Freitag 01.05.20, 21:27 Uhr
Redebeitrag von "Stadt für Alle" am 1. Mai vor dem Schauspielhaus:

Das Elend des Marktes und einer Stadt, die sich als Unternehmen begreift


Die Corona-Krise zeigt uns deutlich, das menschliche Leben ist prekär. Menschen brauchen andere Menschen. Führsorge und gegenseitige Unterstützung entstehen nur als Produktion des Gemeinsamen. Der Mensch kann alleine nicht bestehen. Die neoliberale Ideologie will uns glauben machen, nur eine Fokussierung auf den individuellen Vorteil des Einzelnen und eine marktvermittelte Befriedigung unserer Bedürfnisse würden Wohlstand und Freiheit garantieren. Auch die Kommunen haben sich diese Ideologie heute zu eigen gemacht und handeln als „unternehmerische Stadt“. Dieses Leitbild ist mit der COVID-19-Pandemie in die Krise geraten. Ein auf Wettbewerb basierender Markt kann die Krise nicht lösen. Im Gegenteil.

Wie in einem Brennglas erscheinen heute die schon vor der Krise vorhandenen Versorgungsmängel, prekären Lebensverhältnisse und gesellschaftlichen Verwerfungen, die sich jetzt angesichts der Pandemie multiplizieren: Zum Beispiel das Problem der renditenorientierten Wohnungsmärkte. Würde es eine gemeinwohlorientierte Form der Wohnraumversorgung geben, müsste jetzt niemand börsennotierte Imobilienkonzerne bitten auf Zwangsräumungen und Mieterhöhungen zu verzichten.

Auch in Bochum steigen die Mieten. In unserer Stadt fehlen 25.000 Wohnungen, die sich Menschen mit geringem Einkommen leisten können. Der Bestand an Sozialwohnungen ist massiv gesunken, während durch aktuelle Neubau-Projekte im höheren Preissegment das Mietpreisniveau insgesamt weiter steigt. Diese Zuspitzung ist kein lokales Problem. Vieles muss auf Bundes- und Landesebene angegangen werden. Aber die Krise im Bereich des bezahlbaren Wohnraums ist zu krass, um darauf zu warten. Deshalb fordern wir, jetzt auch lokal zu handeln.

Die VBW Bauen und Wohnen GmbH ist der größte Wohnungsanbieter in Bochum. Das Unternehmen gehört zu rund 80 Prozent der Stadt. Aktuell ist die VBW auf Profitmaximierung ausgelegt. Jedes Jahr muss sie laut Beschluss des Bochumer Stadtrats Millionen Euro an ihre Anteilseigner*innen auszahlen – vor allem an die Stadt Bochum und an Vonovia. Deshalb fordern wir:

Erstens: Umbau der VBW zu einem gemeinwohl­ orientierten Unternehmen! Statt Millionengewinne zu erwirtschaften, soll die VBW günstigere Mieten anbieten. Alleine durch den Verzicht auf die Millionen-Ausschüttung könnte die Miete jeder frei finanzierten VBW-Wohnung um rund 400 Euro im Jahr sinken. Günstigere VBW-Mieten haben außerdem Auswirkungen auf den Bochumer Mietspiegel: Andere Vermieter*innen können die Miete dann nicht mehr so stark erhöhen. Trotzdem erwirtschaftete Gewinne sollen in neue, günstige Wohnungen und in den Bestand investiert werden.

Zweitens: Schluss mit Mieterhöhungen über dem Mietspiegel! Aktuell bietet die VBW Wohnungen bei Neuvermietungen im Durchschnitt einen Euro über den Mietspiegel-Werten an. Damit treibt sie das Mietpreisniveau in Bochum insgesamt in die Höhe.

Drittens: VBW demokratisieren! Obwohl die VBW ein mehrheitlich kommunales Unternehmen ist, gibt es bisher keine Mitbestimmung, um die Mieter*innen in die Gestaltung ihres Lebensumfeldes einzubeziehen. Dafür fordern wir verbindliche Strukturen, zum Beispiel durch Mieter*innenräte im Wohnquartier sowie im Gesamtunternehmen.

Der Rat der Stadt Bochum hat es in der Hand, entsprechende Beschlüsse zu fassen. Die Bochumer Politik hat in allen Gremien der VBW die notwendige Mehrheit, um eine solche Umstrukturierung durchzusetzen.

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