Sonntag 20.06.21, 12:20 Uhr
Planungen der Stadt für die Königsallee:

Millionen für den Autoverkehr. Peanuts für Radfahrende.


Königsallee: Kaum Platz für Radfahrerende in der Autostadt Bochum

von Klaus Kuliga
Ab 2022 sollen 1,8 km Königsallee mit hohem zeitlichem und finanziellem Aufwand (mindestens 4,4 Millionen Euro) umgebaut werden. Angeblich ist das eine Investition in den Radverkehr. Tatsächlich werden wieder einmal nur die Privilegien des motorisierten Verkehrs verbissen verteidigt.

Das kostet: Mindestens 2.444.000,00 Euro pro Kilometer. Und da sind die Mittel für einen neuen Kanal und Versorgungsleitungen noch gar nicht eingerechnet. Siehe WAZ: „Bochums Königsallee wird für Radfahrer umgebaut – das wird teuer„. Die Königsallee war nie als Hauptverkehrsstraße gedacht. Sie wurde von Anfang an als Boulevard geplant und gebaut: Eine Straße für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen zur Erholung in einem grünen Stadtteil.
Um 1910 war der Rechener Park das Naherholungsgebiet Bochums. Die meisten Bergleute kamen gar nicht weiter. Die Straßenbahnlinie 9 endete dort. Eine Straßenbahnfahrt war Luxus, zu Fuß gehen war Alltag. Für diese Welt wurde die Königsallee gebaut. Eine Postkarte von 1940 zeigt ein „seltenes Detail“: Ein Auto auf der Königsallee. Siehe Foto bei:Historisches Ehrenfeld.
Erst mit der politischen Kehrtwende nach 1945 zum Wirtschaftswunder-Autoland Deutschland wurde das anders. Bochum definierte sich seit 1959 mit dem Beschluss zum Bau des Opelwerks konsequent als Autostadt. Die ganze Stadt wurde vollständig umgekrempelt. Das noch direkt nach dem Krieg sorgfältig geplante Radverkehrsnetz wurde auf einen Schlag beseitigt: Die Radweg wurden zu Parkstreifen erklärt.
Die Konsequenz für die Königsallee: Vier Fahrstreifen für den motorisierten Verkehr, kein Platz für Radfahrer und Fußgänger.
An diesem brachialen Konzept hält die Stadt Bochum bis heute fest. Und es soll mit den soeben beschlossenen Umbauplänen für die nächsten 50 Jahre betoniert werden: Autostadt Bochum forever.
Natürlich geht es auch anders. In der ganzen Welt und in zahlreichen europäischen Metropolen kann man zusehen, wie Städte menschenfreundlich gestaltet werden. Das Prinzip ist einfach: Weniger Autoverkehr, mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer.
Der ADFC Bochum hat schon 1992 vorgerechnet, wie die Königsallee mit minimalem Aufwand wieder fußgänger- und fahrradfreundlich sein kann: Mit Gehwegen nur für Fußgänger:innen, Radfahrstreifen auf der Fahrbahn und reduzierten Flächen für den Autoverkehr. Die Verwaltung hat diese Möglichkeit konsequent ignoriert und eine irrwitzige Radverkehrsführung nach der anderen geplant, ausgeschildert und wieder beeerdigt. 2017 gab es dann einen Hauch von Vernunft: Die vom ADFC Bochum 1992 vorgeschlagene Variante sollte als Verkehrsversuch realisiert werden. Wurde sie aber nicht. Denn dann kam der Autobürgermeister Eiskirch der Autopartei SPD und hat eine Volte rückwärts geschlagen: Der gerade beerdigte Irrwitz wurde wieder ausgegraben – und erneut beerdigt.
2019 dann die Bürgerkonferenz Mobilität: Eiskirch und die SPD mussten feststellen, dass ihre fußgänger- und fahrradfeindliche Planung für die Königsallee von den Bürgern vehement abgelehnt wurde. Ihre Planung des Radverkehrs auf Kosten der Fußgänger:innen war nicht durchsetzbar. Stadtbaurat und Tiefbauamt kämpften tapfer und vergebens auf verlorenem Posten.
Siehe https://www.bochum.de/Pressemeldungen/27-Mai-2019/Buergerkonferenz-tagte-zur–Mobilitaet-von-morgen– (Darstellung der Stadt Bochum)
https://www.pottblog.de/2019/05/24/mobilitaet-von-morgen-thema-der-3-bochumer-buergerkonferenz-2019/ https://www.jensmatheuszik.de/2019/09/23/koenigsallee-bochum-neue-plaene-fuer-radwege-konkretisierung-durch-ob-thomas-eiskirch-spd-beim-adfc/ (Andere Perspektiven)
Letzter Ausweg: Millionen für den Autoverkehr. Die Königsallee muss breiter werden als sie jemals war, um die Privilegien das Autoverkehrs zu verteidigen: Zwei Fahrstreifen pro Richtung, frei von Fahrrädern, exklusiv für den Autoverkehr. Das kostet Millionen – und funktioniert nicht.
Denn zwischenzeitlich hat der Autoverkehrsminister, bescheuert wie er ist, die fahrradfreundlichste Maßnahme überhaupt in die Straßenverkehrsordnung geschrieben: Autofahrer müssen beim Überholen von Radfahrern anderthalbmeter Seitenabstand einhalten. Ausnahmslos. Immer.
Und wenn rechts Autos parken, müssen Radfahrende einen Meter Abstand halten.
Die Folge ist: Wenn die jahrelangen Baustellen zu Ende und die Millionen ausgegeben sind und die Königsalllee umgebaut ist, dann hat die Königsallee trotzdem nur einen Kfz-Fahrstreifen pro Richtung, wenn dort auch nur ein Radfahrer unterwegs ist. Und es sollen ja viele werden!
Der linke Fahrstreifen wird nach dem Umbau nur 2,50 m breit sein.
Autofahrer haben dann – trotz millionenteurem Umbau – nur genau zwei Möglichkeiten:
Entweder mit Fahrradgeschwindigkeit hinterherfahren oder auf dem linken Fahrstreifen überholen.
Dieselbe Situation haben wir auch heute schon. Ganz ohne Umbau.
Und Radfahrer können genauso gut auch nebeneinander fahren: Es ändert nichts.
Macht aber nichts, denn wie die WAZ so gerne und oft wiederholt: In Bochum sind Radfahrer:innen mit „Höllengeschwindigkeit“ unterwegs – ganz im Gegensatz zu den Autofahrer:innen. Die fahren vernünftig, also langsamer.
Dieses Ergebnis kann man auch billiger haben. Der ADFC hat es vorgerechnet. Schon 1992. Wir warten seit dreißig Jahren auf verkehrspolitische Vernunft.

Planung der Verwaltung (Beschlussvorlage 20202875):
https://session.bochum.de/bi/vo0050.asp?__kvonr=7079079
Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur – 22.04.2021 (Änderungsanträge und Beschlussfassung):
https://session.bochum.de/bi/si0057.asp?__ksinr=14233&toselect=215514