Samstag 08.05.21, 08:12 Uhr
Grabstein mit SA-Emblem entfernt

8. Mai – Tag der Befreiung 1


Die Antifa 4630 berichtet: »Der 8. Mai ist der Tag der Befreiung. Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 endet nach 12 Jahren die Schreckensherrschaft der Nazis, der in Europa rund 40 Millionen Menschen zum Opfer fallen. Millionen Jüdinnen und Juden, verschleppte Zwangsarbeiter*innen, Sinti und Roma, Linke, Zivilist*innen, Homosexuelle und Menschen mit Behinderungen werden von den Nazis dabei organisiert und systematisch ermordet.


Antifaschist*innen konnten trotz ihrer Kämpfe die Machtergreifung der Nazis nicht verhindern. Die Geschichte zeigt uns, dass der einmal erstarkte Faschismus in Europa nur unter Aufwendung größter militärischer Anstrengungen zerschlagen werden konnte. Dies gilt es bei den heutigen Kämpfen gegen die wieder aufkeimenden reaktionären und regressiven Tendenzen zu bedenken.

Bochum wurde am 10. April befreit, als amerikanische Panzer über die Herner Straße einrollten. Als Gauhauptstadt ernannt spielt Bochum für die Nazis eine wichtige Rolle. Dank der vielfach ehrenamtlich geleisteten Recherche und Erinnerungsarbeit sind die Gräueltaten der Nazis auch in Bochum gut dokumentiert. Kurz nach ihrer Machtübernahme 1933 werden zuallererst Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen in geheimen Gefängnissen wie „Gibraltar“ oder dem „Gerther Blutkeller“ in der Hegelschule von Mitgliedern der Sturmabteilung (SA) gefoltert und ermordet. Zu den Opfern gehörten u.a. der jüdische Kaufmann Albert Ortheiler, der Uniformen an antifaschistische Verbände lieferte und der KPD’ler Heinrich Fischer.

Die SA war die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP und spielte als Ordner- und Schlägertruppe auch in Bochum eine entscheidende Rolle beim Aufstieg der Nationalsozialisten. Im Vorfeld der Machtergreifung 1933 widmeten sich die „Braunhemden“ intensiv dem Straßenkampf und Überfällen auf Juden, Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen. Nach der Machtergreifung diente sie der NSDAP in gleicher Weise vorübergehend als „Polizei“. Mitglieder der SA waren Überzeugungstäter, die über ihre freiwillige Mitgliedschaft beim paramilitärischen Arm der NSDAP eine hohe Identifikation und Überzeugung demonstrierten.

Einer von ihnen war Alfons König, SA-Mann aus Bochum. Von den Nazis wurde er nach seinem Tod als sogenannter „Blutzeuge“ geadelt, da er bei einem Verkehrsunfall in Stromberg auf einer Propagandafahrt nach Besenkamp-Enger umkam. So benannten die Nazis während der NS-Zeit eine Straße nach ihm und machten ihn zu einer Märtyrerfigur für die Bochumer SA-Ortsgruppe. Bis ins Jahr 2021 schaffte es der Grabstein von Alfons König mehr oder weniger unbeschadet davon zu kommen. Die Stadt Bochum scheint es all die Jahre nicht interessiert zu haben, dass ein Reichsadler und das verbotene Logo der SA auf dem Grabstein prangten, was diesen für lokale Nazis über die Jahre sicher zu einem besonderen Ort machte. Der Grabstein befand sich bis vor wenigen Tagen auf einem Bochumer Friedhof. In unmittelbarer Nähe zum Grab des Nazischergen liegen 9 Arbeiter*innen, die im Kampf gegen den faschistischen Kapp-Lüttwitz Putsch 1920 ihr Leben verloren. Ihre Gräber wurden von den Nazis während der NS- Zeit zerstört. Der Grabstein von Alfons König befindet sich nun nicht mehr auf dem Friedhof. Bessere Orte für derlei Überbleibsel aus dieser Zeit wären ohnehin Archive und Museen gewesen.

Damit reiht sich die Aktion in das linksradikale Bochumer Brauchtum ein, welches nationalsozialistische und kriegsverherrlichende Denkmäler und Grabstätten zeitgemäß kommentiert. So wurde im Jahr 1983 das Kriegerdenkmal im Bochumer Stadtpark gefällt, welches die Nazis erbauen ließen. Im Jahr 1987 verlor die Soldatenstatue in Bochum Langendreer an der Unterstraße ihren Kopf. Auch der Ersatzkopf wurde im Jahr 2010 abgeschlagen.

Wo und wann der Grabstein von Alfons König wieder auftaucht, bleibt zunächst ungewiss. An dem letzten Aufenthaltsort wird es sicherlich nicht sein.«

Quellen:

https://www.bochumschau.de/video/soldaten-denkmal-stadtpark-bochum-2012.htm
https://www.bochumschau.de/kriegerdenkmal-soldaten-stadtpark-bochum-2012.htm
https://www.bochumschau.de/kriegerdenkmal-soldaten-kopf-bochum-langendreer-2019.htm
https://linksunten.archive.indymedia.org/node/12063/index.html
https://linksunten.indymedia.org/de/node/28625/index.html


Ein Gedanke zu “8. Mai – Tag der Befreiung

  • Antifa old school

    Fraglicher Zusammenhang

    Das Denkmal am Stadtpark diente zur Zeit seiner Einweihung eindeutig einer militaristischen und national-sozialistischen Vergemeinschaftung. Und das an einem prominenten Platz im öffentlichen Raum. Es stand im offiziellen Rahmen der NS-Führung dieser Stadt. Die Bilder und Zeitungsartikel zur Einweihung belegen dies sehr deutlich.
    Bis weit in die 70erJahre nutzte die NPD dieses Denkmal für ihre faschistische Vergemeinschaftung, Selbstdarstellung und Traditionspflege. Diese öffentliche Selbstinszenierung diente zudem ihrer Propaganda. Ihre Kundgebungen hielten die Faschisten in aller Öffentlichkeit und ungestört ab. Das unangetastete Denkmal am Stadtpark stand für die Kontinuität des Faschismus und die mangelnde Aufarbeitung des NS in dieser Stadt.

    Das Denkmal in Langendreer hatte die gleiche Funktion. Militärische, nationalistische und revanchistische Vergemeinschaftung der Krieger- und Landwehrvereine nach dem 1. Weltkrieg und nach dem 2. Weltkrieg Platz faschistischer Selbstvergewisserung und -inszenierung im öffentlichen Raum durch die NPD. Von den Rechtsradikalen wurde mittels eines historischen Brückenschlags in die braune Vergangenheit von einer braunen Zukunft geträumt. Dabei spielte der „Kyffhäuser-Sportschützenkameradschaft Bochum-Werne von 1871″ eine fragwürdige Rolle.
    (Quelle: https://www.bo-alternativ.de/2011/01/23/einst-kommt-der-tag-da-alle-welt)

    Beide Denkmäler spielten in der örtlichen Szene der radikalen Rechte seit dem 8. Mai 1945 keine geringe Rolle. Und auch in der lokalen Auseinandersetzung um den Umgang mit Militär- und NS-Geschichte. Die prominent stehenden Denkmäler erfüllten unterschiedliche politische Funktion, deren Wirkmächtigkeit für die radikale Rechte nach innen und außen es für die aktiven Antifaschist*innen zu brechen galt. Praktische, wie symbolische Denkmalstürze waren geboten.

    Der „Umsturz“ am Stadtpark zum 50sten Jahrestag der Machtübertragung 1983 und die Langendreer „Kopflosigkeit“ Ende der 80er Jahre waren direkte Aktionen im Sinne der „Propaganda der Tat“, die unter den seit langen Jahren halbherzig geführten Debatten zu diesen faschistischen Propaganda- und Vergemeinschaftsorten im öffentlichen Raum einen Schlussstrich zogen. Vor allem sorgten sie aber über das „Schaffen von Tatsachen“ für eine breite Thematisierung faschistischer Denkmäler in Bochum, sowie die mangelnde Aufarbeitung des NS-Regimes, die Integration ihrer Verantwortlichen in die bundesdeutsche Nachkriegsordnung und faschistischen Kontinuitäten in diesem Land.
    Das Risiko der Täter*innen erwischt zu werden war beträchtlich und zahlte sich in dem breiten diskursiven Raum aus, den die Aktion erzeugten.

    Ob man die Entwendung dieses SA-Grabsteins in die 80er Jahre Aktionen einreihen sollte ist fraglich. Der versteckt stehende individuelle Grabstein mit SA-Abzeichen erfüllte kaum die gleichen Funktionen für die Rechten wie die genannten Denkmäler (wenn überhaupt). Und ob ein öffentlicher Diskurs mit dieser Aktion überhaupt eingeleitet wird, bleibt abzuwarten.
    Eine historische Kontinuität zur Geschichte der radikalen Linken der 80er Jahre konstruieren verwundert und entspricht wohl dem gewünschten Selbstbild der Protagonist*innen.

    Antifa old school

    p.s.: Was das SA-Symbol auf dem Grabstein angeht. Ohne jede Frage, jedes präsentierte NS-Symbol ist eines zu viel. Und der Straftatbestand nach § 88a (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) ist gegeben. Also weg mit dem Symbol, aber weg mit einer persönlichen Grabstätte? Man hätte das NS-Symbol wegmachen sollen. Basta.

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