen. Er lässt sie zu. Er befördert sie.

Wir bekennen: Solidarität mit allen Opfern faschistischer Gewalt. Kein Vergeben, kein Vergessen. Nie wieder Faschismus!