Was letztes Jahr in Hanau passiert ist, ist eine absolute Scheußlichkeit. Möge den Verstorbenen die Erde leicht sein und den Familien die Solidarität entgegengebracht werden, die ihnen Kraft gibt.
Auch wenn der Mörder alleine gehandelt haben mag, ist er doch nur die tödliche Konsequenz einer rassistischen Gesellschaft.
Die Unklarheit, was eigentlich deutsch ist und was nicht, ist keine Argumentation gegen nationalistische Denkensweisen, sondern eine absolute Stärke von Rechten. Durch die diffuse Zuschreibung von Identität, die aus einer Verschwommenheit der Kategorien Nation, Ethnizität und Kultur gebildet wird, entsteht ein “Wir-gegen-die“ Gefühl.
Diese Gegenüberstellung aus denjenigen, die dazugehören und denen, die nicht dazugehören kann beliebig in unterschiedlichen Kontexten verändert werden, wie die Historie immer wieder zeigte. So hatten Begriffe wie Ausländer oder Migrationshintergrund, die als objektive Phänomenbeschreibung eingeführt wurden, keine Chance auf eine objektive Nutzung, weil sie als negative Konnotation für das Andere, das Fremde, das Problem politisiert wurden. Daher ist es müßig, Begriffe zu suchen, die weniger diskriminierend sein könnten. Egal wie differenziert sie sind, das Problem dahinter ist viel tiefer:
Es gilt zu schauen, wer profitiert als “wir“ davon, andere zu markieren, auszugrenzen und zu unterdrücken. Es geht um Machtverhältnisse und gesellschaftliche Vorteile. Diejenigen, die in unserer Gesellschaft in der privilegierten Situation sind, durch wenig Aufwand in anerkannte und finanziell vorteilhafte Positionen zu kommen, fürchten die Konkurrenz um beliebte und begrenzte Plätze. Dafür lohnt es sich, die “Anderen“ als etwas Schlechtes zu markieren und die Schuld bei der Migration zu suchen. Andere Kulturen, Gewohnheiten und Interessen werden als minderwertig dargestellt.
Das bedeutet: Erstens einer möglichen Konkurrenz Steine in den Weg zu legen, zweitens eigene Verfehlungen, sowie systematische Missstände verschleiern zu können und drittens Ungerechtigkeiten zu legitimieren und zu verfestigen.
Indem den Unterdrückten das Gefühl gegeben wird, dass sie es schaffen könnten, wenn sie sich nur richtig anstrengen würden, wird eine Chancengleichheit suggeriert, die nicht existiert. Um den (nationalen) Wohlstand des “Wir“ zu sichern, werden Migrant*innen in “Gute“ und “Schlechte“ eingeteilt, damit das ungerechte System nicht entdeckt wird und Erfolge als individuelle Leistung stilisiert werden können.
Diese Machtausübung des privilegierten Wirs drückt sich immer wieder in Unterdrückung und Gewalt aus. Ein gutes Beispiel dafür, ist das polizeiliche Framing von „Clankriminalität“. Diese wird vor allem da gesucht, wo „die Anderen“, „die Fremden“ sind, und das sind vor allem Orte, wo man sich dem Rassismus der Mehrheitsgesellschaft entziehen kann. Das sind Shishabars.
Auch im Ruhrgebiet findet dieser „heroische“ Einsatz für „das Gute“ immer wieder statt. Als Wahlkampfmanöver für den CDU-Innenminister Reul stürmten hunderte schwerbewaffnete Polizeikräfte diverse Shishabars in sämtlichen Ruhrgebietsstädten. Dabei wurden alle als Verdächtige angesehen, die dort waren, egal ob als Besucher*innen, Angestellte oder Besitzer*innen. Alle mussten sich ausweisen und wurden wie Schwerverbrecher unter den argwöhnischen Blicken der schwerbewaffneten Beamt*innen kontrolliert.
Doch mit welchem Ergebnis? Was fanden die übereifrigen Schnüffler so?
Ein bisschen un- oder falsch verzollten Tabak und Verstöße gegen die Bau- und Coronaschutzverordnung.
Das wurde dann von der Polizei als großer Erfolg gegen die Clankriminalität verkauft, was die Medien eifrig aufgriffen.
Dieses Vorgehen passierte in den letzten Monaten und Jahren immer wieder, ob im Ruhrgebiet, in Berlin oder auch in Hanau.
Wir sagen, diese Praxis ist rassistisch! Politik, Medien und Polizei markieren dadurch jeden, der oder die sich in einer Shishabar aufhält, als kriminell. Diese markierten Ziele musste der Mörder von Hanau nur noch als Teil seiner brutalen faschistischen Ideologie vom Egoshooterspiel in die Realität übertragen und die Opfer erschießen. Es ist so bezeichnend, dass auf Anordnung der Polizei der Notausgang verschlossen war, damit Gäste bei Polizeikontrollen keinen Fluchtweg haben. So wurde die Shishabar zur Todesfalle. Die tödliche Konsequenz einer Gesellschaft, die ein „Wir“ erzeugt gegen „die Anderen“, die „Konkurrenz“, die „Gefährlichen“, die „Bösen“!
Wir sagen, Hanau war kein Einzelfall! Die rassistische Gesellschaft hat mitgeschossen und sie wird es wieder tun, wenn wir sie nicht aufhalten. Kämpfen wir auf allen Ebenen und mit allen Mitteln gegen den Tod!
Samstag 20.02.21, 21:20 Uhr
Mahnwache am Jahrestag der rassistischen Morde in Hanau