Freitag 02.12.22, 15:23 Uhr

200 ÖPNV-Tickets für obdachlose Menschen – Bodo verteilt


Die Stadt Bochum hat 200 Tagestickets für den ÖPNV auf Bochumer Stadtgebite an bodo e. V. übergeben, damit sie in der Advents- und Weihnachtszeit an Obdachlose verteil werden. Die Obdachlosenzeitschrift freut sich über die Sprende, wünscht sich aber noch mehr.

Die Pressestelle der Stadt schreibt dazu: »Mobil sein – aber ohne Geld? Mobilität spielt in unserem Alltag eine wichtige Rolle, denn die meisten Menschen bewegen sich täglich zwischen verschiedenen Orten hin und her. Das wirft sowohl die Frage nach der Klimaverträglichkeit, als auch die Frage „Können sich überhaupt alle Menschen diese Mobilität leisten?“ auf. Viele können es nicht. Ein wichtiges Zeichen hat heute, 1. Dezember, die Stabsstelle Klima & Nachhaltigkeit der Stadt Bochum gesetzt: Sie hat 200 Tagestickets für Fahrten mit Bus und Bahn auf dem Bochumer Stadtgebiet an den Bodo e.V. übergeben. Die Tickets werden an Wohnungslose und an Menschen verteilt, die bei Bodo e.V. Unterstützung suchen.

Die Fortbewegung mit verschiedenen Transportmitteln hat sowohl eine ökologische und zugleich soziale Dimension. Dies spielt auch in der gesamtstädtischen Nachhaltigkeitsstrategie eine zentrale Rolle, die aktuell von der Stabsstelle Klima & Nachhaltigkeit erarbeitet wird. So entstand die Idee zur Ticket-Kooperation mit Bodo e.V., um Menschen mit geringen oder ohne eigenes Einkommen in Bochum die Fortbewegung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu ermöglichen. An den kalten Wintertagen können sie z.B. genutzt werden, um den Weg zu einer Notschlafstelle wie dem Fliednerhaus zurückzulegen.

Das Konzept der Schlafstelle wurde jüngst überarbeitet, um den Bedürfnissen der Obdach- und Wohnungslosen in Bochum besser gerecht zu werden. Aufnahmegespräche finden nun direkt vor Ort statt, sodass der Umweg über die Henriettenstraße für einen Übernachtungsschein entfällt. Neben professionellen Beratungsangeboten am Tag gibt es nun auch feste Unterbringungsplätze, die denjenigen eine Perspektive bieten sollen, die bisher schon regelmäßig jeden Abend ins Fliednerhaus gekommen sind.

Dieses und weitere Angebote für Wohnungslose sind auch im sogenannten Kältekonzept der Stadt Bochum zu finden. So gibt es an mehreren Stellen die Möglichkeit eines Tagesaufenthalts, Beratungsstellen und Stellen zur Verpflegung. Außerdem gibt es verschiedene mobile Angebote in der Stadt, die medizinische Hilfe und Verpflegung mit Lebensmitteln anbieten.«

Bastian Pütter von bodo kommentiert: »Wir freuen uns über die geschenkten Fahrkarten, auch weil sie in letzter Instanz Menschen vor dem Gefängnis bewahren. In unserer Arbeit haben wir regelmäßig mit Menschen zu tun, die sich Nahverkehrsfahrkarten nicht leisten können und trotzdem auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind. Im Gegensatz zur Ordnungswidrigkeit „Parken ohne Parkschein“ ist das „Erschleichen von Leistungen“ (StGB §265) eine Straftat – und ein klassisches Armutsdelikt. Wer Geldstrafen nicht zahlen kann, dem drohen Ersatzfreiheitsstrafen. Nach Zahlen der (alten) Landesregierung saßen vor der Pandemie täglich 1.000 Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe ab, ein Viertel davon wegen des Fahrens ohne gültigen Fahrschein. Seit Anfang November sitzt Gisa, eine Verkäuferin der Düsseldorfer Straßenzeitung fiftyfifty in Haft, für sechs Monate, nur wegen „Schwarzfahrens“. (https://www.fiftyfifty-galerie.de/artikel/9169/freiheit-fr-gisa)

Die dauerhafte und unbürokratische Lösung für dieses Problem wurde im Sommer erfolgreich getestet: Die VerkäuferInnen des Straßenmagazins und die Wohnungslosen, mit denen wir arbeiten, haben das „9-Euro-Ticket“ intensiv und dankbar genutzt. Mit Geldstrafen für „Schwarzfahren“ hatten wir in diesen drei Monaten nicht zu tun. So sehr die Tickets nun im Dezember helfen, wünschen wir uns eine Fortsetzung, wie sie das Land Berlin etwa beschlossen hat: Ein 9-Euro-Ticket für armutsbetroffene Menschen.«