Donnerstag 22.10.20, 07:40 Uhr
Protest gegen den Bundeswehreinsatz im Rathaus

Das Gesundheitssystem braucht Geld – keine Soldat*innen 5


Das Bochumer Friedensplenum erklärt zum Einsatz von Soldat/innen in der Corona-Pandemie bei der Stadt Bochum: »Der Einsatz von Soldat*innen im Gesundheitswesen offenbart die schlimmen Defizite im Gesundheitswesen, das aus sich heraus einer Pandemie nicht gewachsen ist. Das ist die Folge falscher Politik, die in diesem Jahr 45 Milliarden Euro für den Militärhaushalt, aber nur 15 Milliarden für Gesundheit bereit stellt. Die Personallücken im Gesundheitswesen müssen durch gut ausgebildete und ordentlich bezahlte Fachkräfte geschlossen werden, kurzfristig durch Menschen, die arbeitslos geworden sind und die dringend nötigen Aufgaben sehr gern übernehmen würden. Andernorts ist das möglich. In Düsseldorf z. B. verstärken jetzt entlassene MitarbeiterInnen von Kaufhof/Karstadt das Amt. Soldat*innen werden u. a. zum Töten ausgebildet, ihre Kampfanzüge in Gesundheitsämtern erinnern daran in verstörender Weise.

In der Coronakrise und danach fordern wir: Schluss mit Hochrüstung, die Milliarden verschlingt. Keine neuen Atombomber! Keine Kampfdrohnen! Stattdessen mehr Geld für Gesundheit, Pflege, Bildung! Die sozialen Folgen der Seuche machen es dringender denn je: Abrüsten statt Aufrüsten!

Die Menschen, die jetzt über Belastungsgrenzen hinaus Verwaltungen und das Gesundheitssystem aufrecht erhalten, verdienen höheren Lohn. Die öffentlichen Arbeitgeber müssen in der Tarifauseinandersetzung ihre beschämende Blockadehaltung endlich aufgeben.

Wir werden am morgigen Donnerstag, wenn die Bundeswehr um 13 Uhr vor dem Rathaus antritt, mit einem Transparent gegen diese Akzeptanzbeschaffung für das Militär protestieren und freuen uns über spontane Unterstützung.«


5 Gedanken zu “Das Gesundheitssystem braucht Geld – keine Soldat*innen

  • Martin

    Militärausgaben 45 vs. Gesundheitssystem 15 Mrd. €? Ist das nicht ein bisschen irreführend? Es mag ja sein, dass das Friedensplenum davon ausgeht, dass die Adressat*innen dieser Erklärung schon verstehen, dass sich dieser Vergleich nur auf den Bundeshaushalt bezieht und der weitaus größte Teil der Gesundheitsausgaben von den Krankenkassen getragen wird. Trotzdem für diejenigen, die es interessiert: Die Gesundheitsausgaben in der BRD betrugen z.B. im Jahr 2010 287,3 Mrd. € (laut Wikipedia-Artikel „Gesundheitssystem“). 45 Mrd. zusätzlich wären da freilich nicht wenig, aber die Gegenüberstellung von 45 Mrd. hier und nur 15 dort scheint mir doch etwas albern. Es geht mir übrigens nicht um ein Argument gegen die Abschaffung der Bundeswehr, sondern nur um fragwürdige, nun ja, „politische Kommunikation“.

  • Martin Budich

    Die Aktion beschäftigt sich nun wahrlich nicht mit dem Gesundheitssystem, sondern mit dem Militäreinsatz im Rathaus. Das Friedensplenum hat den denkbar niedrigsten Satz für die Verschwendung von Haushaltsmitteln für militärische Zwecke in Relation gesetzt zu den Ausgaben im Bundeshaushalt für das Gesundheitssystem. Das macht ziemlich deutlich, welche gigantischen Summen für militärische Zwecke verpulvert werden. Was wäre alles möglich, wenn Menschen nicht länger an dem Irrglauben festhalten würden, mit militärischen Mitteln etwas Positives bewegen zu können.
    Die Bundeswehr und insbesondere ihre Auslandseinsätze schneiden bei Meinungsumfragen schlecht ab. Mit Militäreinsätzen in Rathäusern wird nun an einem Image gebastelt, das einen sinnvollen Zweck für das Militär suggerieren soll. Die Gegenüberstellung der beiden Haushaltsposten ist dabei recht aufklärerisch: „Das Gesundheitssystem braucht Geld – keine Soldat*innen“

  • Harry Herrmann

    Es ist genau so ein Irrglaube, daß der Preis für das Kriegswesen allein über die Militärausgaben widergespiegelt werden. Die gesellschaftlichen Kosten des Kriegs in Afghanistan und anderswo werden nirgendwo aufgelistet. Bundeshaushalt ist Bundeshaushalt. Da wurden genau die richtigen Töpfe benannt. Daß es dem Staat gelingt, die Kosten für Gesundheit nicht nur „über die Krankenkassen“ zur Privatsache der Menschen zu machen, ist verherend. Daß dann auch noch die Organisation des Gesundheitswesens als Profitcenter die Gesundheit des Menschen zur Nebensache macht, ist nicht hinnehmbar.
    Forderungen wie: Keinen euro fürs Militär ist genau so richtig, wie keine Kohle für RWE.

  • Ralf Feldmann

    Mit dem Transparent stellt das Friedensplenum die Verteilungs- und Finanzierungsfrage. Das krankenkassenbasierte allgemeine Gesundheitssystem, finanziert über Lohnzusatzkosten, kann die besonderen Belastungen durch eine Pandemie ohne beträchtliche Beitragserhöhungen nicht nebenher mit übernehmen – weder Vorhaltekosten für eine ausreichende Pandemievorsorge noch die enormen außergewöhnlichen Kosten der Krankenversorgung. Von den sozialen und wirtschaftlichen Folgekosten der Seuche ganz zu schweigen, die die Politik mit Milliarden neuer Schulden in die Zukunft verschiebt. Das allgemeine gesellschaftliche Risiko einer Pandemie wird aus allgemeinen gesellschaftlichen Mitteln, steuerfinanzierten öffentliche Haushalten, finanziert werden müssen. Was kann davon mit Einsparungen an anderen Stellen gedeckt werden? Wer muss – in Zeiten voraussichtlich sinkender Steuereinnahmen – gerechterweise mehr Steuern zahlen?

    Die plakative Forderung „Militärausgaben (45 Mrd) streichen, Gesundheitssystem (15 Mrd) stärken“ ist nicht, wie Martin meint, albern, sondern legt den Finger in die Wunde der Verteilungsfrage, der keiner entkommen kann. Sie ist umso wichtiger, als Regierung und Rüstungsindustrie trotz Corona und seinen Folgen an dem Ziel festhalten, 2 % des Bruttoinlandsprodukts für Militär und Rüstung zu reservieren, mit Projekten , die das Geld für Soziales, Gesundheit, bessere Pflege und Bildung auffressen. Allein die Tornado-Nachfolger für die Atombomben in Büchel sollen 9 Milliarden Euro kosten, waffenfähige Kampfdrohnen mehr als 1 Milliarde Euro und das System eines neuen europäischen Kampfjets FCAS wird vorerst gar – sicher zu niedrig – mit 500 Milliarden Euro veranschlagt.

    Im Schatten dieser Todestechnologien werben die Soldat*innen in den Gesundheitsämtern für ein humanes Image. Auf Kampfanzüge wollen sie dabei nicht verzichten. Was ist ihr Beruf?
    Lebensrettung sichtbar nicht.

  • Regine Albrecht

    Hallo Freunde,
    das ist richtig gut, was Ihr da macht!!!!! Ich kopiere Euch eine Presseerklärung aus Bremen hier rein.
    Viele Grüße
    Regine Albrecht
    ————–
    Pressemitteilung 14.10.2020
    Keine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Bremen
    Bremen. Die VVN-BdA Bremen und das Bremer Friedensforum protestieren gegen die angekündigte Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr in Bremen wie im gesamten Inland. Dieser leiste der Militarisierung des zivilen Lebens weiteren Vorschub und höhle das Grundgesetz aus. Beide sehen mit größter Sorge, dass in Bremen die rot-grün-rote Regierung mit der Ankündigung, mehr Soldat*innen im Gesundheitsamt und sogar im Ressort selbst einzusetzen, eine weitere Tür zur Übernahme ziviler Aufgaben durch das Militär öffnet.
    Die Bundeswehr soll aufgrund der Corona-Pandemie in Zukunft noch häufiger zum Einsatz innerhalb Deutschlands kommen. Das kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich an. Aktuell sind etwa 1.400 Soldat*innen im Inlandseinsatz, weitere 13.600 stehen bereit.
    Regine Albrecht (VVN-BdA) und Ekkehard Lentz (Friedensforum) lehnen diese Ausweitung ab: „Die Bundesregierung nutzt die Pandemie, um Einsätze der Bundeswehr im Inland weiter zu normalisieren. Jahrelang hat man den Gesundheitssektor und den zivilen Katastrophenschutz zugunsten einer massiven militärischen Aufrüstung kaputt gespart und die aktuelle Notsituation damit selbst herbeigeführt“, werfen Albrecht und Lentz der Bundesregierung vor. Seit Beginn der Corona-Pandemie versuche die Regierung den Einsatz des Militärs im Inland auszuweiten – der zwischenzeitlich erwogene Einsatz bewaffneter Soldat*innen wurde zum Glück noch nicht realisiert.
    VVN-BdA und Bremer Friedensforum sind dennoch besorgt: „Die Geschichte lehrt, dass der Einsatz von Militär im Inland demokratiegefährdend ist.“ Das preußisch-deutsche Militär nahm Mitte des 19. Jahrhunderts eine unrühmliche Rolle als „Staat im Staat“ ein. Später hieß es sogar: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“.
    Dies und die Erfahrung des Faschismus habe dazu geführt, dass das Grundgesetz eine klare Beschränkung des Aufgabenbereichs des Militärs vorsieht.
    Gerade in Zeiten immer neuer Rechtsextremismus-Skandale in der Bundeswehr sei es fatal, Soldat*innen mehr Kompetenzen im Inland zuzuschlagen.
    Damit nicht genug: „Das Verteidigungsministerium nutzt die Pandemie für eine großangelegte Image-Kampagne für die Bundeswehr und stellt die Übernahme von zivilen Aufgaben im Inland als gewinnbringend und normal dar“, kritisieren VVN-BdA und Friedensforum. Auch der vor Kurzem von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eingeführte freiwillige, heimatnahe Wehrdienst sei etwa mit der Corona-Pandemie begründet worden und explizit auf das Inland ausgerichtet.
    Beide Organisationen fordern ein Umdenken in der Sicherheitspolitik: „Wir sehen deutlich, dass das Militär nicht die Lösung der großen für die Menschen sicherheitsrelevanten Probleme – die Corona-Pandemie und den Klimawandel – und sogar Teil des Problems ist“, erklären Regine Albrecht und Ekkehard Lentz. Die Kosten für das Militär stünden in Konkurrenz zu Ausgaben für den Gesundheitssektor sowie Katastrophen- und Klimaschutz. Die aktuelle Pandemie und die geplante Ausweitung des Bundeswehreinsatzes würden die falsche Politik der Bundesregierung der letzten Jahrzehnte offenlegen: „Wir müssen Militär abrüsten und den Gesundheitssektor, sowie den Katastrophen- und Klimaschutz ausbauen“, so Albrecht und Lentz.

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