Montag 03.10.22, 15:23 Uhr
Redebeitrag der Seebrücke auf der Kundgebung "Gemeinsam bleibt’s warm" am 1.10. 2022

Die Krise der Menschenrechte ist schon lange da


Antonio Guterres spricht von einem Sturm der Krisen: Klimakrise, globale Ernährungskrise, Pandemie und ihre wirtschaftliche Folgen, Energiekrise, soziale Krise und Krise durch Krieg, Vertreibung und Flucht.  In einem Interview sagt er „Unser Planet brennt! Die Menschen leiden – und die Verletzlichsten leiden am meisten!“ Wir wollen hier noch die Krise der Menschenrechte anfügen. Diese Krise fordert täglich Todesopfer, von denen wir hier nicht viel mitbekommen.

 Als Russland am 24. Februar die Ukraine völkerrechtswidrig und mit enormer Brutalität überfiel und Menschen durch den Krieg zur Flucht gezwungen wurden, wurden sie in  europäischen Städten, Kommunen und Ländern willkommen geheißen. In Deutschland trat die sogenannte „Massenzustrom-Richtlinie“ in Kraft gesetzt, die den Menschen zügig ein Aufenthaltsrechts, Arbeitserlaubnis und Zugang zu Krankenversicherung und Sozialleistungen gewährte. Doch dies galt nicht für alle Menschen. Sehr früh schon wurde klar: Für Menschen ohne ukrainischen Pass  galten nicht dieselben Rechte, angefangen beim Grenzübertritt bis zur Gewährung von Schutz, Arbeitserlaubnis und sozialer Sicherung.  Sosehr wir die rasche Hilfe für Ukrainer*innen begrüßen, sosehr lehnen wir die rassistische Unterscheidung von Menschen ab. Und überhaupt:  Warum gilt diese Massenzustrom-Richtlinie nicht auch für Menschen aus z.B. Syrien und Afghanistan?

Die Krise der Menschenrechte ist schon lange da

Es war zu erwarten: Der Krieg dauert an, immer noch fliehen Menschen aus der Ukraine. Und aus Deutschland kommt die Meldung, dass immer weniger Bundesländer sich an der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine beteiligen wollen. Zwölf von 16 Bundesländer haben bereits die Aufnahme gestoppt!  Als ob der Krieg aufhört, nur weil man nicht mehr hinschauen möchte! In den sozialen Medien liest man wieder vermehrt „wir gegen die“-Rhetorik. Und – es kommt nicht überraschend, ja eigentlich haben wir schon fast drauf gewartet – spricht der CDU Vorsitzende Merz Anfang der Woche von „Sozialtourismus“ der ukrainischen Menschen. Hierbei steht er in guter Tradition mit vorherigen Äußerungen seiner Partei in Bezug auf Flucht und Asyl.

Die Krise der Menschenrechte ist schon lange da

Durch die bislang beispiellose Flutkatastrophe in Pakistan wurde 1/3 des Landes unter Wasser gesetzt, 33 Millionen Menschen verloren ihre Heimat und ihre Lebensgrundlage, mehr als 1500 Menschen starben, dringend benötigte Ernten wurden vernichtet.
Während die pakistanische Regierung von einer „Klimakatastrophe epischen Ausmaßes“ spricht und die Vereinten Nationen Nothilfen von mehreren hundert Millionen Euro zur Verfügung stellen, führt Deutschland einen Sammelabschiebeflug nach Pakistan mitten in diese Ausnahmesituation durch!
Besonders zynisch: Pakistan gehört zu den mit am stärksten von Klimawandel und extremen Wetterereignissen betroffenen Ländern. Deutschland als Industrienation hingegen sollte eine besondere Verantwortung im Kampf gegen die Erderwärmung zukommen.

Der Bayrische Flüchtlingsrat nannte dies eine zutreffend humanitäre Bankrotterklärung.

Zur Sicherung des europäischen Wohlstands setzt die EU auf Abschottung. Das Mittelmeer ist die tödlichste Grenze der Welt. Die Gesellschaft hat sich an die Zahlen ertrunkener Menschen wie es scheint gewöhnt, die Gesichter, Namen und Geschichten dieser Menschen interessieren nicht. NGOs, die dies nicht hinnehmen wollen und Menschen vor dem Ertrinken retten wollen, werden kriminalisiert und mit absurden Anklagen vor Gericht gestellt, dabei tun sie doch die Arbeit, die eigentlich die Aufgabe der EU wäre. Erst kürzlich wurde die Seawatch 3 von Italien und Missachtung von EU-Recht und Seerecht festgesetzt. Der Vorwurf: Sie haben zu viele Menschen gerettet!
Menschen- und Völkerrechtswidrige Praktiken wie gewaltsame Pushbacks, unwürdige Zustände in den Lagern an den EU-Außengrenzen nehmen den Betroffenen Gesundheit, Würde und leider oft auch das Leben. Aber aus irgendeinem Grund, regt das hier niemanden mehr auf. Das Leiden der anderen ist so selbstverständlich geworden.

Das ist eine Krise: Menschenrechte werden mit Füßen getreten

Die internationalen Menschenrechte sind eine der größten Errungenschaften unserer Zeit, aber aber sie müssen für alle Menschen weltweit gelten und nicht nur für weiße Europäer*innen und Nordamerikaner*innen!

Es kommen harte Zeiten auf viele von uns zu, das ist der perfekte Nährboden für Hass und Ausgrenzung. Lassen wir es nicht zu, dass dies passiert.  Der Oxfam Bericht konnte aufzeigen, dass die Vermögen der reichsten Menschen der Welt seit Beginn der Corona-Pandemie stärker gewachsen sind als in den gesamten 14 Jahren zuvor. Dieser Zuwachs an der Spitze ist in der Geschichte beispiellos! Auch in Deutschland hat die Corona-Pandemie die Ungleichheit verschärft: Das Vermögen der 10 reichsten Personen ist seit Beginn der Pandemie von rund 144 Milliarden auf etwa 256 Milliarden US-Dollar gewachsen. Allein dieser Gewinn entspricht annähernd dem Gesamtvermögen der ärmsten 40 Prozent, also von 33 Millionen Deutschen. Gleichzeitig werden viele Millionen Menschen in Deutschland immer ärmer.
Daher lasst uns unsere Herzen und Augen nicht vor denen verschließen, die vor Krieg, Vertreibung, Zerstörung der Lebensgrundlagen und Elend fliehen, lasst uns unsere Forderungen an die adressieren, die von den Krisen und der Ausbeutung profitieren!

Daher fordern wir:

  • Schluss mit der rassistischen, menschenverachtenden Grenzpolitik – keine Festung Europa!
  • international Ächtung der Menschenrechteverbrechen an den EU Außengrenzen!
  • eine menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten. Keine Unterbringung in Turnhallen, schon gar nicht für unbegleitete Minderjährige
  • Beendigung der menschenunwürdigen Praxis der Abschiebehaft – Flucht ist kein Verbrechen – niemand flieht freiwillig!
  • sofortiger Stopp von erzwungenen Abschiebeflügen, keine Abschiebung in Kriegs- und Krisengebiete – AUFGRUND DER AKTUELLEN LAGE SOFORTIGER ABSCHIEBESTOPP NACH PAKISTAN UND IRAN!!!
  • Abschaffung des Arbeitsverbots für Geflüchtete
  • Zugang zu sozialer Grundsicherung gem. ALG II oder dem künftigen Bürgergeld  für geflüchtete Menschen

Keine Profite vor Menschenleben – People Not Profit – der Forderung von FFF können wir uns mit ganzen Herzen anschließen