Montag 09.05.22, 16:02 Uhr
Gedenkrundgang am 8. Mai 2022, dem Tag der Befreiung, auf dem Friedhof am Freigrafendamm

Redebeitrag von Michael Niggemann, VVN – BdA Bochum


Wir stehen hier am Ehrenrundplatz, eine der wenigen Gedenkstätten in Deutschland für die im allgemeinen Bewusstsein vergessenen Widerstandskämpfer. An dieser Stelle, wo sich die Hauptwege des Friedhofs treffen, an diesem besonderen Platz, gedenken wir acht Widerstandskämpfern gegen Faschismus und Krieg, die der linkssozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung angehörten. Aber es waren nicht die einzigen Widerstandskämpfer. An vielen Orten in den Städten und Dörfern Deutschlands gab es Widerstand. Allerdings ist dieser Widerstand bereits kurz nach dem Krieg kleingeredet und verschwiegen worden. Umso wertvoller ist die Erinnerung an Bochumer Widerstandskämpfer:innen, die auch in Konzentrationslagern bzw. Zuchthäusern der Faschisten umgebracht wurden.

Trotz Sorge um ihre Familien, trotz Angst vor dem faschistischen Staatsapparat mit seinen Sanktionen, trotz drohender Haft, Folter oder KZ wurden auch Frauen besonders im Laufe des Krieges zunehmend aktiv.

Auch sie waren – wie viele andere – in Bochumer Betrieben und Zechen verankert und kämpften gegen Hitler und seine Bewegung.

Die Leitungen der Betriebe unterstützten häufig die Faschisten, indem sie diese u.a. finanzierten. Aber große Teile der Beschäftigten stellten sich dem drohenden Faschismus entgegen. Eine Vielzahl von ihnen wurde dafür gemaßregelt oder entlassen!

Die ersten Ziele des faschistischen Terrors waren die Arbeiterbewegungen. Schon im Februar und März 1933 wurden Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter das Ziel von Terror, Verfolgung und Gewalt.

Bald folgten die ersten Pogrome gegen jüdische Bürger, Bücher wurden verbrannt, die Gewerkschaften verboten. Es bewahrheitete sich die Erkenntnis, die in großen Teilen der Arbeiterschaft verankert war: „Hitler bedeutet Krieg“.

Diese Gedenkstätte hier wurde 1947 von der VVN und der Stadt Bochum geschaffen und durch die Urnenbeisetzung von sieben Bochumer Widerstandskämpfern am 23. März 1947 eingeweiht. Eine weitere Urne wurde am 13. September 1947 von Dortmund zum Ehrenrundplatz umgebettet. Die acht Kissensteine stehen auch stellvertretend für alle Opfer des Faschismus.

Der Platz, der 1947 noch am Rande des Friedhofes lag, wurde im Jahr 2008 neugestaltet und bepflanzt – nach jahrelangen Bemühungen von Angehörigen und überlebenden Antifaschist:innen. Der von der VVN gestiftete Gedenkstein, der von Käthe Wissmann entworfen und von dem Steinmetz Rüttershof aus Castrop-Rauxel geschaffen worden ist, wurde aufgestellt.

Der obere Teil der Stele aus Sandstein zeigt ein Dreieck, das an die Kennzeichnung der KZ-Häftlinge erinnern soll. Dieses Dreieck, gemeint ist das rote Dreieck, das auch das Zeichen der VVN ist, geht auf die politischen Häftlinge zurück, die damit im KZ gekennzeichnet wurden.

Die Stele hat die Inschrift: „Zum Gedenken an die ermordeten Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime“

Im Jahr 2010 wurde das Denkmal geschändet. Spuren sind noch heute zu sehen.

Diese Kissensteine stehen für acht Arbeiter, die sich trotz Lebensgefahr dem faschistischen System widersetzten, sie leisteten Widerstand gegen den Krieg.

Dies sind:

Friedrich Hömberg
geb. 1912, ermordet im Alter 31 Jahren am 4.10.1943

Josef Langner
geb. 1900, ermordet im Alter von 43 Jahren am 13.12.1943

Bernhard Nast
geb. 1900, ermordet im Alter von 42 am 22.12.1942

Moritz Pöppe
geb. 17:11.1897, ermordet im alter von 47 Jahren am 6.11.1944

Johann Schmidtfranz
geb. 20.2.1898, ermordet im Alter von 46 Jahren am 6.11.1944

Wilhelm Schpenk
geb. 1900, ermordet im Alter von 44 Jahren am 2.5.1944

Wilhelm Thiesbürger
geb.1915, ermordet im Alter von 28 Jahren am 15.1.1943

Erich Schröder
geb. 1897, ermordet im Alter von 40 Jahren am 8.2.1937

Die Urne von Erich Schröder wurde am 13.9.1947 von Dortmund zum Ehrenrundplatz umgebettet.

Sie informierten sich verbotenerweise über ausländische Sender und schlossen sich in Gruppen zusammen. Im Schutze der Nacht verbreiteten sie Flugblätter und Handzettel und riefen zum Sturz von Adolf Hitler auf, den sie als einen „Bluthund“ bezeichneten. Sie sind ihrer Überzeugung treu geblieben und bezahlten ihren antifaschistischen Einsatz mit dem Leben. Aber ihr Tod ist nicht vergessen. Ihr Vermächtnis lebt in uns fort. Die Kommunisten Moritz Pöppe und Johann Schmidtfranz waren jahrelang die Köpfe Bochums größter und aktivster Widerstandsgruppe während des 2. Weltkrieges. Mitglieder der Pöppe/Schmidtfranz-Gruppe verbreiteten Nachrichten von BBC und Radio Moskau, gaben von alliierten Flugzeugen abgeworfene Flugblätter weiter und verteilten selbstgefertigte Zettel mit der Aufschrift: „Nieder mit dem Bluthund A. Hitler“.

Ohne die Widerstandskämpfer, die Toten und die Überlebenden, ohne die, die auf dem Appellplatz im KZ Buchenwald den Schwur leisteten „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“, wäre der Neubeginn schwer möglich gewesen. Ihr beispielhafter Kampf war ein wesentlicher Grundpfeiler für den Wiederaufbau nach 1945.

Neben den bekannten männlichen Widerstandskämpfern muss aber auch der vielen Frauen gedacht werden, die sich aktiv am Widerstand gegen die Terrorherrschaft des Faschismus beteiligten. Sie unterstützen dabei nicht nur die Aktivitäten der Männer, oder leisteten „frauenspezifische“ Widerstandstätigkeiten.

Sie gestalteten und verteilten antifaschistische Flugblätter und Handzetteln, versteckten und versorgten Illegale und Flüchtlinge im Untergrund, beteiligten sich an betrieblichen Sabotageaktionen und unterstützten den Widerstand in vielen Aktionsformen und Gruppierungen.

Mit dem im Jahr 2006 erschienene Buch „Wider das Vergessen – Widerstand und Verfolgung Bochumer Frauen und Zwangsarbeiterinnen 1933 – 1945“, wird an über 60 Bochumer Frauen und ihren Widerstand erinnert.

In Bochum erinnern viele Stellen, z.B. an den Verlegeorten von Stolpersteinen und an Plätzen an die Widerstandskämpfer:innen.

Viele Orte des Widerstandes und seiner Unterdrückung sind allerdings der breiten Öffentlichkeit in Bochum nicht bekannt.

So wurde in mehr als 20 Bochumer Folterkellern (häufig in Kneipen oder auch Schulen) gequält und schon bald in die Konzentrationslager Esterwegen, Dachau, Papenburg und Oranienburg verlegt, in die hunderte Bochumer und Wattenscheider verschleppt, viele misshandelt und eine Unzahl ermordet wurden.

Als im letzten Jahr, nach Recherchen Bochumer Antifa-Gruppen, bekannt wurde, dass eine Gastronomin mit einer neofaschistischen Vergangenheit die Restauration an der Zeche Gibraltar – einem frühen KZ auf Bochumer Gebiet – übernommen hat, wurde die VVN-BdA Bochum aktiv, um diesen Gedenkort aufzuwerten. In Gesprächen mit Vertretern der Stadt, des Bezirks, des Stadtarchivs und der Freizeitgesellschaft Kemnader See wurde erreicht, dass die Gedenktafel wieder an einen besser sichtbaren Ort umgesetzt wird und eine zusätzliche Informationstafel auf die Vergangenheit dieses Ortes hinweist. Dies soll nun im Herbst passieren.

Wir streben an, dass auch die anderen Stätten der Verfolgung des Widerstandes wie z.B. die Hegelschule oder die Plutogaragen derart sichtbar im Stadtbild werden.

Es gab aber auch aktiven Widerstand unter der jüdischen Bevölkerung. Dies wurde unter anderem bekannt, als im Jahr 2019 vier Stolpersteine für Mitglieder der Familie Kurzberg in der Stolzestraße verlegt wurden.

Es sehr wahrscheinlich, dass Siegmund Kurzberg Mitglied im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (RjF) war, dem etwa die Hälfte aller jüdischen Veteranen angehörte. Leitspruch des RjF war der Schlachtruf der Makkabäer: „Seid stark und tapfer!“. Siegmund Kurzberg war Mitglied in einem Boxverein und hat mit seinen Sportkameraden Faschisten nach Überfällen zur Rede gestellt und verprügelt.

Der Reichsbund unterhielt ab Sommer 1923, dem ersten Höhepunkt antisemitischer Ausschreitungen, lokale Selbstschutzgruppen, die „Abwehr“ (AW). Ihre Aufgabe bestand darin, Synagogen, jüdische Grundstücke, Gebäude, Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Bei Versammlungen war sie als Saalschutz tätig. Die Polizei beobachtete die Selbstschutzgruppen argwöhnisch, weswegen die AW geheim operierte. Sie kooperierte mit dem sozialdemokratischen Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und der Eisernen Front, war in konspirativen Kleingruppen organisiert und besaß illegal Waffen. Im Ruhrgebiet zerstörten sie besonders vor Wahlen judenfeindliche Plakate und schickten die „kräftigsten ihrer Leute“ zu antisemitischen Veranstaltungen der Faschisten, die sie gezielt mit Zwischenrufen störten, was nicht selten in einer „wüsten Keilerei“ endete.

War es nach dem 2. Weltkrieg der Schwur: „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“ muss es heute – bei all den Kriegen, heißen:

Widerstand gegen alle Kriege – weltweit!“
Verbot aller faschistischen Parteien und Strukturen!

… und für den kommenden Sonntag:
Landtag nazifrei – keine Stimme der AFD und keine Stimme für die BASIS!