Samstag 21.08.21, 10:23 Uhr
Plakatflächenfirma wollte Aufruf gegen die AFD nicht veröffentlichen

Ströer leugnet Zensurversuch 1


Das Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit unterstützt die Kampagne „Bundestag nazifrei – keine Stimme für AFD und andere Rassisten“ und wollte dies mit einen Großplakat auch demonstrieren. Hierfür war der Standort an der Universitätsstraße vor der Stelle, an der die U-Bahn an die Oberfläche kommt, vorgesehen. Dies war auch einer der Plakat-Standorte, an dem die Kampagne „Bundestag nazifrei“ am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, gestartet wurde. Das Bochumer Bündnis hatte diesen Standort Anfang des Jahres reserviert und eine Auftragsbestätigung erhalten. Ende Juli sprach die Firma Ströer als Besitzerin der Plakatfläche eine „Produktsperre“ aus.

Politische Plakate würden nicht veröffentlicht. Dass im Mai ein Plakat an dieser Stelle ebenfalls gefordert hatte: „Keine Stimme für die AFD und andere Rassisten“, erklärte die Firma Ströer damit, dass sich inzwischen ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert hätten. Dass dies nicht der wahre Grund sein konnte, wurde augenscheinlich, als Ströer in mehr als 50 Städten Großplakate der Schmähkampagne „Grüner Mist“ einer AFD nahen Agentur veröffentlichte. Ströer geriet bundesweit in die öffentliche Kritik und erklärte, dass sie alles veröffentlichten, was nicht strafrechtlich relevant sei. Ströer argumentierte nun, dass die Stadt Bochum politische Werbung nicht erlaube. Auch das ist nicht richtig, weil es hierbei um eine Beschränkung der Werbung der Parteien mit Wahlkampfplakaten auf 60 Tage vor der Wahl geht. Parteien dürfen in diesem Zeitraum sogar kostenlos ihre Plakate fast überall aufhängen. Sie dürfen dann auch Wahlkampfplakate auf den Großflächen buchen. Die Plakatwand des Bündnisses war in diesem Zeitraum gemietet worden. Kein von Ströer vorgeschobener Grund für die Zensur war stichhaltig.

Anfangs hatte das Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit darauf verzichtet, sich großartig mit Ströer auseinander zu setzen. Ströer hat in Bochum nur das Monopol für Plakatwände im öffentlichen Raum. Plakatwände an privaten Gebäuden oder auf privaten Grundstücken, werden auch von anderen Firmen bestückt. Das Bündnis mietete dort Flächen an.

Als Ströer allerdings auf die heftige Kritik an der Plakatierung der anonymen Schmutzkampagne gegen die Grüne Partei mit einen Brief an die Bundestagsparteien reagierte und einen „Runden Tisch“ anregte, war die Geduld des Bündnisses zu Ende. Ströer verglich die Kampagne „Bundestag nazifrei“ mit der Schmutzkampage gegen die Grünen.

Das Bündnis forderte die Verantwortlichen der Stadt auf, zu überprüfen, ob die Zensur von Ströer mit den Vereinbarungen der Stadt mit Ströer zur Überlassung von öffentlichen Flächen in Einklang steht.
Gleichzeitig wurde überregional zu einer Pressekonferenz eingeladen. Wahrscheinlich haben dann einige Journalist:innen bei Ströer angerufen und nachgefragt, ob es stimmt, dass Ströer die Produktsperre gegen das Plakat „Bundestag nazifrei“ verhängt und gleichzeitig die AFD freundliche Schmutzkampagne veröffentlicht.

Rechtzeitig vor der Pressekonferenz meldete sich Ströer beim Bochumer Bündnis und erklärte, die Geschichte in Bochum sei ein Missverständnis und unglücklich gelaufen. Es habe ein Systemfehler gegeben. Ströer bot zwei kostenlose zusätzliche Plakatflächen an. Die gebuchte Fläche und weitere attraktive Flächen, die von „Bundestag nazifrei“ reserviert waren, seien allerdings jetzt schon anders vergeben. Auf der Pressekonferenz kommentierte die Bochumer DGB-Vorsitzende Bettina Gantenberg, es sei schon sehr verwunderlich, dass dieser Systemfehler nicht bei den vielen Nachfragen vorher aufgefallen sei.


Ein Gedanke zu “Ströer leugnet Zensurversuch

  • B. Anksey

    Etwas kurz gedacht diese Kritik.
    Zur Jahrtausendwende wurde in Bochum jeder Laternenpfahl, jede Mauer und jeder Bretterzaun von Plakaten und Aufklebern gesäubert. Reinigungskolonnen waren dafür wochenlang unterwegs. Das öffentliche Plakatieren wurde unter Androhung (und Vollzug) von Geldstrafen untersagt. Dafür wurden dann von der Firma Ströer überall ihre Werbevorrichtungen installiert, die man mit viel Geld anmieten musste. Die Folge war, dass viele Kleinstunternehmer*innen, Kulturschaffende und Künstler*innen auf Plakate verzichten mussten. Ebenso die Reste der politischen Szene. Anzeigen in der Lokalzeitung, o.ä. waren/sind teuer und so schaffte diese Privatisierung des Öffentlichen Raumes finanzarmen, sozial und politisch aktiven Menschen erhebliche Probleme. Seit dieser Zeit steht der Öffentliche Raum steht nur noch Finanzstarken offen. Man kann nur noch das im öffentlichen Raum sehen, was Reiche einen sehen lassen wollen – am meisten Werbung für Produkte, die die Reichen reich machen.
    Allein (ein Teil der) Graffiti- und Streetart-Szene bricht mit diesem Diktat des Geldes.

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