Freitag 30.12.22, 08:28 Uhr

Wie die Speckschweiz zu ihrem Namen kam 3


Die Speckschweiz – jenes Viertel zwischen Feldsieper Straße im Norden und Bahnlinie an der Technischen Hochschule Georg Agricola im Süden, Dorstener Straße im Westen und Herner Straße im Osten – gehört heute zu den beliebtesten Wohnvierteln in Bochum, nicht nur, aber auch wegen der Nähe zur Innenstadt. Was Viele, die heute gerne dort wohnen, nicht ahnen: Jeder Meter atmet Geschichte. Diese wurde jetzt näher untersucht von der „Geschichtsgruppe Speckschweiz“, einer 5-köpfigen Gruppe von langjährigen bis neu zugezogenen Speckschweizer:innen mit ausgeprägtem historischen Interesse. Herausgekommen ist dabei ein 90-seitiges Bändchen, das sich erstaunlich vergnüglich liest.

Die Geschichte der Speckschweiz verläuft parallel zur Geschichte der Industrialisierung des Ruhrgebiets und kommt mit der vorletzten Jahrhundertwende richtig in Schwung. Die Leser:innen erfahren, wann und wie die einzelnen Straßen angelegt wurden, wie die Schmechtingstraße zum belebten Geschäftsviertel wurde und wer dort was anbot, wie die Lebensbedingungen der Bergarbeiter waren, aber auch ihrer Frauen, Kinder und Kostgänger. Woher kamen sie, was brachten sie mit und wie richteten sie sich ein – das erfährt man nicht nur in Zahlen, Daten und Fakten (ja, die gibt’s auch!), sondern vor allem in Aussagen von Zeitzeug:innen, Geschichten und Anekdoten, die auch erleuchten, wie sich die historischen Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts über zwei Weltkriege hinweg jeweils vor Ort auswirkten.

Dass in der Speckschweiz der erste Bochumer Schlachthof lag, dass am heute stillgelegten Bahnhof Präsident mal 57 von 225 in Bochum rollenden Zügen hielt oder wann die erste Straßenbahn über die Herner Straße fuhr – wer weiß das heute noch? Die Geschichtsgruppe Speckschweiz hat es recherchiert und verrät es jede:r, d:ie das Büchlein „Speckschweiz-Geschichte(n)“ liest.

Und was – Achtung Spoileralarm! – die Frage aus der Überschrift betrifft, so liefert Hans H. Hanke in einem Gastbeitrag ein paar sehr plausible Theorien, aber ob eine davon – und wenn ja: welche – wirklich zutrifft, das vermag auch dieses Büchlein nicht mit letzter Gewissheit zu sagen.

Speckschweiz-Geschichte(n),
herausgegeben von der Geschichtswerkstatt Speckschweiz
projektverlag
ISBN 978-3-89733-571-4
10,80 €


3 Gedanken zu “Wie die Speckschweiz zu ihrem Namen kam

  • Meint ihr das ernst ?

    „gehört heute zu den beliebtesten Wohnvierteln in Bochum“

    Ich halte dieses für einen gut gepflegten Mythos.
    In den 80. Jahren gabe es jedes Jahr eine Luftuntersuchung von Großstädten in Europa.
    Das Viertel um die Herner Straße war regelmäßig auf einen der fordersten Plätze und erhielt so den „Titel“,
    „schmutzigstes Viertel Europas. Also einer der Stadtteile mit der höchsten Luftbelastung Europas.
    Die Bebauung vieler Straßen in diesem Viertel ist so dicht dass viele Häuser in Puncto Sonneneinstrahlung etwas unterbelichtet sind. Arbeiter*innen brauchen einfach weniger Licht haben sich wohl die Erbauer gedacht.
    Aktuell ist dieses Viertel wahrscheinlich „beliebt“, weil die Mieten in anderen Stadtteilen noch höher sind.
    Warum die Linken jetzt auch noch anfangen die kapitalistische Ökonomie zu romantisieren ist mir unverständlich.

    • Manfred

      Ich bin 1988 in die Josephstraße gezogen und 1998 in die Feldsieperstraße. Das Viertel war cool, trotz der faschistischen EAP (Europäischen Arbeiter Partei), die sich in der Kneipe traf, wo heute das „Soziale Zentrum“ ist. Trotz der massiven Klebeaktionen der Nationalistischen Front Anfang der 90er Jahre. Einer der Typen wohnte in der Josephstraße 14. Trotz des Brandsanschlags in der Herner Straße, bei dem Eisam Chandim starb. Trotz der Nazis, die sich auf dem Spielplatz auf den Schmechtingwiesen trafen. Das Viertel war cool, weil dort viele proletarische Leute wohnten, die noch nicht so abgezockt wie heute waren. Wohnwert ermisst sich nicht nur nach statistischen oder realen Feinstaubbelastungen. Oder blöden Nazi-Ärschen.
      So ein BlaBla hier!

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