Sonntag 07.06.20, 20:21 Uhr

Pop-Up-Radweg auf dem Südring in acht Minuten


Das Radwende Bündnis schreibt: »Die Radwende begeht den ersten Jahrestag der Ausrufung des Klimanotstands in Bochum mit der Demonstration des schnellen Auf- und Abbaus eines verkehrssicheren, kostengünstigen und ressourcenleichten Radwegs, einem so genannten Pop-Up-Radweg. Rund 250 Radfahrer*innen, darunter Familien mit Kindern, nutzten ihn begeistert. Um 14 Uhr startete am Samstag bei schönstem Wetter auf dem Kurt-Schumacher-Platz am Eingang zur Einkaufszone die Demonstration des Radwende Bündnis. Die Radwende hatte in Coronazeiten nur 50 Personen angemeldet. Zur Auftaktkundgebung sollten sie auf abstandskorrekten Markierungen stehen. Etwa 250 Radfahrer*innen waren jedoch schließlich gekommen und konnten erfolgreich auf den zuvor schnell eingerichteten Pop-Up-Radweg geschickt werden.

Nur acht Minuten hatte die Einrichtung der etwa 500 Meter langen Radspur zwischen dem Kurt-Schumacher-Platz vor dem Hauptbahnhof bis zur Viktoriastraße gedauert. Radwende-Mitglieder hatten mit im Abstand von wenigen Metern aufgestellten professionellen rot-weißen Leitkegel zur Verkehrssicherung die zweispurige Straße in eine Auto- und eine Radspur geteilt – ein so genannter Pop-Up-Radweg entstand.

Die Polizei hatte dabei nicht viel zu tun, sie kontrollierte lediglich, ob die Sprühkreide, mit der die Aktivist*innen das Radweg-Symbol auf die Straße gesprüht hatten, nicht eventuell doch permanent sein könnte.

Mit Abstand und in mehreren Blöcken starteten die Radler*innen auf die leider nur sehr kurze Strecke. Anders als bei normalen Demos mussten sie sich auch an die Regeln der Straßenverkehrsordnung halten und stoppten an den Ampeln – schließlich waren sie auch ohne Polizeibegleitung im dichten Samstagsverkehr unterwegs.

Die Radwende wollte so zeigen, wie komfortabel und gewöhnlich ein Pop-Radweg sein kann. Auf diesem gelten natürlich auch die normalen Regeln des Straßenverkehrs, auch wenn er vom Autoverkehr deutlich getrennt ist. Bis auf den Entfall einer Fahrspur ergab der Aufbau auch für den Autoverkehr keine Probleme. Die Autofahrer*innen konnten in die und aus den einmündenden Straßen ein- und abbiegen, selbst die Busfahrer*innen kamen ohne weiteres durch eine allerdings immer wieder zu öffnende Lücke in der Leitkegelreihe zum Halt an der großen Bushaltestelle vor der Kortumstraße. Mit einer entsprechenden Beschilderung, wie sie die Radwende an den Einmündungen und eingesetzt hatte, wäre auch dies ohne Aufwand möglich.

An der Kreuzung setzten die Teilnehmer auf die andere Seite des Südrings über und fuhren zum Hauptbahnhof zurück – allerdings dort nicht geschützt durch eine Pop-Up-Spur. Den Unterschied konnten sie hautnah spüren, selbst wenn ihnen die Gruppen der vielen Radler*innen Sicherheit gab. Denn die durch die neue Straßenverkehrsordnung eigentlich bekannter gewordenen Abstandsregel von 1,50 Meter für das Überholen durch Autos erhöht das Sicherheitsgefühl nur, wenn ohne markierte Trennung auch die Geschwindigkeit der Überholenden reduziert ist und Autofahrer*innen aufmerksam sind.

Das war zumindest das Fazit vieler Teilnehmer*innen gegenüber den Radwende-Veranstalter*innen. Gerade Eltern mit Kindern spürten den Unterschied deutlich. „Der Pop-Up-Radweg erzeugt viel mehr Sicherheit bei mir und sichtbar auch bei meiner Tochter“, äußerte sich ein Vater. „Niemals würde ich mit meinem Kind auf dem Rad über den Ring fahren, ohne eine solche Sicherung oder wenn nicht mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind“, sagte eine Mutter.

„Steigt die Zahl der Radfahrer*innen auf den Straßen, steigt auch die Sicherheit für sie, das zeigt sich hier ganz deutlich“, sagte ein Mitradler. „In Städten, in denen mehr Radfahrer*innen unterwegs sind, oder wie jetzt auf dem Südring, wächst auch die Rücksicht der Autofahrer*innen.“

Auch andere Teilnehmer*innen berichteten, dass sie eigentlich keine bösen Worte von den überholenden Autofahrer*innen hören mussten. „Alle waren sehr freundlich und rücksichtsvoll“, meinte eine Radlerin, „obwohl der Ring offenbar auch wegen des kostenlosen Parkangebots sehr stark befahren war.“

Damit zeigte das zweite Experiment eines Pop-Up-Radwegs auf dem Ring wieder deutlich, wie schnell und kostengünstig mehr Radmobilität in der Stadt möglich wäre. Glaubt man den Berliner Erfahrungen, kostet die Einrichtung von Pop-Up-Radwegen etwa 50-mal weniger als permanente Straßenumbauten, von der Ökobilanz und den jahrelangen Planungszeiträumen ganz zu schweigen.

Dass sich mit einer Verbesserung der Radmobilität auch die stagnierende Klimabilanz der Stadt verbessern würde, war Thema des Redebeitrags der Auftaktkundgebung. Schließlich ist der Verkehr mit einem CO2-Emissionsanteil von 37 Prozent der stärkste Klimatreiber. Mit der Erhöhung des Radverkehrsanteils von sieben auf 25 Prozent, wie ihn sich die Stadt seit 2016 als Mitglied der Arbeitsgemeinchaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte (AGFS) vorgenommen hat, wäre sicherlich eine entsprechende Reduktion sichtbar. Die Radwende bemängelt in der Rede deutlich, dass es überhaupt keine aktuellen Zahlen zu Klimanotstand und -bilanz in Bochum gibt.

„Ein Radverkehrskonzept, was bis heute erst sechs Jahre lang unbearbeitet blieb, jetzt nach dem Ratsbeschluss aber in zwei Jahren kommen soll, wird erst in einigen Jahren nach der Umsetzung Erfolge zeigen“, meinte Christoph Bast von der Radwende. „Mit Pop-Up-Radwegen und Tempo 30 ließe sich dagegen innerhalb kürzester Zeit und ohne ressourcenintensiven Straßenbau selbst in der Autostadt Bochum mehr Radmobilität erzeugen – und damit auch der Klimanotstand verbessern.“

Der Straßenumbau zum Auto-Südring erfolgte nach Ende der Demonstration sogar noch schneller. In sechs Minuten bauten nur wenige Aktive die Strecke zurück. „Wenn wir irgendwann die beiden innenliegenden Spuren des Rings zur Fahrradstraße machen wollen, brauchen wir mit den ressourcenleichten Pop-Up-Radwegen auch keine größeren Straßenumbauten. Das spart enorm viel an Energie und Baumaterial“, sind sich die Radwende-Aktivist*innen sicher.

Trotz des nur kleinen Radkreisels auf dem Südring zeigten sich die meisten Teilnehmer*innen begeistert: „Das machen wir jetzt jede Woche“, war häufiger zu hören.