Samstag 20.02.21, 21:06 Uhr
Mahnwache am Jahrestag der rassistischen Morde in Hanau

Redebeitrag der F:Antifa Bochum


Wir stehen heute hier, um den Opfern des rassistischen Terroranschlags in Hanau vor einem Jahr zu gedenken. Wir gedenken und trauern um

Gökhan Gültekin,
Sedat Gürbüz,
Said Nesar Hashemi,
Mercedes Kierpacz,
Hamza Kurtović,
Vili Viorel Pãun,
Fatih Saraçoğlu,
Ferhat Unvar,
Kaloyan Velkov

Den Opfern und ihren Familien und Freund*en gilt unsere Anteilnahme und unsere Solidarität.

Für die Öffentlichkeit und die Ermittlungsbehörden stand schnell fest: bei dem offenkundig psychisch kranken Täter handelt es sich um einen Einzeltäter, mit dessen Selbstmord auch weitere Ermittlungen abgeschlossen schienen. Eine Radikalisierung durch einschlägige Foren im Internet, virtuelle internationale Netzwerke von Rechtsextremisten wurden zwar in der Öffentlichkeit diskutiert, aber nicht konsequent verfolgt und zur Verantwortung gezogen.

Bereits vor dem Anschlag veröffentlichte der Täter ein 24-seitiges Pamphlet, in dem er neben kruden Verschwörungserzählungen und wirren weltpolitischen „Analysen“ von der kompletten Vernichtung ganzer Völker schwadroniert. Das Pamphlet offenbarte eine krude Mischung aus Rassismus, Antisemitismus und Frauenhass. Eine Mischung, die bereits bei anderen rechtsterroristischen Anschlägen wie kurz zuvor in Halle, aber auch international, wie z.B. in Utøya, in Christchurch oder in Toronto als ideologischer Hintergrund klar zu erkennen war.

Ob Christchurch, Utøya, Halle, Hanau…. der Hass gegen Frauen zieht sich wie ein roter Faden durch die Bekenntnisse. Der Täter von Hanau beklagte vor dem Anschlag, dass er niemals eine Freundin gehabt habe und gab emanzipierten Frauen und dem Feminismus die Schuld für seine ungewollte Sexlosigkeit. Der Feminismus sei Schuld an der sinkenden Geburtenrate in Deutschland und dem drohenden Untergang der von ihm als Deutsch angesehen, weißen Bevölkerung. Hier reiht er sich ideologisch bei anderen Rechtsterroristen ein. So war auch das Manifest von Breivik, dem rassistischen Massenmörder von Norwegen voll von Hass gegen Frauen und den Feminismus, er war der Überzeugung, die „Feminisierung der europäischen Kultur“ durch den radikalen Feminismus mache die gezielte Ermordung von Frauen konsequent notwendig. Der rassistische Täter von Halle wetterte in einem vor der Tat aufgenommen Video „der Feminismus ist an der sinkenden Geburtenrate im Westen schuld, die die Ursache für die Massenmigration ist“ und die Wurzel der Probleme sei – na klar- „der Jude“. Seiner Mutter habe er mehrfach gesagt, dass der „weiße Mann“ nicht mehr zähle.

Wer sich nun fragt, wie dieser krude Komplex aus Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus entsteht, stößt auf ein Gefühl bedrohter Männlichkeit. Das Patriarchat hat den Männern viele Privilegien, u.a. die Verfügungsgewalt über den weiblichen Körper, gegeben.

Die Emanzipation der Frau – so weit wir auch von einer tatsächlichen Gleichberechtigung entfernt sind – löst Frauen zunehmend aus dieser männlichen Herrschaft.
Die durch das vom Patriarchat nicht eingelösten Versprechen enttäuschten Männer finden in der rechten Ideologie Zuspruch und versuchen die eigenen Minderwertigkeitskomplexe durch Gewalt und Vernichtung in „Heroismus“ umzudrehen. Die Attentate werden als Selbstverteidigung angesehen, um die bedrohte Spezies des „weißen Mann“ zu retten.

So krank und abwegig diese Theorien klingen mögen, das Narrativ, dass der Feminismus die Existenz der „weissen“ Bevölkerung bedrohe und eine zentrale Ursache des sogenannten „großen Austausches“ sei, findet auch in der AFD und bis in weite Teile der CDU Zuspruch. So verknüpfen verschiedene Anträge und Forderungen der AFD sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene antifeministische Forderungen mit den Themen Bevölkerungspolitik und Rassismus. Der Rassist Höcke ruft gerne und immer wieder die soldatische Männlichkeit an und fordert, wieder „mannhaft“ und „wehrhaft“ zu werden. Das CDU-Mitglied und christliche Fundamentalistin Birgit Kelle vermarktet ihre antifeministische Kampfschrift „Gender-Gaga“ und ihr unsägliches Buch als gern gesehener Gast in Talkshows, aber auch als Interviewpartnerin für die Junge Freiheit, das Sprachrohr der Neuen Rechten. Massenmedien wie „Stern“, „Spiegel“ und „Focus“ – von der Bildzeitung ganz zu schweigen – stimmen ein in die Klage der extremen Rechten: dass Männer heute das benachteiligte Geschlecht seien.

Antifeminismus wird so weiter gesellschaftsfähig und dient als Scharnier zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus. Dennoch findet die Rolle der antifeministischen Ideologie bei Hassverbrechen wenig Beachtung. „In der extremen Rechten funktionieren die drei Feindbilder, die durch Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus hervorgebracht werden, zwar unterschiedlich, finden sich aber in derselben Erzählung wieder, bedingen und stärken einander.“, so Eike Sanders, Autorin des feministischen Autor*innenkollektivs des Apabiz.

So kam der Rassist und Frauenhasser von Hanau in der Nacht des 19.Februar 2020, um zu töten!
Er tötete in kurzer Zeit 9 Menschen. 9 Menschen, die geliebt wurden und die von ihren Familien und Freunden schmerzhaft vermisst werden und um die wir heute trauern. Wir trauern um

Gökhan Gültekin,
Sedat Gürbüz,
Said Nesar Hashemi,
Mercedes Kierpacz,
Hamza Kurtović,
Vili Viorel Pãun,
Fatih Saraçoğlu,
Ferhat Unvar,
Kaloyan Velkov

Wir stehen für eine Welt ohne Hassverbrechen, ohne Rassismus, Antisemitismus und ohne Antifeminismus. Ein Feminismus, der für alle Menschen kämpft, muss antirassistisch sein!