Montag 03.10.22, 15:08 Uhr
Redebeitrag einer Beschäftigten aus dem Gesundheitssystem auf der Kundgebung "Gemeinsam bleibt’s warm" am 1.10. 2022

Notfall Gesundheitssystem


Liebe Menschen,

Ich stehe hier als Beschäftigte im Gesundheitswesen. Nach dem Streik der Unikliniken in den letzten Wochen und dem Erstreiten des Tarifvertrags Entlastung sind viele der Meinung, es wäre jetzt alles gut in deutschen Krankenhäusern, außerdem wurde ja geklatscht und in so ziemlich jeder Talkshow des Landes über Überlastungen der Kliniken gestritten… jetzt müsse es mal gut sein.

Vielen ist nicht klar, dass die Inflation und die Kostenexplosion im Energiebereich Krankenhäuser hart trifft und im wahrsten Sinne über die Klippe treibt. Viele Krankenhäuser werden nicht mehr in der Lage sein, alle Stationen adäquat zu beheizen. Insbesondere in den vielen älteren Bauten, die aufgrund des Investitionsstaus energetisch unsaniert sind, werden die Energiekosten nicht mehr zu tragen sein.

Das führt bereits jetzt zu Schließungen von ganzen Stationen – so wurden letzte Woche 2 Stationen in einem Krankenhaus in einer Nachbarstadt geschlossen.

Schon jetzt ist es Alltag: Betten auf Intensivstationen müssen gesperrt werden. Notaufnahmen werden zeitweise geschlossen.

Kinderkliniken sind chronisch überlastet.

Behandlungen müssen kurzfristig abgesagt werden.

Patient:innen warten immer länger auf notwendige Behandlungen.

Die deutschen Krankenhäuser sind in Gefahr. Die Personalnot wird immer größer. Rund 60 % der Krankenhäuser machen bereits Verluste. Es gibt Berechnungen, nach denen durch die hohen Inflationsausgaben zusätzlich belastet Ende des Jahres 40% der Krankenhäuser pleite sind.

Die deutsche Krankenhausgesellschaft hat einige Ursachen für die Überlastung der Krankenhäuser und ihres Personals aufgelistet:

Unabwendbare Kostensteigerungen (u. a. Inflation, Gasumlage, Tarifsteigerungen) der Krankenhäuser treffen auf staatlich regulierte Preise ohne Ausgleichsmechanismen.

Der große Beitrag in der Versorgung der Corona-Patient:innen sowie die anstehenden Herausforderungen der Herbst/Winter-Welle werden immer wieder betont, die Coronahilfen aber wurden gestrichen.

Stetig neue sinnlose und überflüssige Dokumentationsanforderungen von Politik und Krankenkassen treffen auf bereits überlastetes Personal, dem dadurch viel Zeit für die Versorgung ihrer Patient:innen fehlt, im Schnitt verbringen Ärzt*innen und Pflegepersonal jeden Tag 3 Stunden Arbeit mit Bürokratie

Eine jährliche Investitionslücke von 3,5 Mrd. € erschwert den Aufbau und Erhalt moderner und effizienter Strukturen.

Hohe Digitalisierungsansprüche stehen im Widerspruch zu einer jahrelang verschlafenen Digitalisierungspolitik im Gesundheitswesen.

Minister Lauterbach plant im Schulterschluss mit den Krankenkasse bundesweit mindestes 20 000 Vollzeitpflegekräfte aus der Pflegefinanzierung zu streichen, um die Finanzen der Krankenkassen zu schonen.

Notwendige Einsparungen werden wie immer auf dem Rücken des Personals erfolgen, was zu einer weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führt und letztlich zu einer Abstimmung mit Füßen, die bereits im vollen Gange ist. Verständlich: Wenn die Kollegin ihre medizinisch notwendigen Wassertabletten absetzten muss, da keine Pausen für Toilettengänge eingehalten werden können, wenn eingeforderte Befundberichte und Therapieplätze nachts geschrieben werden müssen, da am Tage keine Zeit ist, wenn weiterhin 24+x-Stunden Schichten geleistet werden….. Wer hält das noch auf Dauer aus? Es ist nicht nur die Arbeitszeit mit langen Arbeitstagen, Schicht- und Wochenenddienst, es ist auch die zunehmende Arbeitsverdichtung, die die Menschen im Gesundheitswesen in den Burnout bringt. Und letztlich: Die Patient*innenversorgung ist in Gefahr.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert daher einen Inflationsausgleich für die Krankenhäuser für steigende Nahrungsmittel und Energiekosten durch den Bund und eine spürbare Entbürokratisierung und eine klare Patient*innenorientierung.

Doch ich meine, die Forderungen sollten weiter gehen. Wir brauchen eine vollständige Abwendung von der Profitorientierung im Gesundheitswesen, Gesundheitsversorgung, Kranken- und Altenpflege in Bürger*innenhand.

PROFITVERBOT IM KRANKENHAUS

Abschaffung des unsozialen DRG Finanzierungssystem, das insbesondere „sprechende“ Medizin und die internistischen Fachbereiche systematisch unterfinanziert und auf der anderen Seite falsche Anreize setzt.

Solidarität mit den Beschäftigten im Gesundheitswesen, es geht hier nicht nur um deren Arbeitsbedingungen, es geht hier auch um die Sicherheit der Patient*innenversorgung – und dies geht uns alle an

Schaut man sich die irren Preisspiralen neu zugelassener Medikamente an, ist Geld im Gesundheitswesen da, es wird nur falsch verteilt. Das Geld sollte für eine bessere Patient*innenversorgung und Schaffung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen eingesetzt werden.

Für ein Profitverbot im Krankenhaus – Profite schaden Eurer Gesundheit!