Mittwoch 27.07.22, 11:34 Uhr
offener Brief der Antifas

Josef Anton Gera – Schreiben an Bochumer Stadtrat 5


Die Antifas haben einen Brief an den Bochumer Stadtrat verfasst, in dem es um die Erinnerungskultur von Stadt und Zivilgesellschaft! für einen Vorfall aus dem Jahre 1997 geht:
>> Sehr geehrte Mitglieder des Bochumer Stadtrates, wir wollen Sie mit diesem Schreiben auf einen Mordfall aufmerksam machen. Trotz des offensichtlichen extrem rechten und homosexuellenfeindlichen Tatmotivs bleibt der Fall bislang von offizieller Seite weitgehend unbeachtet und unaufgearbeitet.
Am 14. Oktober 1997, 3 Tage vor seinem Tod, wollte Gera mit einigen Bekannten aus dem Wohnungslosenmilieu etwas trinken. Doch zwei seiner Bekannten, der damals 26-jährige Patrick K.und der 35-jährige Uwe K., hatten anderes im Sinn und wollten ihm, laut eigener späterer Aussage, „eine Abreibung“ verpassen. Dazu suchten sie mit Josef Anton Gera eine Laube auf dem ehemaligen Krupp Gelände an der Bochumer Alleestraße auf. Dort entkleidete Patrick K.seinen Oberkörper, um Josef Anton Gera zum „Anfassen zu reizen“ um dann zuschlagen zukönnen. Gera kam der Aufforderung nach.


Darauf hatten die beiden nur gewartet und schlugen unvermittelt mit einer Eisenstange auf Josef Anton Gera ein. Dieser konnte sich schwer verletzt zur Straße schleppen und der herbei gerufenen Polizei noch mitteilen, dass er von Nazis angegriffen wurde. Josef Anton Gera erlag drei Tage später, am 17. Oktober 1997, im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.

Neben der Aussage von Josef Anton Geras weisen die Umstände der Tat darauf hin, dass der Hass auf Homosexuelle durch die Nazi-Ideologie der beiden Täter bedingt war. Ihre Schilderung, „es einem Schwulen mal so richtig gezeigt“ zu haben, schlossen sie mit dem Ausruf „Sieg Heil!“. Auch am Tatabend fielen „Sieg Heil!“-Parolen und der Hitlergruß wurde gezeigt. Die Laube, in der die Tat stattfand und in der Geras Mörder lebten, war mit Hakenkreuzen, Totenköpfen und SS-Runen beschmiert.

Trotz dieser Tatsachen erkannten weder Polizei noch Staatsanwaltschaft ein rechtsextremes Tatmotiv. Im Gerichtsprozess wurde die rechtsextreme Gesinnung der Täter nicht zum Thema gemacht.

Auch in der Stadt Bochum hat von offizieller Seite noch keine Auseinandersetzung mit dem rechten Mord auf Bochumer Stadtgebiet stattgefunden.

Es waren lokale antifaschistische Strukturen, die den brutalen Mord an Josef Anton Gera als rechte Tat aufarbeiteten und dokumentierten, und das Gedenken an ihn aufrecht erhalten haben. So war es die Gruppe Azzoncao, die eine ausführliche Dokumentation erstellte. Es waren antifaschistische Jugendliche vor rund zehn Jahren, die ein Gedenken initiierten. Und es waren Bochumer Antifaschist*innen, die eine Gedenktafel am Bochumer Westpark anbrachten und durch vielfältige künstlerische Aktionen jährlich auf den Mord aufmerksam machen und an Josef Anton Gera erinnern.

Im Jahr 2021, am 24. Todestag von Josef Anton Gera, zogen Bochumer Antifaschist*innen in einer Demonstration vom Rathaus zur Plakette im Westpark und stellten ihre Forderungen an die Stadt Bochum.

Diese Forderungen wollen wir Ihnen als Mitglieder des Bochumer Stadtrates gerne persönlich zukommen lassen und weiter erläutern:

1. Wir fordern die Stadt Bochum auf, Josef Anton Gera als Opfer rechtsextremer Gewalt in der jüngeren Geschichte der Stadt anzuerkennen. Gera wird bereits u.a. von der Amadeu Antonia Stiftung als Todesopfer rechtsextremer Gewalt seit 1990 genannt. Die Stadt einen ebenso offensiven Umgang mit der Tat üben.

2. Zu einem offensiven Umgang mit dieser Tat gehört, dass die Stadt auf der städtischen Homepage über diesen Mord aufklärt und die Rolle des Gerichtsverfahrens, in welchem ein extrem rechten Hintergrund der Tat geleugnet wurde, kritisch hinterfragt werden. Das wäre aus unserer Sicht ein souveräner, offener Umgang mit der lokalen Geschichte.

3. Gruppen wie das Politcafé Azzoncao dokumentierten den Mord in den 90er Jahren durch akribische Recherche und kritische Prozessbeobachtung. Es waren lokale antifaschistische Gruppierungen, die in den Folgejahren durchgehend an Gera erinnerten und vor elf Jahren am Eingang zum Westpark eine Gedenktafel anbrachten, die an Josef Anton Gera erinnern und als Mahnmal dienen sollte. Wir wollen, dass die Stadt die Gedenktafel anerkennt.

4. Wir fordern, dass ein Platz in der Innenstadt nach Josef Anton Gera benannt wird. Das wäre ein würdiges Gedenken seitens der Stadt. Unser Vorschlag ist es, den Platz vor dem GHotel an der Alleestraße, den Skater*innen und andere Menschen bei gutem Wetter regelmäßig nutzen, Josef Anton Gera zu widmen. Der Platz hat bislang noch keinen Namen.

5. Zu einem ernsthaften Umgang mit den Themen Homophobie und rechte Gewalt gehört dazu, Sichtbarkeit und Öffentlichkeit zu schaffen. Wir wollen, dass die Stadt ein offizielles Mahnmal gegen Ausgrenzung und Homophobie installiert. Das könnte auf dem Josef-Anton-Gera-Platz sein oder an einem anderen prominenten Ort in Innenstadtnähe.

Wir rufen Sie als Mitglieder des Stadtrates dazu auf unsere Forderungen auch in den Rat als höchstes politisches Gremium der Stadt zu tragen und diese zu unterstützen.

Treten Sie mit uns gemeinsam dafür ein, dass die Stadt Bochum die Erinnerung an Josef Anton Gera in würdevoller Weise bewahrt und ein Zeichen für Demokratie und Menschenrechte setzt!

Mit freundlichen Grüßen,

Antifaschistische Linke Bochum
Animal Voices Bochum
Antifa Essen West
Antifaschistische Gruppe 5
Antifaschistische Linke Münster
Atelier Automatique
Autonome Antifa 170 (Dortmund)
Bochumer Bündnis gegen Rechts
CSD Bochum
Die Falken Bochum
DKP Bochum
Donnerlüttchen
eklat münster
Fantifa Bochum
Fridays for Future Bochum
Fritz Bauer Forum
Furore Bochum
Gras Bochum
Linke Liste Bochum
Mean Street Antifa
Migrantifa Bochum
Non a Parole
Offenes Antifa Cafe Bochum
Rojava Solidarität Bochum
Rosa Strippe e. V.
Seebrücke
Stadt für Alle
Trotz Allem Witten
VVN BdA Bochum

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Link zum Artikel : hier


5 Gedanken zu “Josef Anton Gera – Schreiben an Bochumer Stadtrat

  • Azzoncao, ein Polit-Cafè

    Klarstellung

    Um der historischen Korrektheit Willen sollen hier die Gegebenheit um das Gedenken an Joseph Gera in Bochum korrigiert werden.

    1. Zu der nebulösen Beschreibung der ALB in diesem Anschreibens an die Stadt Bochum: „Gruppen wie das Politcafé Azzoncao dokumentierten den Mord in den 90er Jahren durch akribische Recherche und kritische Prozessbeobachtung.“
    – Im Jahr 1997 war es ein Mitglied der Antifa „Die kleinen Strolche“, das die Recherchen machte, den Prozess verfolgte und Artikel über den homophoben Mord schrieb. Diese Recherchen erschienen allein in der „Antifaschistischen NRW Zeitung“ und der lokalen „Bambule“, wo diese Person ebenfalls Mitglied war. Ohne das Engagement dieser Person wäre Josef Gera nicht als Opfer einer rechter Gewalttat bekannt. Alle Erinnerungsarbeit an Josef Gera fußt auf dem Engagement dieser Person.
    – Die Gruppe Azzoncao betreibt zu Josef Gera seit 2009 Erinnerungsarbeit, erstellte eine Dokumentation, schrieb Artikel, gab Interviews, machte Graffitis, etc.p.p..
    Oben genante Person ist Mitglied bei Azzoncao.

    2. In den Jahren 2009 bis 2011 erinnerte auch die Gruppe AJB an Josef Gera. Zunächst zusammen mit Azzoncao. Azzoncao trennten sich von der AJB auf Grund der sich entwickelnden autoritären Strukturen, der Zusammenarbeit von Teilen der AJB mit der Polizei und diversen Verwahrlosungen, wie sie in keiner linken Gruppierung geduldet werden können. Das Resultat waren Gewaltandrohungen, sowie das gezielte Angreifen der Politik der Gruppe Azzoncao.

    3. In diesem Zeitraum nahm die AJB die Azzoncao-Dokumentation zu Josef Gera und ließ die Antonio Amandeu Stiftung wissen, sie sei es gewesen die diese Dokumentation erstellt hätte und die Erinnerungsarbeit an Josef Gera in Bochum leiste.
    Eine Klarstellung unsererseits musste erfolgen. Die Stiftung änderte darauf ihren Eintrag im Internet.

    4. Vor zwei Jahren übersprayte die Gruppe ALB, die Nachfolgerin der AJB, das Bochumer Gedenk-Graffito zu dem im Jahr 2009 ermordeten russischen Antifaschisten Ivan Khuturskoy und griff somit die Erinnerungspolitik der Gruppe Azzoncao, sowie das Gedenken an den Moskauer Anarcho-Skinhead an.

    5. Im Jahr 2021 schwang sich die ALB auf eine Gedenkdemonstration für Josef Gera zu machen. Auch hier wurden die eigentlichen TrägerInnen der Erinnerungspolitik nicht benannt und nicht einbezogen. Statt dessen fand eine Überschreibung von Lokalgeschichte statt, bei der sich die ALB als Interessensvertreterin von LSBT*Q inszenierte.

    6. Auf eine umfassende Dokumentation und Kritik an diesem Verhalten im Oktober 2021 hatte die ALB es nicht nötig zu reagieren.
    https://www.bo-alternativ.de/dokumente/DOKU-Josef-Gera.pdf

    7. Das selbe Verhalten wie 2021 erfolgt dieses Jahr.

    Es gilt festzuhalten, dass es sich bei der ALB um eine neo-stalinistische Organisation handelt, die mit den Werten den Antifaschismus schon länger gebrochen hat und in einer dominanten und gewalttätigen Art und Weise im Feld des Antifaschismus operiert. Wie ihr Vorläufer überschreibt die ALB Geschichts- und Erinnerungspolitik antifaschistischer Gruppen aus Bochum, verfälscht Lokalgeschichte und betreibt eine desaströse Dominanzkultur.

    Verwunderlich ist, wer und warum sich hier anschickt dieses Verhalten der ALB unter dem Deckmantel von Gedenkarbeit und Diversitätspolitik zu unterstützen.
    Was passiert, wenn man autoritäre und neo-stalinistische Gruppen hofiert, kann man an der Entwicklung Dortmunds der letzten 20 Jahre absehen. Dort waren es Gruppen die seit 2000 unter einem „Pro-Israel“ – Duktus antraten und mit Gewalt gegen Antifa-Gruppen und Linke vorgingen. Dortmund ist auch auf Grund seiner anti-sozialen Dominanz-und Gewaltkultur von Gruppen im Feld des Antifaschismus zu einer Nazi-Hochburg geworden.

    Und das man überhaupt noch etwas zum Stalinismus sagen muss, verwundert uns sehr. Dafür verweisen wir aber an dieser Stelle lieber auf die Lektüre von guten Geschichtsbüchern.

    Azzoncao, ein Polit-Cafè

    • Antwort an Azzoncao

      Neostalinistisch ist ein schwerwiegender Vorwurf. Bitte erläutern.

      • Azzoncao, ein Polit-Cafè

        Angesichts des aggresiv-übergriffigen und reaktionären Verhaltens seitens der ALB lohnt es sich auch mal ihre Verlautbarungen zu lesen. Etwas was anscheinend aus der Mode gekommen ist: die Demo-Aufrufe von Gruppierungen durchzulesen.

        Um es kurz zu sagen: Neo-stalinistisch deswegen, weil die ALB sich in ihrem Aufruf zu der sogenannten „revolutionären Vorabenddemonstration“ in diesem Jahr eindeutig positiv auf ein konterrevolutionäres Geschichtsbild, bzw. auf stalinistische Politik, bezogen hat.
        Zitat „Der organisierte Antifaschismus ist seit Anbeginn eng mit dem Klassenkampf verbunden. Sei es der Widerstand der Komintern gegen Mussolinis Schwarzhemden, der aufopferungsvolle Kampf der internationalen Brigaden gegen Francos Falange oder der kommunistische und sozialistische Widerstand gegen das nationalsozialistische Hitlerregime.“

        Hier etwas Historisches:
        – Mussolinis Schwarzhemden (camicie nere) wurden im März 1919 in Mailand gegründet.
        Die Kommunistische Internationale (Komintern), der weltweite Zusammenschluss der entstehenden kommunistischen Parteien, wurde fast zeitgleich von Lenin in Moskau gegründet.
        Die kommunistische Partei Italiens gründete sich aber erst im Januar 1921 in Livorno – also fast zwei Jahre nach der Gründung der Fasci italiani di combattimento durch den Ex-Sozialisten Benito Mussolini.
        Wer hat also in Italien gegen die „camicie nere“ Widerstand geleistet? Wenn es die PCI war, dann wohl eher spät und neben anderen Organisationen und Strömungen – Alles andere ist ein Komintern-Märchen.

        – Unter ihren Parteiführer Lenin sorgte die kommunistische Partei Russlands nicht nur für die Zwangskollektivierung, die politischen Säuberungen und Einführung der berüchtigten Straflager „Gulag“, sondern auch die Niederschlagung des Kronstädter Matrosenaufstands und die Zerschlagung der anarchistischen Machnowschtschina-Bewegung in der Ukraine. – Soviel zu diesem Kominternmitglied.

        – Zunächst war das Ziel der Komintern die Weltrevolution. Spätestens seit 1924 ging es vorwiegend um den Aufbau, Erhalt und Schutz des Sozialismus in der UDSSR. Alle anderen Interessen wurden dem untergeordnet und alle kommunistischen Parteien waren lediglich nationale Sektionen der Komintern, ausgerichtet an den Vorgaben der kommunistischen Partei Russlands (Bolschiwiki) – KPR (B). – Alleiniges Ziel der Komintern waren die Belange der KPDSU.

        – Ab 1922 war Josef Stalin Generalsekretär des ZK der KPDSU und nach dem Tod Lenins im Januar 1924 setzte er sich durch. Stalin diktierte den Kurs der Komintern und nutzte sie als Instrument seiner Außenpolitik. – Die Komintern war ein stalinistisches Machtinstrument.

        – Der spanischen Bevölkerung eilte nach den teils erfolgreichen Aufstand gegen den Putsch der faschistischen Generäle im Juli 1936 nicht nur die „Internationalen Brigaden“ zur Hilfe. Viele Internationalistas waren auch in anderen Brigaden als KämpferInnen aktiv.
        Wenig bekannt ist, dass ein Teil der Internationalen Brigaden aktiv dabei tätig war Land, das arme LandbewohnerInnen enteignet hatten, an die Großgrundbesitzer zurückzugeben.
        Zudem versuchte Stalin über die kommunistischen Parteien und die Internationalen Brigaden massiv auf die Ereignisse in Spanien Einfluss zu nehmen, damit es hier nicht zu einem Land mit einer anderen linken Lebenswirklichkeit kommt. Dazu nutzte er den Geheimdienst NKWD. Der NKWD jagte und ermordete linke Oppositionelle, Trotzkisten, Mitglieder der POUM und AnarchistInnen in Spanien. – So zur Rolle der Komintern im spanischen Bürgerkrieg.

        – Der alleinige Bezug auf den kommunistischen und sozialistischen Widerstand gegen den Faschismus ist absurd und spottet der Geschichtsforschung und all den kritischen Ansätzen der Neuen Linken, die seit den 70er Jahren versucht die unterschiedlichsten Widerstandsbewegungen zu eruieren und zu würdigen. Der soziale Widerstand, der Widerstand der JüdInnen, der Frauen, Homosexuellen, Kulturschaffenden, Edelweisspiraten, Swingjugend, der Christen, der SozialdemokratInnen, der Gewerkschaften, und, und, und. – Aber diese Menschen waren ja auch nicht in der Komintern organisiert und sind somit für die ALB nicht erwähnenswert.

        Die ALB vertritt eine reaktionär-orthodoxe Sicht auf den Antifaschismus und steht in ihren Verkürzungen, Auslassungen und Überschreibungen für eine stalinistische Auffassung.

        • Azzoncao, ein Polit-Cafè

          p.s.: Die Komintern brachte 1924 die Theorie des Sozialfaschismus hervor. D.h. die Sozialdemokratie wurde als der gemäßigter Flügel und Ergänzung des Faschismus angesehen. In Deutschland vertrat dies mit aller Härte die KPD und sorgte für eine entschiedene Schwächung des Antifaschismus in der Weimarer Republik. Als am 10. Juli 1932 die Antifaschistische Aktion gegründet wurde, um ein Zusammengehen der AntifaschistInnen zu ermöglichen, war dies seitens der KPD so halbherzig wie taktierend, denn auch hier schlug Stalins Idee des Sozialfaschismus durch. Der Rest steht in den Geschichtsbüchern.

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