Mittwoch 08.02.23, 07:15 Uhr

Bündnis zum Tag der Befreiung 7


Mitte Januar haben Bochumer Antifaschist*innen gemeinsam ein Bündnis für den 8. Mai diesen Jahres gegründet und teilen mit: »Unser Ziel ist es, den Tag der Befreiung in diesem und den nächsten Jahren als Antifaschistischen Kampftag zu begehen. Inspiration ist für uns Esther Bejaranos „Appell an die Jugend“. Darin heißt es: „Sorgt dafür, dass aus der Bundesrepublik ein dauerhaftes, antifaschistisches, humanes, freiheitliches Gemeinwesen wird, in dem einem Wiederaufflammen des Nazismus, nationalem Größenwahn und rassistischen Vorurteilen keinen Raum mehr gegeben wird. Wir vertrauen auf die Jugend, wir bauen auf Euch!“


In der dominanten Erinnerungskultur haben ganze Verfolgtengruppen keinen Platz: Wir wissen wenig über das Schicksal der verfolgten Sinti*zze und Rom*nja, von Nazis kriminalisierten und armen Menschen, Schwarzen, LGBTIQ+, jüdischen Linken, People of Colour, Menschen mit Behinderungen und nicht-christlichen religiösen Gruppen. Ihre Verfolgung ist allenfalls am Rande ein Thema bei Gedenktagen und in Geschichtsbüchern. Auch ihr Widerstand findet zu wenig Beachtung. Das wollen wir ändern.
Der 8. Mai 2023 soll – als Tag der Befreiung vom Faschismus in der Bochumer Öffentlichkeit wahrgenommen werden – an die Verbrechen des deutschen Faschismus aus Perspektive aller Verfolgten erinnern – aktuellen antifaschistischen Kämpfen einen großen Raum geben – Jugendliche und junge Erwachsene stärker einbeziehen – Antifaschist*innen in ihren Kämpfen bestärken und vernetzen
Bei unserem ersten Treffen haben wir beschlossen, die bisherige Konzept-Idee in Teilen umzusetzen und in den nächsten Jahren auszubauen. Wir werden in diesem Jahr eine Kundgebung in der Bochumer Innenstadt anmelden und ein kleines Kulturprogramm auf die Beine stellen. Außerdem werden verschiedene Gruppen, Initiativen, Parteien und Vereine Stände aufbauen und Möglichkeit zur politischen Vernetzung bieten.
Wir haben bereits viele Aktive rausgesucht, unsere Liste kann aber niemals vollständig sein. Deshalb würden wir uns freuen, wenn ihr diesen Aufruf weiterleitet und mit euren Freund*innen und Genoss*innen darüber sprecht!
Wir freuen uns, Euch bei unserem nächsten Treffen am Mittwoch, den 15.02 um 19 Uhr in der Bochumer Ko-Fabrik kennenzulernen!
Im Anhang findet ihr eine kurze Version des bisherigen Konzepts.  Falls ihr Fragen oder Anmerkungen habt, erreicht ihr uns unter akt-bo@riseup.net


7 Gedanken zu “Bündnis zum Tag der Befreiung

  • Azzoncao, ein Politik-Cafè

    Vor über 30 Jahren haben wir als „die kleinen Strolche“ mehrere Jahre das Antifa-Cafè im Kino Endstation des Bahnhof Langendreer betrieben. Eröffnet wurde es mit dem Dortmunder Edelweisspiraten Kurt Piehl. Zum Programm gehörten Filme und Vorträge über italienischen Partisanenkampf, jüdischen Widerstand, Euthanasie und Verfolgung der Roma, aber auch die neuen eingeführten Sammellager und Abschiebegefängnisse, gegen die wir auch in der Roma-UnterstützerInnengruppe aktiv waren. Wir unterstützten das Lager der Roma unter der Rheinkniebrücke am Düsseldorfer Landtag und die Streiks, Besetzungen und Demonstrationen der Roma und anderer Flüchtlinge in Bochum. Historie und Aktualität gingen Hand in Hand. Abgesehen davon waren wir Motor der Mumia Abu Jamal Kampagne im Ruhrgebiet und machten die Recherchen gegen die regionalen Nazigruppen auf der Straße und zu Gericht bei den §129 a Verfahren, schrieben beim RuhrgebietsInfo und der antifaschistischen NRW-Zeitung, bzw. saßen dort über ein halbes Jahrzent in der Redaktion. Es gäbe noch viel über Kampagnen gegen die Rechtsrock-Szene, zu Hermine Ryan Braunsteiner, Josef Gera, undundund zu sagen.
    Neben uns gab es in Bochum kaum jemanden den diese antifaschistische Historie und aktuellen Kämpfe interessierte. Verbands-, Gewerkschafts- und Parteienpolitik und die dort zu erwartenden Karrieren waren den meisten AntifaschistInnen wichtiger. Weiter ging unsere Politik unter anderen Gruppennamen: Als Teil der F.A.U.S.T., als BgR oder Cable Street Beat Ruhrgebiet. Seit 2006 als Azzoncao. Zu all den Kampagnen, Partisanan-Seminaren in Italien, Intervention zur Nazidemo gegen den Neubau der Synagoge der jüdischen Gemeinde, dem Thor Steinar Laden, die Besuche bei den letzten Kölner Edelweisspiraten, Thomas Schulz, antifaschistischen Graffiti, den Nazis in Langendreer, etc.p.p.. .
    Jetzt hier diese pathetische Absichtserklärung zu lesen befremdet uns sehr. Denn im Alltag findet Nichts von den anvisierten Thematiken statt. Abgesehen, dass man sich nur dann um die rechte Politik kümmert, wenn alle paar Jahre sich eine braune Gruppe in Bochum traut, die Nase vor die Tür zu stecken. Es scheint mal wieder darum zu gehen Leuchtturmpolitik zu betreiben. Den Appell einer ehrenhaften Frau, ein historisches Datum und große Worte. Irgendwie hat sich im Feld des Antifaschismus nichts geändert. Je höher die braune Scheiße schwappt, um so mehr glaubt man mit Symbol- und Leuchtturmpolitik und Feuerwehrmentalität reagieren zu müssen. Dazu macht man auf Gesamtvertretung eines Anliegens und kaschiert seine stageholder-Haltung.

    Azzoncao, ein Politik-Cafè

    • jemand

      Toll dass ihr das alles gemacht habt. Wo ist jetzt das Problem, wenn sich ein neues Bündnis gründet, um ebenfalls gute Sachen zu machen? Reichlich unnötig, hier wieder mal andererleuts Projekte runterzumachen.

      • Azzoncao, ein Polit-Cafè

        Es geht darum, dass hier ein Feiertag installiert werden soll und das dieses Vorhaben begründet wird mit fehlender Praxis.
        Statt einer konkreten Praxis nachzugehen, wird Symbolpolitik angestrebt. Anlass genug, dies zu kritisieren.
        Die Energie und Ressourcen wären in Theorie- und Aktionsfeldern besser aufgehoben.
        Aber dies hieße sich aus der Comfortzone hinaus und in eine widersprüchliche und sich selbst gefährdende Solidarität zu begeben.

        • Lisa

          Warum ist Azzoncao faktisch eingeschlafen und schafft es nicht, selber den formulierten Ansprüchen gerecht zu werden?

    • Anna und Lena

      Liebes Politik-Café Azzoncao,
      wir finden euren Kommentar spannend. Bei so vielen Ideen wäre es natürlich schön, wenn ihr bei einem Bündnistreffen dabei wärt :) Ein paar Fragen bleiben nämlich: Was meint ihr zum Beispiel mit der Leuchttumpolitik?
      Wir sind auch dabei und würden uns freuen, euch kennenzulernen!
      Einen lieben Gruß,
      Anna und Lena

      Und noch eine kleine Anmerkung: Wir fänden eine Diskussionskultur angebrachter, die es vermeiden kann, Menschen von oben herab anzusprechen.

  • Remember Erich Mühsam

    8 Mai: Kein Tag der Befreiung

    Am 8. Mai 1945 endet zwar die direkte Naziherrschaft in Deutschland (indirekt nutzen ja sowohl die Westalliierten und als auch die Sowjetunion Teile der Nazieliten, um ihre eigene deutschen Staaten aufzubauen – geht bei Staatsbildung auch nicht wirklich anders) was gut ist, aber es war kein allgemeiner Tag der Befreiung.
    Es war kein Tag der Befreiung der hunderten von Millionen durch die Alliierten kolonialisierten Menschen und der Millionen Menschen, die in den sowjetischen Gulags ermordet wurden. Von allen anderen Formen der staatlich-kapitalistischen und auch patriarchalen Unterdrückung ganz zu schweigen. Wer Staaten zu Befreier*innen macht, verdeckt damit ihre Unterdrückung und dass sie nötig sind, um faschistische Diktaturen zu errichten. Der 8. Mai ist deshalb kein Feiertag oder gar Kampftag für Anti-Autoritäre.
    Im Ruhrgebiet könnten wir den Märzaufstand 1920 feiern.
    Oder im Juli die Revolution in Spanien 1936. Das waren wirklich antifaschistische Kämpfe breiter Teil der Bevölkerung nicht von Staaten und vor allem freiheitliche, (tendenziell) sozialrevolutionäre Kämpfe.
    Aber dass das nicht passiert zeigt vor allem eins. Dass ein Großteil der Antifaschist*innen und Linken staatstreu sind und damit eine Täter*inneninstitution schützen. Kann mensch auch als bequemes Verdrängen der eigenen Rolle im aktuellen kolonial-rassistischen System und selbstverständlich innerhalb von staatlicher und kapitalistischer Herrschaft sehen. Während massenhaft Menschen im Mittelmeer ermordet und weltweit für unsere koloniale Lebensweise ausgebeutet, werden versucht mensch das eigene Gewissen mit der Utopie einer „freiheitlichen, antifaschistischen und humanen Bundesrepublik“ zu beruhigen.

    Am Ende ein Zitat vom jüdisch-anarchistischen Gefährten Erich Mühsam, der von den Nazis/dem deutschen Staat ermordet wurde: „Zersprengt den Staat! Habt Mut zu euch!“

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