Sonntag 02.05.21, 20:09 Uhr
1.-Mai-Demonstration 2021 in Bochum

Rede des SDS Bochum


Wir sind dieses Jahr zum zweiten Mal gezwungen, den ersten Mai unter Coronabedingungen zu begehen. Schon vor einem Jahr sprachen wir über den desaströsen Umgang mit der Pandemie. Damals zeichnete sich ab, auf wessen Rücken die Pandemie in Augen der Politik ausgetragen werden sollte, nämlich nicht auf Kosten derer, die eh schon in Geld schwimmen, sondern auf Kosten der Kinder, die keine Ressourcen für den Distanzunterricht haben, auf Kosten derer, die ihr Erspartes, aufgebraucht haben und Angst um ihre Existenz haben, auf Kosten all derer, die an der Kasse, in den Fabriken stehen, auf Kosten der Armen, die es sich nicht leisten können, zu Hause zu bleiben.


Aber keine Verlierer ohne Gewinner. Und Pandemiegewinner gibt es zur genüge! Wie geht es wohl den Lufthansachefs und -Aktionär*innen? Ihr Unternehmen hat dicke Finanzspritzen bekommen, während Tausende in Kurzarbeit hängen oder ein Jahr später immer noch auf Hilfen warten, um ihren Alltag bestreiten zu können!
Wie es wohl den Daimleraktionär*innen geht? Der Daimler-Konzern hat die Staatshilfen eingestrichen und prompt von unten nach oben verteilt und seinen Aktionären Dividende ausgezahlt. Wer Geld hat, dem wird gegeben.
Als Studierendenverband wollen wir besonders auf die Situation der Studierenden eingehen. Seit Ewigkeiten hält sich das Bild der faulen Studierenden, die Geld hinterher geschmissen bekommen und den ganzen Tag nichts tun. Das ist so sehr an der Realität vorbei, dass es zynisch ist. Der Großteil kann sich nicht auf den Geldbeutel der Eltern verlassen und wird zusätzlich noch vom Staat allein gelassen, weil er kein Bafög beziehen kann oder das Bafög für die Lebenshaltungskosten nicht ausreicht.
Neben einem Vollzeitstudium noch arbeiten zu gehen, ist nicht die Ausnahme, sondern die Normalität.
Diese Arbeitsverhältnisse ruhen jetzt genauso wie für viele andere auch und daraus ergeben sich dieselben existenziellen Sorgen wie für andere Arbeiter:innen. Um das begonnene Studium weiterführen zu können und über die Runden zu kommen, wird erwartet, dass sich Studierende mit KfW Krediten weiter verschulden.
Um die sogenannten „Nothilfen“ zu bekommen, muss man finanziell schon deutlich unter dem Existenzminimum stehen, muss jede Bewegung auf dem eigenen Konto offenlegen, ist nach 2 Monaten verpflichtet, sich weiter zu bewerben und muss zusätzlich belegen, gegebenenfalls begründen, warum man nicht eingestellt wurde – und das jeden Monat aufs Neue.
Bevor ein Anspruch auf die „Nothilfe“ besteht, wird erwartet, dass jegliche finanziellen Reserven ausgeschöpft werden. Dass man vielleicht Geld zurücklegen muss, um zukünftige Kosten wie den Semesterbeitrag zu stemmen, taucht in dieser Betrachtung nicht auf.
Großzügige Rücklagen und Überschuss, in dem Maße, dass sogar höhere Dividenden als in den Vorjahren ausgeschüttet werden konnten, wurden mal wieder nur den großen Konzernen gewährt.
Das Geld ist also da, es wird nur nicht an die Menschen gezahlt, die es benötigen. Schnelle und unkomplizierte Hilfen wären möglich, wenn ein politisches Interesse bestünde.
Die Begeisterung, mit der das Wirtschaftsministerium internationalen Konzernen Geld hinterher schmeißt, das völlig vorhersehbar in den Händen von reichen Aktionär*innen landet oder der Elan, mit dem Armin Laschet und seine Freunde irgendwelche Maskendeals abschließen, um das Geld daraus großzügig in die eigene Tasche umzuleiten, wäre an anderer Stelle dringend benötigt. Es passt nur nicht in die neoliberale Agenda und das Bild, das seit Jahren propagiert wird, dass alle, die kein Geld haben, selbst schuld daran sind. Blöd nur, dass eine Gesellschaft die Menschen braucht und nicht eine Klasse von immer reicher werdenden, die selbst in einer Pandemie noch Gewinn machen. Wir wollen noch einen Blick werfen auf die Studierenden, die trotz Pandemie weiter arbeiten können. Auch hier die selben Probleme, wie bei allen anderen Arbeiter:innen: Auch wir Studierende leiden darunter, dass es keine Pflicht zum Homeoffice gibt. Es gibt ein unverbindliches Angebot der Arbeitgeber*innen, das Arbeiter*innen annehmen können oder auch nicht. Aber das hilft da nicht weiter. Arbeitgeber*innen manipulieren uns, trotzdem ins Büro zu kommen, um vermeintlich produktiver zu sein – der Preis ist hoch; wir bringen uns, unsere Familien, Freund*innen, immer noch nicht geimpfte Großeltern in Lebensgefahr. Daneben haben die Union, die SPD und die Grünen vor zwei Wochen ein neues Gesetz verabschiedet, dass es zwar nicht bestraft, wenn wir weiter arbeiten gehen – aber schon, wenn wir uns mit unseren Familien draußen treffen oder abends mit unseren Freund*innen in den Park gehen. Ein neuer Höhepunkt im menschenfeindlichen Umgang mit der Pandemie, den die Regierungen hier fahren.
SPD, Union und Grüne machen klar, wo der Fokus ist: die Wirtschaft muss wachsen, während die sozialen und psychischen Bedürfnisse von Arbeiter*innen gekürzt werden, wo es nur geht.
Seit über einem Jahr befinden wir uns in einem Halblockdown, das öffentliche Leben ruht, Freizeitaktivitäten jeder Art sind eingefroren. Das geht auf die Psyche und trotzdem nimmt die Gesellschaft das duldend hin, weil die Solidarität eben wichtiger ist, weil es hier um Menschenleben geht und die geschützt gehören. Das interessiert die Regierung aber nicht. Da zählt nur, dass die Wirtschaft weiterläuft. Ja vielen Dank auch.
Was sind wir alle erleichtert, dass ~die Wirtschaft~ doch mehr gewachsen ist als letzten März absehbar war. Da können sich ja alle mal auf die Schulter klopfen, dass wir ein Jahr lang für die Wirtschaft gebuckelt und das Leben riskiert haben, damit die Daimler Aktionäre nicht auf ihre saftige Rendite verzichten mussten. Das Kapital verheizt Menschen. Das zeigt die Pandemie in aller Deutlichkeit. Und es ist egal welche Nationalität diese Arbeitskräfte haben. Der Reichtum der wenigen wird auf dem Rücken der vielen gebildet. Es ist Zeit das nicht länger hinzunehmen.
Der Wohlstand gehört allen!
Lasst uns die Reichen für Corona bezahlen lassen!