Donnerstag 02.02.23, 18:11 Uhr

Über 200 Zwangsräumungen 2022 in Bochum 6


Die Linksfraktion im Rat berichtet: »Insgesamt 258 Zwangsräumungen wurden im vergangenen Jahr in Bochum angesetzt, wovon 203 tatsächlich vollstreckt wurden. In 59 Haushalten waren Kinder von der Räumung betroffen. Das geht aus der Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Die Bochumer Linksfraktion fordert ein Verbot von Zwangsräumungen in Bochum und eine Offensive für bezahlbaren Wohnraum.»

„Dass es in Bochum im letzten Jahr über 200 Zwangsräumungen in die Wohnungslosigkeit gab, ist eine Schande. Ein Verbot muss dieser menschenunwürdigen Praxis endlich ein Ende setzen“, erklärt Horst Hohmeier, Fraktionsvorsitzender der Bochumer Linken im Rat. „An der weiterhin hohen und wieder steigende Zahl an Zwangsräumungen lässt sich das Versagen der Wohnungspolitik von SPD und Grünen gut ablesen. Die Rathauskoalition scheitert krachend bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Diese verfehlte Politik trifft vor allem die Schwächsten, die bei Zwangsräumungen ihre Wohnung verlieren oder dem psychischen Druck der bevorstehenden Räumung bereits nachgeben.“

Die Linksfraktion fordert eine soziale Wende in der Bochumer Wohnungspolitik: „Bochum braucht dringend eine Wende hin zu einer sozialen Wohnungspolitik. Es braucht ambitionierte Ziele bei der Schaffung von Sozialwohnungen und eine zügige Umsetzung. Das muss spätestens bei der anstehenden Fortschreibung des Handlungskonzeptes Wohnen auf den Weg gebracht werden. Es kann nicht sein, dass Jahr für Jahr mehr Wohnungen aus der Mietpreisbindung fallen als neue dazukommen. Alle neuen Bebauungspläne müssen verbindlich eine Sozialbindungsquote von mindestens 50 Prozent vorsehen. Statt Neubau auf der grünen Wiese braucht es vor allem mietpreissenkende Maßnahmen im Bestand. Leerstehende Büros und Gewerbeflächen müssen zum preisgünstigen Wohnraum von morgen werden“, ergänzt Hohmeier.


6 Gedanken zu “Über 200 Zwangsräumungen 2022 in Bochum

  • ruhr reisen

    Was nützen diese dringend erforderlichen Lippenbekenntnisse – wenn sie ungehört an Grüne und Co. abprallen? Welche konkreten Mittel haben die Linken, sie zum Handeln zu zwingen? Jetzt gehen die Baby Boomer in Rente – und Bochum hat gegenwärtig schon über 50 Prozent Einpersonenhaushalte! Auch das: kein Thema! Kleine Wohnungen fehlen und sind die teuersten am Markt, 10 Euro aufwärts kalt sind für die wenigen, vorhandenen die Regel und keine Ausnahme – teilweise für beschämende kleine Quadratmeter bis 35 QM bis zum Ableben, weil selbst zwei Zimmer heute unbezahlbar sind oder ein Wohnberechtigungsschein für ein Paar verlangt wird. Was vielleicht noch für einen Stundentenbude ausreicht – aber für Jemanden, der über 40 Jahre auch für die Gesellschaft arbeitete? Wie beschämend! Wohnprojekte außerhalb von Pflegeeinrichtungen – in denen ältere Mneschen sich gegenseitig stützen könnten – Fehlanzeige. Was muss noch passieren, damit die neue Generation von Rentnern auch aus zu großen Wohnungen mit alten Verträgen ausssteigen können, ohne Angst zu haben, bis zum Lebensende ihren Lebenunterhalt mit Flaschen sammeln aufzustocken?

  • Wolfgang+Dominik

    Gut, dass es die Linke noch gibt, sonst würde niemand solche Anfragen stellen. Papst Franziskus sagte: Dieses Wirtschaftssystem behandelt Menschen wie Müll. Die Regeln des wertebasierten Systems lernt jede(r) VWL- und BWL-Student(in) im 1. Semester: Kapitalakkumulation Profitmaximierung, Kapitalrentabilität, Kapitalexpansion.

    Wo bleiben diese Menschen denn? Grauenhaft, sich vor allem das Schicksal der Kinder vorzustellen!

  • Ralf Feldmann

    Warum hat das Sozialamt (oder evtl. auch das Jobcenter) die Zwangsräumungen wegen Mietschulden nicht – durch Übernahme der Schulden – verhindert? Das Sozialamt erhält Kenntnis von solchen Räumungsklagen, die binnen zwei Monaten durch Zahlung der rückständigen Mieten noch abgewendet werden können. Ist das für das Sozialamt immer ein Anlass für aktive Sozialhilfe? Suchen Sozialarbeiter*innen dann die Betroffenen auf und helfen ihnen, die nötigen Anträge zu stellen? Wie klärt die Stadtverwaltung allgemein arme Menschen durch öffentliche Information über solche Möglichkeiten auf?
    Vielleicht ergänzt die Linksfraktion ihren wichtigen Fragenkatalog. Aktive Sozialhilfe kann Zwangsräumungen verhindern.

  • Norbert Hermann

    Linke zum Jagen tragen …

    Linkspartei und -fraktion muss mensch ja zum Jagen tragen. Da fehlt – jedenfalls im Sozialen – die Kompetenz und das Interesse. „Das Soziale ist nicht alles, aber ohne Soziales ist alles nicht!“ heißt es abgewandelt nach Furtwängler.

    Abstrus ihr Antrag zur Schließung des Jobcenter Bochum-Linden (in Folge von: https://www.bo-alternativ.de/2023/01/12/jobcenter-an-der-abbruchkante/). Den Antrag der „Fraktion Für Bochum“ (FFB – Ex-AFD) „Die städtischen Mitglieder im Verwaltungsausschuss der ARGE und in der Trägerversammlung des Jobcenters Bochum setzen sich konsequent für den Erhalt des dezentralen Standortes in Bochum-Linden ein.“ haben sie mit CDUSPDGRÜNEUWGFB abgelehnt. Warum? „Die Partei&Stadtgestalter“ haben erfreulicherweise dafür gestimmt. (Quelle: Sitzungsverlauf des Sozialausschusses am 18.01.2023. Darin oben: „Öffentliche Niederschrift“, Punkt „Erhalt des Jobcenters Bochum-Linden“ ( FFB) und Punkt „Schließung Jobcenter Bochum Linden“ (Linke): https://bochum.ratsinfomanagement.net/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZRemF81quJyXx3i01RdDxAw).

    Im Antrag (seit 8 Jahren praktisch gleichlautend) bzgl. der Zwangsräumungen fragen sie, wieviel der Betroffenen „Sozialtransferleistungen“ erhalten haben. Zu Sozialtransferleistungen zählen Hartz IV, die Sozialhilfe (darin die Grundsicherung im Alter usw.), Ausbildungsbeihilfen wie das BAföG, Elterngeld und auch das Kindergeld. Betrifft also einen sehr großer Teil der Bochumer Bevölkerung, nicht nur arme Leute. Die Aussagekraft ist gering.

    Der Anstoß, sich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen, kam – wie sollte es anders sein – bereits 2013 von Bochum Prekär (https://www.bo-alternativ.de/2013/11/17/strategien-zur-abwehr-von-zuwanderung/). Darin heißt es: „Wenn noch Wohnungsprobleme hinzukommen wird der soziale Friede noch mehr gefährdet: jährlich mehrere hundert erzwungene Wohnungsräumungen im Jahr sprechen eine deutliche Sprache.“ „Was soll das denn?” hieß es von Linken und Wohnungsmarktakteuren. “Der Wohnungsmarkt ist doch entspannt.” Es gäbe tausende leerstehende Wohnungen. Ihre Nachforschungen nach Hinweis waren ernüchternd. Die Zahlen finden sich versteckt in den jährlichen Jahresabschlüssen der Stadt Bochum. Höchstzahl angesetzter Zwangsräumungen: 361 in 2012, mit Androhung unmittelbarer Gewalt (die Polizei ist immer dabei) durchgeführt 233 in 2016 (https://www.mieterverein-bochum.de/app/uploads/2021/02/mf-63-bo.pdf – S. 16). Hinzu kommt ein Vielfaches an erzwungenen Wohnungsräumungen, wo schon vorab der Gewalt gewichen wird. Eine Stellungnahme der Linksfraktion titelte damals: “Unsichtbare Armut”. Unsichtbar ist die nur für Menschen, die sich nur in ihrer Blase, in ihrer Parallelgesellschaft bewegen und nicht erleben, was sich im Rest der Stadt abspielt.

    Weiteres zum Thema von Bochum Prekär hier: „Wohnungskampf in Bochum? Ein Stellungnahme zum neuen Wohnungsmarktbericht“ (http://www.trend.infopartisan.net/trd0317/t230317.html – von 2017).

    Wolfgang Dominik zitiert oben zustimmend einen Sektenführer: “ Dieses Wirtschaftssystem behandelt Menschen wie Müll.“ Und nicht nur die LINKE geht achtlos daran vorbei. Und denkt sich (ebenfalls oben): „Wo bleiben diese Menschen denn? Grauenhaft, sich vor allem das Schicksal der Kinder vorzustellen!“

    Ralf Feldmann fragt nach einem Versagen des Sozialamtes. Dort gibt es tatsächlich eine Stelle zu „Beratung und Hilfen bei Verschuldung, drohendem oder eingetretenem Wohnraumverlust“ (https://www.bochum.de/Amt-fuer-Soziales/Dienstleistungen-und-Infos/Hilfen-zur-Verhinderung-von-Wohnungs–und-Obdachlosigkeit). Die Kolleg*innen dort arbeiten durchaus engagiert und teilweise erfolgreich, mit ihnen sollte die Ratsfraktion doch mal sprechen! Sie können aber nicht immer etwas machen. Neben den etwa zehn Prozent durchgesetzten Kündigungen, die nicht auf Zahlungsverzug beruhen, kann Vermieter*innen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden, wenn es wiederholt zu Zahlungsverzug gekommen ist, so die Gerichte. Das wäre bei der objektiv doch überschaubaren Zahl an erzwungenen Wohnungsräumungen nicht immer ein so großes Problem, wenn Ersatzwohnraum vorhanden wäre. Ist aber nicht. Die Zahl der Wohnungslosen (nicht: Obdachlosen!) in Bochum beträgt mittlerweile etliche Tausende. Da muss sehr kurzfristig geholfen werden, und das geht nur mit Modul- oder Schlichtbauten. Auch da gibt es menschenwürdige Formen, bis hin zum Dorfähnlichen. Immer besser jedenfalls als die derzeitige Lagerhaltung.

    • Werner Müller

      Naja, Texte, in denen sich nur der Autor auf die eigene Schulter klopft, strengen mich an. Spannender ist nach Lösungen zu suchen. Dafür sind Kritiken immer interessant. Möglicherweise kann die Linksfraktion da noch was lernen. Aber erstmal finde ich es erfreulich, dass sie sich überhaupt mit Zwangsräumungen und Armut beschäftigt.

      Die Lösungen, die Norbert Hermann anbietet sind, klingen am Ende doch etwas paternalistisch und unterkomplex: „…das geht nur mit Modul- oder Schlichtbauten“. So einfach scheint es mir nicht. Die Frage wäre doch zuerst zu stellen, was wollen die Betroffenen? Ich kenne einige Menschen, die am Rande der Zwangsräumung stehen, weil sie ihre gestiegene Miete und die noch mehr gestiegenen Energiekosten nicht mehr zahlen können. Zwangsräumungen sind also kein Naturgesetz kann verhindert werden. Das ist umso wichtiger, weil eine Neuvermietung fast immer erheblich gestiegene Mieten bedeutet, was gleich auch noch Auswirkungen auf den den Mietspiegel hat. Die bedrohten Bewohner:innen jedenfalls wollen nicht in Wohnungen 2.Klasse wohnen, sondern in ganz normalen. Die gibt es in Bochum auch in Form von tausende leerstehenden Wohnungen. Dies sind wie zurecht der Wohnungsmarktbericht feststellte, leider vielfach nicht einfach beziehbar. Das ließe sich aber ändern.

      Denken wir dennoch mal weiter, wer soll diese Modul- oder Schlichtbauten denn betreiben? Wer sorgt dafür, das sie „dorfähnlich“ und lebenswert sind? Mich erinnert die Idee eher an die alte Siedlung Zillertal im Bochumer Norden, in der Menschen qua Adresse gleich abgestempelt wurden. Diese wurde völlig zurecht aufgelöst.

      Die Zahlen von wohnungslosen Menschen in Gemeinschaftsunterkünften ist mir persönlich nicht bekannt, aber es dürften kaum tausenden sein. Viele dürften eher bei Freund:innen unterkommen. Ob das schlechter ist als in Schlichtbauten, würde ich durchaus in Frage zu stellen.

      Schlichtbauten sollten weiterhin temporäre Notlösungen bleiben. Sonst setzt sich irgendwann Wohnen für Arme als unangenehmer ZweiKlassen Standard durch.

      Leider wird über Armut viel zu wenig gesprochen. Daher störe ich mich überhaupt nicht am Begriff „Unsichtbare Armut“. Armut ist eher ein Nichtthema in der Stadtöffentlichkeit, dass sich auf Zahlen (25 % Kinderarmut) oder störenden Gruppen (Alkoholiker am Hbf oder Drogenberatungsstelle im Bermudadreieck) beschränkt. Wer sieht denn jene, die alleine zuhause sitzen, weil sie kein Geld fürs Ausgehen haben?

      Daher Armut sichtbar machen, nach Lösungen suchen und vor allem bezahlbares Wohnen für alle wieder herzustellen.

  • Inge Bartke-Anders

    Ich unterstütze ( längst …) die Forderung gegen Obdachlosigkeit ( analog zu „bodo“ : Zuerst wohnen ! ( „housing first !“- um international verstanden zu werden…) und die Anliegen der „Stadt für alle“ – Initiative.
    Warum gibt es in dieser Stadt und ihrem Bauamt keine i d e e n reichen Architekten, die Modelle entwickeln ( dürfen ?) z.B. über Pkw- Abstellflächen ( der Autohäuser ) , Parkplätzen der Supermärkte, des „Ruhrpark“ u.a. einer Verpflichtung zum Bauen in die Höhe ( sofern der Bergbau – Untergrund dies zulässt ). Und es gibt interessante Wohnhäuser großen Stils wie die „Schlangenbader Straße“ in Berlin – Wilmersdorf, die über einem Tunnel, durch welchen die Stadtautobahn führt, ein Wohngebiet raum- und flächensparend erbaut hat. Und: dringend braucht es eine Einrichtung wie das frühere Wohnungsamt, das einem säumigen mieter Schutz und das Recht auf Wohnen bieten sollte : auch und gerade gegen hartherzige Vermieter.
    Frage an den Oberbürgermeister – ist er wirklich S o z i a l- Demokrat – : wie hält er es mit dem ( wohlfeilen ) Bochumer „WIR“- Anspruch ?
    Dr.Inge Bartke-Anders, Allg. ärztin i. R.

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