Sonntag 30.01.22, 15:15 Uhr
Eindrücke von der "Querdenker"-Demonstration

„Dann werden wir aufräumen“ 5


Ein der Redaktion bekannter Leser beschreibt seine Eindrücke von der gestrigen „Querdenker“-Demonstration: »Vor dem Schauspielhaus glich die Versammlung einer Wahlkampfveranstaltung für die Partei „Die Basis“. Eine Rednerin fordert auf, in die Partei einzutreten oder sie zumindest zu wählen. Wenn man dann im Mai 2022 in den Landtag NRW einziehe, „dann werden wir aufräumen“. Der Kandidat der „Basis“ für die letzte Bundestagswahl, Andreas Triebel, verbreitet in seinem letzten Blogartikel vom 27.1.22 (1) übrigens so schöne Sätze wie „Die neuen Berliner Faschisten verstecken ihren Rassismus hinter ihren Solidaritätsbekundungen gegenüber Israels faschistischer Regierung. Die gesamte politische Klasse spielt dieses Spiel mit und versucht mit dem Holocaust- Gedenken von den eigenen Untaten abzulenken.“ Er faselt von den Impfungen als „Giftspritzen“und „massenhaften Tötung gesunder junger Menschen und der Wiedereinführung der Euthanasie“. Ich bin gespannt, ob „Die Basis“ diese Person auch als Landtagskandidat aufstellen wird.

Christian Riepenhoff als Demoanmelder der Querdenkendemos, empfiehlt per Lautsprecher als alternative Informationsquelle zu den „Leitmedien“ den Blog von Boris Reitschuster. Reitschuster, ehemaliger Moskau-Korrespondent des Focus, schreibt auch für die „Junge Freiheit“ und „Tichys Einblick“. Nach einer Studie der britischen Nichtregierungsorganisation „Hope not Hate“ vom September 2021 war die Seite von Reitschuster neben der des deutschen Ablegers des russischen Staatssenders RT unter den am häufigsten auf Facebook von AfD-Profilen geteilten „Alternativmedien“. (2) Reitschuster verbreitet nicht nur „Fake-News“ zur Coronapandemie (3), sondern hetzt auch gerne gegen die „black lives matter“-Bewegung und stellt den Tod von George Floyd durch Polizeigewalt infrage. (4)

Riepenhoff teilt auf seiner Facebook-Seite natürlich auch Bilder und Videos aus „Junge Freiheit, „Russia Today“, dem „Corona-Ausschuss“ (5) und von Frank Hanning, dem Anwalt des Mörders von Walter Lübke. Hannig war auch an der Gründung des Pegida Fördervereins in Dresden beteiligt.

Auffällig bei der Demo war auch, dass auf Proteste durch junge Antifas aus der Demo heraus massiv mit „Nazis raus“-Rufen geantwortet wurde. Was erst einmal widersinnig erscheint, erschließt sich auf den zweiten Blick, wobei für einen notwendigen dritten Blick hier kein Raum ist. Auf der Facebookseite von (schon wieder) Christian Riepenhoff finden wir ein Bild mit dem Spruch „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus – Nein, er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus“, der fälschlicherweise dem italienischen Sozialisten Ignazio Silone zugeschrieben wird. Außerdem finden wir noch eine in die gleiche Richtung zielende Karikatur.

Die Bezeichnung von Antifas als Nazis hat übrigens Tradition im rechtskonservativen Umfeld bzw. bei der „Neuen Rechte“. So stellt z.B. das konservative Magazin „Cicero“ in einem Artikel von 2019 die Frage „Wie faschistisch ist die Antifa? – Religionskritik, der Kampf für Frauenrechte und gegen Rassismus waren einst Felder der Linken. All dies gibt sie heute zugunsten des Islam auf. Vielleicht weil sie sich in dessen antiwestlicher, autoritärer und antikapitalistischer Haltung wiedererkennt?“

Eine „Neue Rechte“ braucht auch die Abgrenzung zu „echten Nazis“, also Menschen, die den NS, die Wehrmacht etc. glorifizieren, damit sie eine Chance auf eine breitere Unterstützung bekommen. Dabei ist es natürlich hilfreich junge, wütende Antifas als „böse“, als „Nazis“ , zu betiteln.

Dies erübrigt dann natürlich den Blick auf die (in Bochum m.M. nach relativ wenigen) „echten Nazis“ in den eigenen Reihen und zum anderen schweißt die Konstruktion eines allgemein akzeptierten Feindbildes die eigenen Reihen zusammen.

Wobei umgekehrt die Betitelung der Querdenker*innen als Nazis durch Antifa-Kids auch nicht gerade von weitergehender Analyse zeugt. Hier fehlt meines Erachtens nach eine Differenzierung zwischen „Nazis“, „Faschos“ und „(neuen) Rechten“.

Ansonsten waren die Demoteilnehmer*innen ein illustrer Haufen von Menschen aus unterschiedlichsten sozialen Milieus. Vom „See you in Walhalla“ Hoody über Militariaabzeichen, typischen Hool-Klamotten bis hin zu rein optisch im Bildungsbürgertum verordneten Personen, war alles dabei….und leider auch Menschen, die ich von eher links gelesenen Kulturveranstaltungen her kenne.

Im Umfeld waren einige Personen, die z.B. von mir wissen wollten, wo denn die Nazis in der Demo seien. Da war die Gegenfrage immer hilfreich, woran sie denn Nazis erkennen würden. Von Schulterzucken bis hin zu Glatze, Springerstiefeln und NPD-Fahnen war an Antworten alles dabei. Da war ich dann immer überfordert, in der Kürze der Zeit angemessen darauf zu reagieren…..wenn schon die Landesregierung in der Begründung für das neue Versammlungsgesetz immer noch von Trommel schlagenden, uniformierten Nazis spricht.«

(1) http://andreastriebel.de/?p=3457
(2) https://www.rnd.de/politik/gegen-klassische-medien-wie-die-afd-rechten-alternativmedien-reichweite-verschafft-BLIL6KN4LNCRVO7CDMOMXYIZTI.html
(3) www.volksverpetzer.de/corona-faktencheck/reitschuster-faktencheck-unserioes/
(4) https://web.archive.org/web/20210418103505/https://reitschuster.de/post/der-tod-von-george-floyd-die-andere-geschichte/
(5) https://www.focus.de/politik/deutschland/hetze-luegen-und-videotapes-jede-woche-schallt-aus-wohnung-in-berlin-moabit-wirre-anti-impf-propaganda_id_24312976.html
(6) https://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Hannig_(Rechtsanwalt)


5 Gedanken zu “„Dann werden wir aufräumen“

  • Zora

    Naja, Ignazio Silone war nicht nur Sozialist, sondern zeitweise auch Kommunist und Weggefährte Antonio Gramscis. Er war ein Leiter der illegalen KPI im Untergrund. In dieser Funktion nahm er auch an Sitzungen in Moskau teil und schrieb darüber in seinem Buch „Uscita di sicurezza“ Erhellendes über Ernst Thälmann.
    Silone entging den stalinistischen Säuberungen nur knapp und wandelte sich zu einem christlichen Sozialisten. Seine Bücher „Fontamara“, „Der Samen unter dem Schnee“ und „Brot und Wein“, die in den bäuerlichen Abruzzen zur Zeit des Faschismus spielen und sich mit Widerstand, Opportunismus und Verrat auseinandersetzen, sind für Leute, die sich für italienischen Faschismus interessieren, sehr lesenswert.
    Das Ignazio Silone den Satz „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: «Ich bin der Faschismus» Nein, er wird sagen: «Ich bin der Antifaschismus» „, so oder ähnlich, geäußert hat, ist durchaus vorstellbar. Er sprach angesichts Stalins Säuberungspolitik auch vom „Roten Faschismus“. Warum der obrige Autor die Aussage des jüdischen Journalisten François Bondy (1915 – 2003) hier in Frage stellt, ist mit schleierhaft. Belege für seine Meinung bleibt er schuldig.
    Ich vermute, dass es nicht erwünscht ist, wenn aus berufenen Munde auf autoritäre, teils sogar eliminatorische Tendenzen und Strömungen in der Linken hingewiesen wird. Das darf Alles nur eine Erfindung der „Neuen Rechten“ sein.

    • "Der Autor"

      Liebr(r) Zora,
      ja du hast recht. Meine Aussage, dass das Zitat fälschlicherweise Ignazio Silone zugeschrieben wird, ist nicht gesichert. Da war ich zu schnell. Hier:
      https://jungle.world/artikel/2020/05/silones-warnung
      gibt es einige Hintergründe zu dem Zitat. Sorry dafür.

      Wie du allerdings zu dem Schluss kommst, dass ich es für nicht erwünscht halte, dass „auf autoritäre, teils sogar eliminatorische Tendenzen und Strömungen in der Linken hingewiesen wird“, ist mir schleierhaft. Du klingst sehr frustriert.

      • Martin Wimmer

        Es ist – höflich gesagt – nicht sehr hilfreich, eine Person, deren Meinung nicht passt, als ‚frustrierte‘ erscheinen zu lassen.

        • "Der Autor"

          Lieber Martin,

          ich habe Zora nicht als „frustrierte“ Person bezeichnet.

          Es ist ein großer Unterschied, ob ich eine Person als frustrierten Menschen darstelle oder ob ich sinngemäß sage „Wenn du solche Vermutungen über mich anstellst, dann klingst du frustriert“. Ersteres macht eine psychiatrisierende Schublade auf, zweiteres kann Ausgangspunkt für eine Diskussion über den Zustand der Linken sein.

          Ansonsten hat es doch im Prinzip prima funktioniert, dass, wenn mir ein inhaltlicher Fehler unterläuft, es aus der Szene eine Korrektur gibt. Dafür bin ich dankbar, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass Zora eine Quelle mit angegeben hätte. Nicht ok finde ich allerdings, dass Zora mir dann direkt eine böse Absicht unterstellt. Das ist keine hilfreiche Kommunikation.

          Und damit ist für mich die öffentliche Diskussion hier beendet. Alle Meinungen sind ausgetauscht, alle Vorwürfe gemacht.

      • Zora

        Frustriert? Nein. Genervt, dass man wieder mal auf unsaubere Recherche reagieren muss. Mehr nicht.

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