Sonntag 20.06.21, 20:03 Uhr

Rede von Iris Bernert Leushacke gegen das geplante Versammlungsgesetz


lm Sommer 2016 kam es in Dortmund zu Nazi-Angriffen, Menschen trugen Verletzungen davon. Als Reaktion auf die Angriffe gründete sich die Kampagne „Es reichtl“ In einem zielgerichteten Zusammenwirken wurden Materialien erstellt und eine größere Demonstration geplant. Mit über 40 beteiligten Organisationen, Gewerkschaften, Gruppierungen etc. fand diese Demonstration im September 2016 auch statt. Ziel war es, auf die rechten Übergriffe hinzuwirken, an die NSU-Morde zu erinnern, denn auch in Dortmund gibt es mit Mehmet Kubasik ein NSU-Opfer.

Die Demonstration erfreute sich riesiger Beteiligung, legte eine unglaublich bewegende Schweigeminute vor dem Tatort des NSU-Mordes ein, vielfältige Reden wurden an verschiedenen Stationen gehalten. Die Demonstration war groß und komplett friedlich, dem Anlass angemessen. Dennoch filmte die Polizei die Demo-Teilnehmenden, mit den bekannten auffahrbaren Kameras am Stiel, sowohl während der Sammelphase als auch während der Demonstration. Als Anmelderin der Demonstration habe ich das Filmen dokumentiert und nach juristischer Beratung Klage gegen die Polizei erhoben. Wie häufig in solchen Fällen wird etwas Ausdauer benötigt, denn erst im Februar 2019 (l) verhandelte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen meine Klage und – gab mir Recht! Das konnte und wollte die Polizei nicht auf sich sitzen lassen und ging in Revision vor das Oberverwaltungsgericht. Mit weiterer Ausdauer wurde auch dort Recht gesprochen – die Polizei hat ein 2. Mal verloren!

Warum ich euch das erzähle? Ganz einfach: mit dem Entwurf zu dem LAW-AND-ORDER-HAMMER-NRW- Versammlungsgesetz-Entwurf dürfte die Polizei nämlich jederzeit filmen, auch innerhalb der eigentlichen Demo, und zwar ohne jeden Anlass! Mit diesem Entwurf des Versammlungsgesetzes betreibt die schwarz-gelbe Landesregierung – nach dem Durchwinken des Polizeiaufgabengesetzes – nun eine weitere autoritäre Formierung der Gesellschaft. Das Grundrecht auf Versammlung wird als lästiges Übel definiert, unter dem Deckmäntelchen „etwas gegen Rechts“ machen zu wollen, wird hier klammheimlich die Ausübung eines Grundrechtes ausgehöhlt wie ein Kürbis!

Es beginnt mit der Anmeldung einer Demonstration – bitte nicht an Wochenenden, denn da arbeitet die Polizei nicht- ihr merkt schon den Sarkasmus. Zynisch wird es jetzt: die anmeldende Person muss in einem Aufruf o.ä. komplett mit Namen und Adresse benannt werden, da sagen die politischen Gegener:innen doch einfach nur: danke dafür! Weiter geht es mit dem sogenannten „Militanzverbot“ – auch hier angeblich gegen uniformierte Nazis gedacht (ich frage mich gerade, wann ich die so schon mal erlebt habe), geht es hier eigentlich gegen „den schwarzen Block“ und besonders gegen die Aktivistzinnen von „Ende Gelände“ etc., die mit ihren Aktionsbildern dem NRW-Innenminister ein schweres Trauma zugefügt haben müssen!

Zurecht fragte eine ver.di-Vertreterin in der Anhörung: wenn ich mit den Kollegzinnen z.B. eine Streik-Aktion im Bau- Bereich durchführe und alle Kolleg:innen in ihren typischen Arbeitsklamotten, also mit Helm, Warnwesten und Sicherheitsschuhen auf der Demo sind, Verstöße ich dann gegen das „Militanz- und Uniformierungsverbot“? Wo wir schon dabei sind: das „Stören“ von Demonstrationen soll auch verboten werden, selbst das Androhen von Stören. Als Mitglied des Dortmunder Bündnisses „BlockaDo” haben wir schon viele Male Trainings durchgeführt – auch das soll verboten werden!

Und last but not least: Wenn du dann mit dem schönen neuen Versammlungsgesetz eine Demo durchführst, musst du im Vorhinein die entsprechenden Ordner:innen namentlich benennen! Ich frage mich Wirklich, wer sich so etwas ausdenkt! Das kann doch nur von Menschen ausgedacht worden sein, die noch nie auf einer Demo gewesen sind oder eine organisiert haben! Und: ich möchte nicht, dass die Daten der Ordner:innen den Sicherheitsbehörden bekannt werden, denn Ordner:innen sind Teil der Versammlung, an denen sie wie alle anonym teilnehmen können müssen, um ihrem Grundrecht nachzukommen! In diesem Sinne: Macht Druck gegen dieses geplante NRW-Versammlungsgesetz! Nicht nur heute hier in Bochum, auch nächste Woche in Düsseldorf!