Samstag 14.08.21, 14:56 Uhr
Grundsteinlegung für das Fritz Bauer Forum am 11. 8. 2021 in Bochum

Antje Fehrholz: Die Betrachtung der Menschen, die Widerstand leisteten und leisten, schafft Handlungsfähigkeit.


Sehr geehrte Anwesende,
ich freue mich heute hier sein zu können, um kurz darzustellen, warum sich eine Herner Schule für die Interaktive Fritz Bauer Bibliothek engagiert und die Einrichtung dieses Forums hier in Bochum sehr begrüßt. Zu Beginn möchte ich skizzieren, wie das Gymnasium Eickel in Herne zur Pilotschule für die Bibliothek wurde. Im Anschluss werde ich den Bildungsauftrag von Schule in den Blick nehmen und zum Schluss einen Ausblick auf unsere Arbeit geben.

Bereits vor einigen Jahren habe ich während einer Projektwoche zum Thema „Demokratie“ mit einer Schülerinnengruppe aus den Jahrgängen 6 bis 9 für die Bibliothek gearbeitet und konnte hier feststellen, dass die jungen Leute ernsthaft, engagiert und kreativ an das Erzählen von Geschichten von Menschen, die in irgendeiner Form Widerstand geleistet haben, herangegangen sind.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die beeindruckenden Produkte zu Steven Biko, Rosa Parks und William L. Moore.

Auch die kontinuierliche Teilnahme des Gymnasiums Eickel am Briefmarathon von Amnesty International legt den Fokus immer wieder auf Menschen, die für die Menschenrechte eintreten und aus diesem Grunde inhaftiert, verfolgt werden oder um ihr Leben fürchten müssen.

Aus meiner Sicht gehen die Verteidigung der Menschenrechte, Toleranz und das Bewahren unserer Demokratie Hand in Hand.

Und all denen, die mit offenen Augen in unserer Gesellschaft leben, muss ich nicht sagen, dass der Schutz der damit verbundenen Werte und Errungenschaften nötiger ist, denn je.

Zudem sehe ich es als Schulleiterin im Rahmen des Bildungsauftrags und in Verantwortung für die Gesellschaft als verpflichtend an, unsere Schülerinnen und Schüler auf diese hohen Güter aufmerksam zu machen und sie für deren Verletzlichkeit zu sensibilisieren, wobei es hier notwendig ist, auf die Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft zu blicken.

Die Erfüllung dieses Bildungsauftrags wird vor allem erreicht durch außerunterrichtliche Projekte z.B. unsere jährliche Teilnahme am Dr. Otto Ruer-Preis, durch unsere Arbeit als „Schule gegen Rassismus

– Schule mit Courage“ und leider nur sehr spärlich, das muss ich an dieser Stelle sagen, durch das Curriculum einzelner Fächer.

Aber aus meiner Sicht wird dieser Bildungsauftrag besonders nachhaltig durch die Arbeit für die Fritz Bauer Bibliothek erfüllt.

Denn in einem der vielen Gespräche mit Frau Dr. Wojak hat mich eine Aussage besonders motiviert, Schülerinnen und Schüler für diese Bibliothek zu begeistern:

Sie sagte, es ginge nicht darum, das Opfer in den Vordergrund zu stellen, wie es auch der Geschichtsunterricht nur zu gerne tut, sondern den Blick auf diejenigen zu richten, die eben nicht Opfer sein wollten bzw. wollen, sondern ihre Kraft dafür nutzen, auf Missstände aufmerksam zu machen und ihre Rechte zu verteidigen.

Wie ich schon sagte, leistet der reine Schulunterricht hier nur sehr wenig, was auch in Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern immer wieder kritisiert wird.

Im Unterricht liegt der Schwerpunkt nämlich auf dem Erwerb der unterschiedlichsten Kompetenzen; lediglich die Fächer Deutsch, Sozialwissenschaften, Geschichte, Religion und Philosophie widmen sich inhaltlich explizit auch der Werteerziehung.

Wenn also Schule auch den Auftrag hat, kritische, selbstbewusste, tolerante, engagierte und nicht zuletzt mutige Menschen, die ihre Meinung vertreten, nach der Schulzeit in die Gesellschaft zu entlassen, und der reine Unterricht dafür nicht ausreichend bietet, wie ist dies dann zu schaffen?

Wie erreichen wir Lehrerinnen und Lehrer es also, dass diese jungen Menschen, die uns über mehrere Jahre anvertraut werden, die demokratische Gesellschaft, in der die Menschenrechte tatsächlich verankert sind, bewahren und verteidigen?

Wie schaffen wir es, dass diese jungen Menschen Bedrohungen erkennen, Missstände anprangern und fundiert und mit Überzeugung diskutieren?

Die Antwort ist einfach: Indem wir mit ihnen über Situationen sprechen, in denen unsere Demokratie in Gefahr ist, in denen unsere Rechte eingeschränkt werden, in denen Menschen auf Widerstand stoßen, weil sie für ihre Rechte eintreten, in denen Menschen diskriminiert werden.

Wir schaffen dies, indem wir mit unseren Schülerinnen und Schülern Vorbilder suchen, die zeigten und zeigen, dass es sich lohnt, für andere – für die Menschenrechte einzutreten, indem wir über diese Menschen und ihren Mut sprechen, indem wir deren Handeln als wertvoll anerkennen.

Wir erzählen ihre Geschichten und tragen sie weiter, damit man sie nicht vergisst.

So geben wir diesen Menschen eine Stimme – gegen Unterdrückung und Diskriminierung.

Die Betrachtung der Opfer schafft Mitleid und Bedauern.

Die Betrachtung der Menschen, die Widerstand leisteten und leisten, schafft Handlungsfähigkeit.

Sie ist ein Weckruf, sie ist eine Motivation, sie dient als Vorbild und schafft Beispiele, unsere Menschenrechte und die Demokratie, in der wir leben, zu verteidigen.

Schule schafft so ein Lernen durch Erzählen und Zuhören und nicht zuletzt bietet die Beschäftigung mit Menschen, deren Geschichte des Widerstands weitergetragen wird, eine Möglichkeit zur Erziehung zu Zivilcourage.

Der Wunsch des Gymnasiums Eickel ist es, die Fritz Bauer Bibliothek, die nun auch einen realen Standort hat, zu einer riesigen Datenbank anwachsen zu lassen und andere Schulen zur Mitarbeit zu motivieren.

Wir möchten auf diesem Wege viele Menschen dazu ermuntern, sich am Kampf um des Menschen Rechte zu beteiligen, so wie Fritz Bauer es gewollt hätte.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und gebe nun gerne weiter an unsere Schülerinnen und Schüler bzw. an meine Kollegin Frau Knop, die die AG Menschenrechte leitet.