Donnerstag 18.02.21, 19:26 Uhr

Bochum – Antisemitismus vor Gericht


Das Prozess-Info berichtet: »„Heil Hitler. …Ich hasse Juden. … Wenn Adolf leben würde, gebe es sie nicht mehr.“ So schallte es am Abend des 6. April 2020 auf den Werner Hellweg in Bochum. Das Parterrefenster zu der Wohnung eines jungen Mannes stand so weit auf, dass sein Gegröhle auch Passant*innen mitbekamen. Gestern stand der 31jährige Bochumer vor Gericht. Die Hauptverhandlung (72 Ds 256/20) aber wurde aus prozessualen Gründen verschoben. Sein Anwalt ließ in einer kurzen Verlautbarung durchblicken, dass er für seinen Mandanten demnächst eine Einstellung im Sinne des § 154 der Strafprozessordnung erreichen will. Denn, so eine gängige Argumentation in der Verteidigung in Prozessen wegen Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die Öffentlichkeit sei doch recht marginal gewesen.
Ein halbes Jahr zuvor, am 9. Oktober 2019, hatte ein Rechtsextremist versucht, in die Synagoge von Halle einzudringen und ein Massaker unter den jüdischen Gläubigen anzurichten, die dort den Feiertag Jom Kippur feiern wollten. Als ihm dies misslang, erschoss er vor dem Gotteshaus die 40-jährige Passantin Jana Lange und in einem nahen Döner-Imbiss den 20-jährigen Kevin Schwarze.Auf seiner Flucht versuchte der Antisemit weitere Menschen zu erschießen. Zwei Personen, Jens und Dagmar Z., verletzte er lebensgefährlich. Zudem fuhr er den aus Somalia stammenden Passanten Abdi Raxmaan Aftax Ibrahim mutwillig an.

Vielleicht wäre der versuchte antisemitische Massenmord und die Morde an Jana Lange und Kevin Schwarze in Halle zu verhindern gewesen – wenn das Umfeld des Attentäters früher auf dessen Gesinnung reagiert hätte. Auch mit Anzeigen, die dann in einem Strafprozess münden. Denn dafür ist die Justiz in einem bürgerlichen Rechtsstaat da. Die Allgemeinheit vor rassistischen Hass und Gewalt zu schützen.

Angesichts des steigenden Antisemitismus in Deutschland kann man sich zu dem Bochumer Verfahren nur fragen, was die Anwendung des § 154 soll. Vermutlich kann nur der Angeklagte und sein Anwalt der Anwendung dieses Paragraphen etwas Positives abgewinnen.«