Freitag 01.05.20, 21:30 Uhr

Eine ordentlich bunte Kundgebung 2


Das Ordnungsamt der Stadt weigert sich für Demonstrationen eine Ausnahmegenehmigung vom geltenden Versammlungsverbot zu erteilen. Diese Erfahrung mussten mehrere Initiativen und Organisationen in den letzten Tagen machen, als sie eine Demonstration am 1. Mai durchführen wollten. Selbst bei einem gesundheitlichen Sicherheitskonzept, das erheblich mehr Schutz anbot als der übliche Standard in Geschäften oder Baumärkten, argumentiert die Stadt, dass es zu einem unkontrollierten Zusammentreffen mit Passant*innen kommen könne und es keine Ausnahmegenehmigung gibt. Eine Kundgebung vor dem Schauspielhaus mit höchstens 70 Teilnehmenden war das Maximum, das die Stadt zuließ. 70 Teilnehmende waren am Freitagnachmittag bereits 15 Minuten vor dem angekündigten Beginn um 14 Uhr auf dem Platz. Nach und nach sammelten sich dann immer mehr Menschen vor dem Flatterband mit dem der Kundgebungsplatz abgesperrt war. Als mehr Zuschauer*innen als Teilnehmer*innen vor dem Schauspielhaus standen, forderten die Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes dazu auf: „Bitte weitergehen!“.

Auf dem Platz war 70 Kreuze aufgezeichnet, die markierten, wo jeweils die Teilnehmer*innen stehen durften. Passagen zwischen den Kreuzen zeigten auf, wo man sich bewegen durfte ohne anderen zu nahe zu kommen. Obwohl alles sehr streng reglementiert war und die Anwesenden sich hoch diszipliniert an die Vorgaben hielten, machte der Platz durchaus einen bunten Eindruck. In dreiminütigen Redebeiträgen der beteiligten Organisationen – unterbrochen von Musik – wurde ein breites Spektrum von Themen und Forderungen formuliert: Die Sorge um die aktuelle Einschränkung von Grundrechten, die Verschärfungen von Arbeitszeitregelungen, die sich abzeichnende gigantische Umverteilung von Vermögen, die Profitorientierung auf dem Wohnungsmarkt oder im Gesundheitswesen aber auch die Krise als Chance zu einer Umorientierung im Verkehrsbereich bzw. im Bereich der gesamten ökologischen Ausrichtung. Die Redebeiträge von Attac/occupy, DIDF und „Stadt für alle“ liegen vor und sind dokumentiert.


2 Gedanken zu “Eine ordentlich bunte Kundgebung

  • Andreas

    Auch ich gehörte zu den sog. Passant*innen außerhalb der Absperrung des Kundgebungsortes, da ich mich geweigert habe meine Personalien beim Betreten des Platzes anzugeben.
    Wohlwissend, dass ich auch einen falschen Namen hätte angeben können und unabhängig davon, wo meine Daten aufbewahrt werden (bei den Kundgebungsveranstalter*innen), gebe ich doch nicht meine Personalien ab um u.a. gegen zunehmende Grundrechtseinschränkungen zu protestieren zu dürfen.

    Das Sicherheitsargument zieht nicht. Zum einen ist ein Ansteckungsrisiko im öffentlichen Nahverkehr, im Baumarkt oder neulich bei IKEA aufgrund der faktisch geringeren Personenabstände höher und dort muss auch niemand seine Personalien beim Betreten abgeben.

    Zum anderen setzt selbst die Bundesregierung bei der „Corona-App“ gerade auf dezentrale Speicherung der personenbezogenen Daten. Das Prinzip der Datenminimierung lässt sich auch per Telefonkette erreichen. Da reicht ein Blick in die DSGVO und, um es komplex zu machen, ein wenig Graphentheorie….oder Erfahrung.

    Aber anscheinend ist weder das Bewusstsein noch das Know-How beim Ordnungsamt vorhanden. Dafür trägt (M)an lieber CS-Gas, stichsichere Weste und Camouflagehalstuch.

    Als dann das Ordnungsamt die Passant*innen aufforderte sich alle in Richtung Königsallee zu bewegen, habe ich einer Beamtin die Frage gestellt, welchen Sinn es mache alle „zusammenzutreiben“ wo es doch um größere Abstände zwischen den Menschen gehe, also um eine bessere Verteilung. Es gab nur Schulterzucken und gebetsmühlenartige Wiederholung der Aufforderung, aber keinerlei Erklärung zum Sinn der Maßnahme. Aber was soll mensch auch von OAMIs (Ordungsamtmitarbeiter*innen) erwarten, die selber in Kuschelnähe ohne Mund/Naseschutz zusammenstehen. Da waren die anwesenden Polizist*innen übrigens nicht besser. Aber vielleicht wohnen ja auch alle in einem Haushalt ;-)

    Alles in allem war der Kundgebungsplatz mit seinen markierten Stehplätzen der virensicherste Ort auf dem Vorplatz des Schauspielhauses. Wenn das Ordnungsamt ein echtes Interesse an der Sicherheit der Demonstrierenden gehabt hätte, dann hätte es einfach einen größeren, auf die Zahl der ursprünglich angekündigten Teilnehmer*innen plus Sicherheitszugabe abgestimmten Kundgebungsplatz zugewiesen und alles wäre in Ordnung gewesen.

    So musste ich jetzt öffentlich meinen Unmut über die Inkompetenz des Ordnungsamtes äußern.
    Tja, mal sehen, ob sie lernfähig sind.

Kommentare sind geschlossen.