Samstag 05.02.22, 12:09 Uhr
Redebeitrag auf der Kundgebung „Solidarisch durch die Pandemie – Demokratie stärken!“ am 4.2.2022 in Bochum

Dietmar Fischer, Sonderpädagoge, GEW Bochum


Dietmar Fischer, Sonderpädagoge, GEW Bochum

Mein Name ist Dietmar Fischer, ich bin Lehrer für Sonderpädagogik arbeite mit Kindern, die körperlich beeinträchtigt sind und ich bin in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft aktiv. Ich möchte Euch von der Situation der Kinder und Jugendlichen insbesondere an den Schulen berichten: Schon vor der Pandemie wurden die Schulen wenig unterstützt. Nun ist die Situation dramatisch: Wir haben ständig positive Testergebnisse, viele erkrankte Schüler:innen und viele erkrankte Lehrkräfte. Schulen sind ohnehin überwiegend schlecht ausgestattet, sie leiden unter zu großen Klassen, zu wenig Lehrkräften, häufig schlechtem baulichen Zustand und mangelnder Ausstattung. Es gibt immer wieder viele Lippenbekenntnisse aus der Politik; aber geschehen ist wenig!

Kinder und Lehrkräfte drängeln sich in viel zu engen Räumen! Abstände – überall dringend empfohlen – können in Schulen nur selten eingehalten werden. Lüftungsgeräte sind in Schulen selten, Schüler:innen und Lehrkräfte müssen im Winter frieren, weil sie immer wieder lüften müssen. Die Inzidenz unter den 5-14 jährigen lag gestern in der Nachbarstadt Dortmund über 5100. Es wird die Durchseuchung von Schüler:innen in Kauf genommen. Aber auch Kinder und Jugendlichen können lange krank sein, weil sie nach einer Corona-Infektion am PIMS Syndrom (Multi-Entzündungserkrankung) oder an Long Covid erkranken können!

Mehrmals in der Woche müssen die Schulen Testsituationen stemmen. Lehrkräfte sind am Ende ihrer Kräfte. In den Grundschulen beispielsweise ist die Situation besonders grotesk: 2x in der Woche wird ein PCR Test durchgeführt. Alle Stäbchen kommen in ein Glas – das ist der Pool -, der vom Labor ausgewertet wird. Die Schule wird bei einem positiven Pool informiert. Am nächsten Morgen weiß man, mindestens ein Kind ist positiv, trägt also das Virus. Am nächsten Tag kommen alle in die Schule und nehmen im Klassenraum die Maske ab – obwohl man weiß, eine /einer ist positiv! Die Schüler:innen müssen sich dann selbst mit einem Wattestäbchen in der Nase testen.

In einem Testzentrum, tritt jeder einzeln ein und eine Mitarbeiter:in in Schutzkleidung steht einem gegenüber: Maske, Visier, Schutzanzug, Handschuhe! In der Schule sind alle ungeschützt! Nun ist die Frage: Wer ist positiv! Wie beängstigend für die Kinder, was für eine Zumutung und was für eine Belastung! Das oder die positiven Kinder weinen oft – sie können von den Lehrkräften nicht in den Arm genommen und getröstet werden – denn sie sind ja hochansteckend. Sie sollen isoliert und beaufsichtigt werden, bis sie abgeholt werden.

Häufig gibt es dafür keine geeigneten Räume und kein Personal – denn die Lehrkräfte haben die Klasse zu beaufsichtigen! Eine belastende und oft demütigende Situation für alle Beteiligten!

In unserer Gewerkschaft sind auch viele Studierende organisiert. Auch sie dürfen wir nicht vergessen. Sie leiden sehr unter der Situation. Dort heißt es immer wieder: Online Studium! Viele haben ihr Kommiliton:innen, das Leben und Lernen an der Universität gar nicht kennen gelernt. Sie sitzen seit 4 Semestern, also zwei Jahren – nicht selten vereinsamt und deprimiert – allein vor ihren Bildschirmen, weil Seminare und Vorlesungen selten in Präsenz stattfinden. Das ist kein Studium bei dem man etwas für das Leben lernt!

Ich möchte eurer Augenmerk aber auch auf die besonderen Kinder und Jugendlichen lenken: Die Schüler:innen mit Vorerkrankungen! An meiner Schule gibt es viele Kinder mit Behinderungen deren Gesundheit ohnehin sehr fragil und instabil ist: Kinder die nicht abhusten können und abgesaugt werden müssen, Kinder mit Herzfehlern, Transplantierte und vieles mehr!

Diese Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern leben in Angst und Schrecken – denn eine Corona Erkrankung könnte sie sehr, sehr schwer treffen! Viele von ihnen können nicht geimpft werden. Einige sind über Wochen und Monate zu Hause geblieben, haben sich abgeschottet, damit sie es nicht bekommen. Manche haben sich dann doch wieder in die Schule getraut, weil sie es zu Hause nicht mehr ausgehalten haben – Sie leben mit der Angst und können nachts oft nicht schlafen!

Deshalb ist mein Apell an alle: Denkt nicht nur an EUCH und EURE Freiheit, denkt an die Kinder und Jugendlichen. Seid solidarisch! Haltet euch an die Corona Maßnahmen und lasst euch impfen und boostern – damit die Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern wieder ruhig schlafen können!!!