Samstag 23.10.21, 11:47 Uhr

„Stadtbad Bochum“- was bleibt? Mahnmal statt Denkmal! 1


Das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung erinnerte daran, wie die SPD geführte Stadt gegen den Willen der Bevölkerung das Stadtbad abreißen lies und damit heute einen der peinlichsten Leerstände in der Innenstadt produzierte.

Für das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung erklärt Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt zu dem mit einer Erinnerung an das „Stadtbad Bochum“ gestarteten „Rückblick auf 40 Jahre Bürgerbeteiligung in Bochum“: »Das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung hat zum Auftakt seiner Reihe „Rückblick auf 40 Jahre Bürgerbeteiligung in Bochum“ an das Bürgerbegehren zum „Stadtbad Bochum“ erinnert.

Veranstaltungsort war der Bochumer Boulevard unmittelbar vor dem groß angelegten Freitreppen-Aufgang zum „Bochumer Fenster“, in Bochum wohl besser bekannt als „Stadtbad-Galerie“. Der Blick durch den gläsernen Eingangsbereich geht heute ins Leere. Erdgeschoss und 1.Obergeschoss stehen weitgehend leer.

Wie es zu dem Leerstand in bester Innenstadtlage kam und welche Kämpfe dem vorausgingen, wussten der Denkmalschützer Dr. Hans Hanke, einst Mitinitiator des Bürgerbegehrens für den Erhalt des „Bochumer Stadtbads“, und der Bochumer Schüler Alexander Lueg – mit seiner Arbeit zum Stadtbad im Geschichtswettbewerb 2021 des Bundespräsidenten einer von mehreren Landessiegern in Nordrhein-Westfalen – in spannenden Interviews zu berichten.

Das Bürgerbegehren zum ehemaligen Stadtbad hat in Bochum Geschichte geschrieben – und nicht nur, weil es 1996 das erste in einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen war.

Niemals danach sind bisher innerhalb weniger Wochen 44.000 Unterschriften gesammelt worden. Die Unterstützung war wohl auch deshalb so groß, weil sich im Widerstand gegen den Abriss Menschen mit unterschiedlichsten Interessen zusammenschlossen, u.a. aktiv Schwimmende mit am Denkmalschutz Interessierten. Die Stimmung in der damaligen Bürgerschaft lässt sich wohl kaum treffender zusammenfassen als mit dem von Alexander Lueg für seine Wettbewerbsarbeit gewählten Titel: „Das Stadtbad Bochum – Mehr als nur ein Hallenbad.“

Dabei waren die Hürden für ein Bürgerbegehren damals weitaus höher als heute.

Die Bürger*innen sahen sich nicht nur einer unwilligen Verwaltung gegenüber. Wer den Erhalt des Stadtbades erreichen wollte, musste die Kosten dafür noch selbst berechnen.

Dr. Hans Hanke hat noch heute vor Augen, wie ihm mehre Haushaltsordner quasi vor die „Füße geworfen“ wurden. „Behinderung durch Überlastung“ nennt er das. Aber auch diese Hürde wurde damals genommen – letztendlich vergeblich.

Die im Rat damals noch mit absoluter Mehrheit ausgestattete SPD wollte das Stadtbad nämlich unbedingt abreißen. Der damalige SPD-Fraktionschef Heinz Hossiep steht noch heute zu dem Abriss, wie Alexander Lueg aus einem Interview mit ihm weiß. Da half es auch nicht, dass die Opposition von den Grünen bis zur CDU den Widerstand aus der Bürgerschaft unterstützte.

Die Verwaltung zog schließlich die formalrechtliche Bremse: Die Unterschriften seien angeblich unwirksam, weil die Angabe des Geburtstages fehlte – angegeben war nur das Geburtsjahr. In einem Beratungsgespräch vor Erstellung der Listen hatte die Verwaltung diesen Einwand aber noch nicht erhoben. Als das von den Initiatoren des Bürgerbegehrens angerufene Gericht die Frage dann entscheiden wollte, war der im November 1998 begonnene Abriss des Stadtbads bereits abgeschlossen. Damit hatte sich für das angerufene Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen die Sache erledigt. Jahre später hat das Oberverwaltungsgericht Münster anlässlich eines anderen Bürgerbegehrens geklärt, dass es der Angabe des Geburtstages nicht bedarf.

Der Verwaltung war es ohnehin bereits weit vorher gelungen, den Widerstand entscheidend zu schwächen. Der Schwimm-Fraktion wurde der Abriss mit der Zusage des Einbaus eines Hallenbades in dem neu zu errichtenden Leuchtturmprojekt „Stadtbad-Galerie“ schmackhaft gemacht. Damit war das Schicksal des durch den damaligen SPD-Landesminister Christoph Zöpel noch mit Denkmalstatus ausgestatteten Stadtbads entschieden.

Das dann nur für 10 Jahre in der „Stadtbad-Galerie“ gesicherte Hallenbad blieb pünktlich zum Fristablauf 2012 nach einem Wasserrohrbruch geschlossen. Das konnte aber niemanden so wirklich überraschen. Schon im März 1998 hatte das inzwischen verstorbene Ratsmitglied Jörg Drinnhausen unter der Überschrift „Das neue Stadtbad – eine Übergangslösung zur Beruhigung des Bürgerprotestes“ im Grünspecht – die Grünen waren noch in der Opposition – angemerkt, eine langfristige rentable Vermarktung erscheine kaum möglich, sei wohl auch nicht beabsichtigt. Seine damalige Frage, ob die Verwaltung die finanziellen und inhaltlichen Interessen der Stadt gegenüber dem Investor in ausreichendem Maße gewahrt habe, kann angesichts des in Bau befindlichen Viktoria-Karrees am ehemaligen Landgerichts-Standort auch heute gut gestellt werden.

Was bleibt also von dem ehemaligen Identifikationsobjekt „Bochumer Stadtbad“?

Dr. Hans Hanke stellt mit Blick auf den Leerstand im „Bochumer Fenster“ enttäuscht fest: Mahnmal statt Denkmal!

Aber der jahrelange Kampf um das Stadtbad habe sicherlich zur Sensibilisierung in der Bürgerschaft beigetragen und damit vielleicht auch einen kleinen Teil dazu beigetragen, dass die SPD 1999 in Bochum ihre absolute Mehrheit verloren hat.

Aber was hat sich dadurch verändert?

Nach einem aktuellen Bäderkonzept stehen auch heute wieder Bäder vor der Schließung. Nach jahrelangem bürgerschaftlichem Engagement droht völlig überraschend auch für den Standort in Wattenscheid Höntrop das endgültige Aus. Erfahren haben es die Bürger*innen wieder einmal aus der Lokalpresse.

Gut nur, dass Alexander Lueg als Jüngster in der Runde zum Abschluss darauf hinwies, das bürgerschaftliches Engagement weiterhin – nicht nur für städtische Bäder – dringend erforderlich ist.


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