Montag 11.05.20, 19:30 Uhr
Einseitiger Zehn-Punkte-Plan der Stadtverwaltung:

Marketing statt sozialer Perspektive 3


Werbung des Oberbürgermeisters und Kritik der Linksfraktion

Die Bochumer Linksfraktion kritisiert, dass die Stadtverwaltung in der Corona-Krise zu viele Entscheidungen an den demokratisch gewählten Gremien vorbei trifft. „Der Zehn-Punkte Plan zur Unterstützung von Handel und Gastronomie ist einseitig an den Interessen der Arbeitgeber ausgerichtet und damit sozial unausgewogen“, kritisiert der Fraktionsvorsitzende der Bochumer Linken Horst Hohmeier die von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch vorgestellte Initiative. „Zum Handel und zur Gastronomie gehören aber auch die Interessen der Beschäftigten.“ Ein Grund für die falsche Schwerpunktsetzung sei die fehlende öffentliche Beratung der Pläne. „Als Linksfraktion haben wir unsere Vorschläge für ein Corona-Maßnahmenpaket in öffentlichen Sitzungen zur Diskussion gestellt“, sagt Horst Hohmeier. „Oberbürgermeister Thomas Eiskirch dagegen hat Gespräche über sein Paket hinter den Kulissen mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber geführt. Die Ratsfraktionen wurden lediglich im nicht-öffentlichen Ältestenrat informiert. Anschließend wurde das Paket gleich der Presse vorgestellt und am selben Tag in Kraft gesetzt.

So hat Herr Eiskirch verhindert, dass die Vorschläge von allen Betroffenen diskutiert und die Pläne gegebenenfalls noch verändert werden konnten. Mehr demokratische Kontrolle und die Einbeziehung von mehr Interessensgruppen wären dringend nötig gewesen – dann wäre das Maßnahmenpaket vielleicht nicht so einseitig ausgefallen.“

Insgesamt will die Stadt Bochum über eine Million Euro für ihren Zehn-Punkte-Plan ausgeben. Über allem soll der Werbe-Slogan „Bochum – Hier, wo das WIR noch zählt“ stehen. Das Paket umfasst unter anderem die Übernahme von Online-Gebühren Bochumer Händler durch die Stadt, den Verzicht auf Parkgebühren für Autos in Bochumer Parkhäusern sowie die finanzielle Unterstützung von Werbemaßnahmen für die Bochumer Innenstadt. Wer im Handel in der Innenstadt Geld ausgibt, bekommt dafür von der Stadt Bochum das Fahrrad gewaschen. Gespräche zu all dem hat die Verwaltung mit dem Einzelhandelsverband, der Industrie- und Handelskammer sowie der Initiative Bochumer City geführt, welche nach eigenen Angaben die „Interessen der Immobilienbesitzer, Händler, Dienstleister, Gastronomen, Ärzte und weiterer Akteure“ vertritt. Über die Einbeziehung von Gewerkschaften, Arbeitnehmervertretungen und von sozialen Trägern in die Beratungen ist dagegen überhaupt nichts bekannt.

„Allein für einen Marketing-Fonds will die Stadt nun bis zu 375.000 Euro ausgeben“, so Horst Hohmeier weiter. „Maßnahmen zur Entlastung der Beschäftigten in der Innenstadt fehlen dagegen, und Überlegungen zur Steigerung der Kaufkraft von einkommensschwächeren Haushalten auch. Wir lehnen nicht jede einzelne der Maßnahmen ab, aber: Hunderttausende von Euro für Werbung mit einem hippen Claim, aber keine soziale Perspektive – das ist unserer Meinung nach die völlig falsche Schwerpunktsetzung. Wir fordern Oberbürgermeister Thomas Eiskirch auf, seine Pläne zukünftig öffentlich vorzulegen, damit sie von allen Teilen der Bochumer Gesellschaft diskutiert werden können, bevor es zu spät ist.“

Zum 10 Punkte Programm für Bochum – Impulse für Handel und Gastronomie


3 Gedanken zu “Marketing statt sozialer Perspektive

  • Norbert Hermann

    Alles wird wie vor Corona – nur schlimmer
    .
    Da steht uns ja – wie befürchtet – so Einiges bevor. Ich kann mir aber nicht vorstellen dass die Verwaltungsspitze ein solches Volumen ohne Ratsentscheidung durchsetzen kann. Aber das ist in Anbetracht der gaanz grossen Koalition wohl nur eine Formsache.
    .
    Corona/Covid19 wird für Deutschland hoffentlich nicht viel schlimmere Folgen haben als eine schwere Influenza-Grippe. Nach allem was ich erfahren konnte ist die Übertragung aber wohl anders, die Organschäden auch. Bei Letzterem zeigen sich Therapiemöglichkeiten, ob es eine zweite und dritte Welle geben wird wissen wir nicht. Auch nicht ob und wann Impfstoffe zur Verfügung stehen. In Ländern mit grösseren Verlusten in der Bevölkerung dürften Armut, marodes Gesundheitssystem, demografische Faktoren, Umweltbelastung … eine Rolle spielen.
    .
    Was aber auch klar ist: Es wird nicht die letzte Corona-Variante gewesen sein. Auch da spielen Umweltfaktoren im weitesten Sinne eine grosse Rolle. Impfstoffe werden erst verzögert oder gar zu spät zur Verfügung stehen.
    .
    D.h. wir werden für den Rest aller Zeiten mit dem Ausnahmezustand leben müssen, mit allen gesellschaftlichen, insbesondere auch sozialen Konsequenzen. Es sei denn es gelingt dem Virus, die Erde zügig von diesen Trockennasenaffen, dem Übergangsstadium vom Affen zum Menschen, zu befreien. Oder den Trockennasenaffen gelingt selbst der grosse evolutionäre Sprung. Und die Überwindung des Kapitalismus.

  • Dietmar Holz

    „Ich kann mir aber nicht vorstellen dass die Verwaltungsspitze ein solches Volumen ohne Ratsentscheidung durchsetzen kann. Aber das ist in Anbetracht der gaanz grossen Koalition wohl nur eine Formsache.“

    Genau. Die Millionensumme wurde wurde bei Umgehung der öffentlich tagenden Gremien per „Dringlichkeitsentscheidung“ locker gemacht. Unterschrieben wurde sie von OB Thomas Eiskirch und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Christian Haardt.

    Obwohl MINDESTENS neun Punkte des „Zehn-Punkte-Plans“ nachweislich bereits VOR der vergangenen Ratssitzung geplant waren, hat sich die Eiskirch-Administration für diese Aushebelung parlamentarisch-demokratischer Strukturen entschieden. Die „Dringlichkeitsentscheidung“ muss nun vom Rat im Nachhinein abgesegnet werden. Eigentlich ein Unding, diesen Notfall-Mechanismus zur Implementierung eines über viele Wochen hinweg (und trotzdem nur mit Arbeitgeber-Lobbyverbänden abgesprochenen) Programmes zu nutzen. Die „Dringlichkeitsentscheidung“ muss im Nachhinein vom Rat der Stadt bestätigt werden.

    Obwohl offensichtlich ist, dass die gewählten Gremien durchaus hätten einbezogen werden können (müssen), werden SPD/Grüne und die CDU ihre beiden Oberbürgermeister-Kandidaten schon nicht hängen lassen. Ist ja schließlich Bochum hier.

  • Wolfgang vom Ubu

    Wir ist ein dystopischer Roman des Russen Samjatin von 1920 ,. in dem die einzelnen Menschen nichts mehr zählen , ein Vorläufer von Schöne neue Welt und 1984. Jegliche Individualtät wird unterdrückt, Widerständler werden hingerichtet. Schliesslich wird eine Gehirnoperation entdeckt, so dass auch niemand auch nur den Gedanken an Widerstand entwickeln kann.
    Bis es soweit ist, ziehe ich es vor mit diesen Wohltätern und deren Beschützern möglichst wenig zu tun zu haben und möchte unter anderem lieber eine
    autofreie Stadt …

Kommentare sind geschlossen.