Samstag 25.07.20, 21:09 Uhr

Verkehrswende: Bochum muss handeln


Students For Future (SFF) hatten am Freitag in Bochum zu einer Verkehrswende-Demonstration aufgerufen. Knapp 300 Teilnehmende waren der Einladung gefolgt. Bemerkenswert war die Unterstützung der BOGESTRA, die einen Bus als Werbeträger zur Verfügung stellte. In einer gemeinsamen  Begrüßungsrede bezogen sich SSF und Fridays for Future Bochum auf eine Konzeptstudie: „Integrierte Mobilität im Ruhrgebiet von Prof. Pries und Prof. Roos“ und erklärten: »Wir sind heute hier, weil wir eine sozial-ökologische Verkehrs- und Mobilitätswende brauchen! Nicht Morgen oder übermorgen, sondern heute! Bochum & Deutschland müssen handeln!

Wir brauchen sie in Bochum, wo der Treibhausgasausstoß durch Verkehr in den letzten Jahren gestiegen, anstatt gesunken ist. In Bochum ist die Anzahl an PKWs in den letzten 4 1/2 Jahren um 14 % angestiegen, von ca. 177.000 auf 203.00 Autos. Dieser Wert ist erschreckend, Bochum muss hier handeln!

Wir brauchen eine Mobilitätswende im Ruhrgebiet und NRW, denn NRW ist Stauland Nr.1. Dafür brauchen wir vor allem einen Perspektivenwechsel , ein „Umparken im Kopf“, um ein nachhaltiges integriertes Mobilitätssystem in ganz NRW zu schaffen!
Von der Idee einer „autofreundlichen Stadt“ müssen wir uns in Richtung Vision einer bewohner- und besucherfreundlichen Stadt mit nachhaltiger und integrierter Mobilität bewegen.
Damit steht nicht nur das Klima, sondern vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger und deren Gesundheit im Fokus. Denn der ausgeprägte Autoverkehr bringt Abgase, Feinstaub und Lärmbelästigung mit sich, wodurch vor allem auch Kindern geschadet wird.
Autos und Parkplätze nehmen den Raum ein der ansonsten von Fußgänger*innen, Fahrradfahrer*innen, für Outdoor Sitzgelegenheiten, Spielplätze, Wohnraum oder Grünflächen genutzt werden kann. Bochum & Deutschland müssen hier handeln!
Eine Voraussetzung dafür, dass Menschen auf die Nutzung des eigenen PKWs verzichten, ist die signifikante Verkürzung der Reisezeit mit alternativen Verkehrsmitteln. Wir brauchen einen starken, gerechten und sozialökologischen ÖPNV.
ÖPNV braucht Zukunft! Zukunft braucht Klimaschutz! Klimaschutz braucht ÖPNV!
Solch ein integriertes Mobilitätssystem entsteht nicht durch Detailanpassungen existierender Verkehrssysteme, sondern durch ganzheitliche Systemveränderungen.
Wir fordern System Change not Climate Change!
So bewirkt eine Verteuerung des Autofahrens in Innenstädten nur dann einen Umstieg auf das Fahrrad, den ÖPNV oder auch den Fußbus, wenn die entsprechenden Angebote hinreichend attraktiv sind.
Ein solches Mobilitätssystem muss sozial anerkannt, attraktiv und politisch legitimiert sein.
Es muss in die Lebensstrukturen und Alltagsgewohnheiten der Menschen eingebaut werden.
Im Jahr 2020 erleben wir den wahrscheinlich den größten Fahrradboom seit mindestens einem halben Jahrhundert, nun es ist an der Zeit die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Dies ist Aufgabe der Politik.
Wir fordern Bochum & Deutschland müssen handeln!
Denn vielen ist der hohe Nutzen für die mentale und auch physische Gesundheit eigentlich bewusst, trotzdem legen bspw. Bochumer Bürger*innen lediglich 5 % ihrer Wege mit dem Fahrrad zurück.
Auch deswegen fordern wir mit diesem Protest die Transformation in Bochum, des Ruhrgebiets, in NRW, nein in ganz Deutschland von einem Autoland hin zu einem Land, wo die Städte den Menschen und der Natur gehören.
Bochum & Deutschland müssen hier Handeln! Wir fordern NahFairkehr!

  1. Fair für Beschäftigte: Belastung runter und Bezahlung rauf
  2. Fair für alle Generationen: ÖPNV ausbauen für Klimaschutz
  3. Fair für Fahrgäste überall: ÖPNV in Stadt und auf dem Land ausbauen
  4. Fairer Preis: Solidarische Finanzierung auch durch Nutznießer wie Unternehmen
  5. Fair geht vor: Vorfahrt für ÖPNV im Stadtverkehr
  6. Fair verteilt: Mehr Platz für ÖPNV, Fahrrad und Fußgänger
  7. Grenzenlose Mobilität: Ein Ticket für alles
  8. Autofreie Städte
  9. Barrierefreie Mobilität
  10. Verkehrsmittel zusammendenken

Wir fordern: Bochum & Deutschland müssen handeln

  1. Verbot von Inlandsflügen: Züge statt Flüge
  2. Klimaneutraler ÖPNV bis 2030
  3. Tempolimit 130 km/h
  4. Besteuerung des Flugverkehrs auf Bundesebene
  5. Ausbau der Fahrradverkehrsinfrastruktur & Umsetzung eines Radentscheids in Bochum

Lasst uns jetzt den Bochumer Ring voll machen, und zwar nicht mit Autos, sondern mit Menschen! Lasst uns gemeinsam mit dem ÖPNV & euren Fahrrädern Stadt und Straße zurückholen! Für eine sozialökologisch, gerechte Verkehrswende!«

In einer zweiten Rede bei einem Zwischenstopp wurde dargestellt, dass es sehr große gesellschaftliche Anstrengung notwendig ist, um die Verkehrswende umzusetzen:

»Wir sind hier heute zusammen für mehr Geld und Platz auf der Straße. Mehr Geld und Platz für den öffentlichen Nahverkehr, Fahrräder und auch Fußgänger*innen. Kurzum: mehr Platz für Menschen! Natürlich sitzt in jedem Auto auch ein Mensch. Die selbstfahrenden Autos sind noch nicht so weit. Aber in der Regel sitzt in einem Auto nur ein Mensch. Ein Mensch der mehrere Quardartmeter Platz einnimmt um sich von A nach B zu bewegen; Und dabei unverhältnismäßig viel Feinstaub und Treibhausgase freisetzt. Aber ich möchte hier nicht in das überbenutzte Horn stoßen Autos per se und alle die sie fahren seien böse oder schlecht. Mit Autos ist es so wie mit fast allen Dingen die wir Menschen erfunden haben: Sie sind nicht gut oder böse. Es kommt darauf an, wie und warum wir unsere Erfindungen nutzen. Für sich betrachtet ist ein Auto eine geniale Sache. Autos ermöglichen es uns Menschen und Dinge ohne größeren Aufwand zu bewegen. Und zwar ohne zuerst Schienen verlegen zu müssen. Im Falle eines Geländewagens muss nicht einmal eine Straße vorhanden sein. Autos ermöglichen es uns als Gesellschaft, die Fahrzeit und den notwendigen Aufwand für Reisen und Transporte in Gebiete ohne Schienenanschluss drastisch zu verkürzen. Denn ohne Autos müssten diese Strecken mit Karren bewältigt werden, angetrieben durch Mensch oder Tier. Autos ermöglichen auch Menschen, deren körperliche Bewegungsmöglichkeiten durch Alter, Verletzungen etc. eingeschränkt sind, eine deutlich erhöhte und vereinfachte Mobilität. Und damit einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität.

Aber anstatt die Schwächen des Schienennetzes und des darauf stattfinden Güter- und Personenverkehrs nach Nah und Fern durch das Autos auszugleichen, wurde die Schiene durch das Auto fast vollkommen ersetzt. In immer mehr Orten wurde die Taktung der Personenzüge verringert. Ganze Strecken in ländliche Räume eingestellt. Und damit immer mehr Orte geschaffen, welche nur mit dem Auto verlässlich zu erreichen sind. Dadurch wurde es für die Menschen, die in diesen Orten leben, notwendig ein Auto zu besitzen. Denn ohne Auto saßen sie fest. Diese Entwicklung gab es auf dem Land und in der Stadt. Die Details unterscheiden sich, aber der Trend ist gleich. Ob auf dem Dorf oder im Vorort: Wer ohne Auto pendelt oder sonst wie auf regelmäßige Mobilität angewiesen ist, weiß wie ätzend die Öffis sein können. Die Fahrt mit dem Auto ist schneller, weil nicht alle zwei Minuten an einer Haltestelle gehalten wird. Im eigenen Auto sind selten undefinierbare Flüssigkeiten auf den Sitzen. Und wenn doch ist es der eigene Fehler. Und auf das eigene Auto muss kein Mensch warten. Zwar oft im Auto, aber dort ist es Trocken und es gibt auf jedenfall genug Sitzplätze. Ihr wisst alle wovon ich Rede. Wir waren alle schon mit Öffis unterwegs und haben uns ein eigenes Auto gewünscht um nie wieder Strapazenbahn fahren zu müssen.

Damit möchte ich den hier anwesenden Beschäftigten des Nahverkehrs nicht auf den Schlips treten. Im Gegenteil, ich weiß das ihr täglich euer bestes gebt um den ÖPNV zu verbessern und für uns alle angenehmer zu machen und dafür möchte ich euch vielmals danken.

Aber ein Bus kann nur so schnell vorankommen, wie es der Verkehrsfluss aus hunderten und tausenden PKWs zulässt. Eine Straßenbahnstrecke kann nur von einer begrenzten Anzahl von Wägen sicher befahren werden. Gründliche Reinigung und Wartung der Fahrzeuge benötigen Menschen mit Zeit. Die Jahrhundertaufgabe, den öffentlichen Nahverkehr so zu gestalten, dass er eine attraktive Alternative zum eigenen Auto wird, können wir nicht allein den dort arbeitenden Menschen überlassen. Damit würden wir die gesamtgesellschaftliche Herausforderung der Verkehrswende auf ihre Rücken abwälzen und ihnen damit eine nicht zu stemmende Bürde auflasten. Denn es reicht nicht an ein paar Stellschrauben des ÖPNVs zu drehen. Busspuren und neue Schienen brauchen Platz. Platz der heute von Straßen und Parkplätzen eingenommen wird. Für Baumaßnahmen, neue Fahrzeuge sowie mehr und besser bezahltes Personal werden dutzende von Millionen Euros benötigt. Den Platz und die Ressourcen um Bus und Bahn zu einem Verkehrsmittel der Wahl für alle zumachen, müssen wir gemeinsam als Gesellschaft zur Verfügung stellen.

Das wird anstrengend werden. Für uns alle. Das Geld ist nicht wirklich das Problem. Wie die Rettung der Lufthansa und die Milliarden Entschädigungen für die Kohleindustrie zeigen, ist das Geld da. Es ist, wie es so schön heißt, im Moment nur woanders. Störender werden wohl eher die hunderten Baustellen die nötig sind um Schienen zu verlegen, Busspuren zu schaffen und Haltestellen zu bauen. Dadurch wird das vorankommen für eine Zeitlang noch langsamer und anstrengender. Sowohl im Auto als auch in den Öffis. Aber wir haben die Wahl. Entweder nehmen wir die Ärgernisse der Verkehrswende jetzt in Kauf und haben die Möglichkeit diese nach unser aller Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten oder wir lassen alles wie es ist.

Nichts zu tun würde dabei nicht bedeuten, dass es in Zukunft keine Verkehrswende geben wird. Die Klimakrise wird ein weiter so in ein bis zwei Jahrzehnten schlicht weg unmöglich machen. Dann werden wir aber keine Gestaltungsräume mehr haben. Dann können wir nicht weiter Hadern, denn mit der Natur lässt sich nicht diskutieren. Naturgesetze lassen sich im Gegensatz zu denen, die wir uns ausgedacht haben, nun einmal leider nicht ändern. Die Frage ist also, ob wir die uns bleibenden zehn bis zwanzig Jahre nutzen um eine bessere Mobilität für uns alle zu schaffen oder um Anlauf zu holen, damit es beim gegen die Wand fahren auch richtig schön knallt.«