Donnerstag 10.03.22, 21:39 Uhr
Seid heroisch, die Waffen nieder

Ohne Frieden ist alles nichts 1


von Ralf Feldmann

Krieg: dieses Mal ein hemmungsloses Verbrechen aus Russland. Die Angreifer zerstören ein Brudervolk und morden. Sie müssen sich dafür verantworten.
Aus dem Krieg das Bild einer jungen ukrainischen Mutter, die mit ihrer vielleicht fünfjährigen Tochter auf der Flucht an der Grenze in Polen angekommen war. Schluchzend berichtete sie, ukrainische Grenzposten hätten ihren Mann, den Vater des Mädchens, an der Grenze aus dem Bus geholt und in den Krieg für sein Land zurückgeschickt.

Im Bundestag, der jetzt Abermilliarden für neue Hochrüstung beschließen will, war viel die Rede davon, die Ukraine kämpfe für ihre, ja für unsere Freiheit. Was für eine Freiheit, die Menschen an der Flucht aus dem Krieg hindert, den Vater von Mutter und Kind trennt und zum Kriegsdienst zwingt? Für wessen Freiheit ruft ein Präsident mit dem Mut der Verzweiflung zum aussichtslosen Kampf gegen den brutalen Aggressor? Sehr frei waren dort Oligarchen und dabei unermesslich reich geworden.

Ohne Leben keine Freiheit. Notwehr darf die Not nicht größer machen. Wir dürfen uns nicht zu Nothilfe pressen lassen, die den Krieg weiter anfacht, uns hineinzieht, am Ende ins atomare Desaster. Verantwortungsvolle Staatslenker werden die Ihren gegen eine barbarische Übermacht nicht in den Tod führen, sondern sind offen für schmerzhafte Kompromisse. Selbst nach einer Kapitulation wäre die Geschichte nicht zu Ende, der Weg zu Freiheit auch nicht. Unsere eigene Freiheit, die alle verteidigen wollen, besteht derzeit übrigens darin, beim Mörder Gas und Öl zu kaufen, Lieferung durch Kriegsgebiet.

Ein anderes Bild des Krieges: ein alter Mann. Mit nichts als mit ausgestreckten Armen geht er auf einen russischen Panzer zu, der hält an, überrollt ihn nicht. Es ist ja nicht nur hoch oben Putins Krieg, sondern ganz unten der des Panzerfahrers und der vielen Soldaten. Nein, nicht nur die oben sind verantwortlich, sondern alle, die ihnen gehorsam folgen, sie wählen, mindestens gewähren lassen. Wir wissen das aus eigener Geschichte. Du sollst mit einem Panzer keine Menschen überfahren, du sollst Menschen und ihre Häuser nicht beschießen, du sollst nicht töten! Das gilt nicht nur für den Führer oben, sondern ist für alle das Mindeste, oben und unten.

Gerade stand das größte Kernkraftwerk Saporischschja unter Feuer. Korridore werden beschossen, die sie humanitär nennen. Sie sollen Menschen den letzten Fluchtweg offen halten, bevor ihre belagerten Städte – mit den Zurückgebliebenen – der Zerstörung ganz preisgegeben sind. Schluss damit! Verhandelt endlich ernsthaft und bereit zu Kompromissen. Die Waffen nieder!

Flüchten, Kriegsdienst verweigern, desertieren: sind Menschenrecht! Niemand muss das aushalten, niemand muss standhalten.

SOLDATEN SEID JETZT HELDEN – RAUS AUS DEM KRIEG – SAGT ÜBERALL NEIN

FLIEHENDE UND DESERTEURE: SEID WILLKOMMEN BEI UNS!

Bei uns ist jetzt die Antwort auf diesen Krieg: schlimmere Kriege. Neuer Rüstungswahnsinn steht auf der Tagesordnung. “Wir können nicht den Himmel auf Erden schaffen, aber eine Menge tun, um die Erde nicht zur Hölle werden zu lassen“, das war die eindringliche Mahnung des Professors für christliche Sozialethik Günter Brakelmann auf der Kundgebung des Bochumer Friedensplenums gegen den Krieg in der Ukraine.

Ein Appell an die politisch Verantwortlichen: Überrumpelt, doch mit großer Mehrheit will der Bundestag neuen Brandstoff für die Hölle von Kriegen beschließen, milliardenschwer. Nicht nur das 100 Milliarden-Sondervermögen, das sogar in der Verfassung festgeschrieben werden soll. Nicht nur die Absicht, jetzt sogar mehr als 2% unserer Wirtschaftskraft ins Militär zu stecken. Nein, die Regierung beschwört jetzt im Krieg nochmals ausdrücklich die deutsche nukleare Teilhabe, will neue Bomber für die Atombomben in Büchel, kalkuliert also weiter mit dem eigenen atomaren Untergang. Als wären die konventionellen Waffen nicht schlimm genug. Mindestens 500 Milliarden soll ein neues hochkomplexes europäisches Luftkampfsystem kosten, digitale Spitzentechnologie des Todes. Hätten wir alles bereits, wären wir jetzt um einen Deut sicherer? Oder schon mittendrin im Krieg, nicht nur am Rand?

Fragen an unsere eigene Verantwortung: Wer bezahlt dafür? Womit? Wer profitiert davon? Wo wird das Geld anderswo für Dringendes fehlen? W i r haben keine Ausreden, wenn wir zusehen und es geschehen lassen.

Wir haben Verantwortung für die Opfer des Krieges und helfen – friedlich, menschenfreundlich, humanitär – jetzt im Krieg und hoffentlich sehr bald danach. Solidarität mit den Geflohenen und den Menschen, die in der Ukraine bleiben, heißt: Milliarden für sie, nicht für neue Hochrüstung!


Ein Gedanke zu “Ohne Frieden ist alles nichts

  • Der Tiktok-Krieg

    E i n e neue „Qualität“ ist die Medienlandschaft und dieser Krieg.
    Irgendwie scheinen wir a l l e schon fest in den Händen von Zuckerberg und Co. zu sein.

    Inszenierung des Kriegs auf Tiktok:
    Moonwalk auf dem Schlachtfeld
    Manche nennen den Krieg in der Ukraine schon den ersten „Tiktok-Krieg“:
    Was bedeutet das für unsere Wahrnehmung des Konflikts?
    taz – 11.03.2022
    Adrian Lobe
    https://taz.de/Inszenierung-des-Kriegs-auf-Tiktok/!5838205/

Kommentare sind geschlossen.