Samstag 11.04.20, 21:34 Uhr

Ob Lesbos oder Bochum 7


Indymedia berichtet: „Aktivist*innen aus Bochum befestigten heute eine mit einer Rettungsweste bekleidete lebensgroße Puppe mit einem Galgenstrick um den Hals an einem ca. 30 m hohen Baukran an der Kronenstraße. Zusätzlich wurde ein Transparent mit der Aufschrift „Ob Lesbos oder Bochum, Corona betrifft uns alle #Leavenoonebehind“ angebracht. „

„Wir wollen mit dieser Aktion auf die fehlgeleitete Geflüchtetenpolitik der EU sowie die katastrophale Situation an Europas Außengrenzen aufmerksam machen“ erklärt eine*r der Aktivist*innen. Derzeitig befinden sich über 20.000 Personen im Lager “Moria” auf der griechischen Insel Lesbos – ohne Zugang zu fließendem Wasser oder medizinischer Versorgung. Das Geflüchtetenlager ist inzwischen – genau wie Sammellager und Geflüchtetenunterkünfte in Deutschland – unter Quarantäne gestellt.

„Die globale Krise aufgrund der Corona Pandemie trifft uns alle“, so die Aktivist*innen weiter. „Wir dürfen dabei allerdings nicht vergessen, dass einige davon stärker betroffen sind als andere.“ Ohne den Zugang zu Wasser oder medizinischer Versorgung und aufgrund der katastrophalen hygienischen Bedingungen in Moria, hätte das Corona Virus dort freien Lauf, wenn es einmal ausgebrochen ist. Es würde Unmengen Infizierte und Tote geben.

Die Zustände müssten allerdings nicht so hingenommen werden. Wie Oberbürgermeister Thomas Eiskirch schon versicherte: Bochum hat Platz!

„Bochum und auch andere Städte haben sowohl die Möglichkeiten als auch die Kapazitäten Menschen aufzunehmen“ betonen die Aktivist*innen. „Unsere Forderungen decken sich mit denen der Seebrücke. Moria muss sofort evakuiert werden! Die Menschen müssen in Sicherheit gebracht werden! Die unmenschlichen Zustände in den Lagern sind nicht länger tragbar!“

Das Banner sowie die am Kran befestigte Puppe wurden nach etwa einer Stunde durch Feuerwehr und Polizei entfernt.


7 Gedanken zu “Ob Lesbos oder Bochum

  • Ralf Feldmann

    Warum haben sie die Banner nicht bis zum Schichtbeginn hängen lassen? Als Osterbotschaft unserer christlich-abendländischen Wertegemeinschaft. Papst und Bischöfe predigen doch auch so.
    Vielleicht ermittelt deshalb jetzt der Staatsschutz. Nein, nicht gegen die Regierenden wegen unterlassener Hilfeleistung oder Totschlags durch Unterlassen. Gegen unbekannte Aktivisten – wahrscheinlich wegen besonders schweren Kranfriedensbruchs an Ostern. Große Anerkennung für die mutige Aktion!

  • Norbert Hermann

    Eiskirch meldet sich in der WAZ
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    Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen aus dem erweiterten Umfeld des Oberbürgermeisters zu vernehmen sei, sei Thomas Eiskirch sehr angetan von der tollen Aktion der beiden Aktivistis. Ob ER eine Belohnung i.H.V. 10.000 Euro ausgelobt hat wenn den beiden zum endgültigen Entkommen verholfen würde blieb allerdings unbestätigt. Es hiess, der „Schwarze Peter“ läge bei Bund und Land. Flüchtlinge werden nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel automatisch auf die Bundesländer verteilt. Wo mehrere hunderttausend Touristen aus dem Ausland zurückgeholt wurden und ohne Quarantäne ins Land gelassen wurden und 80.000 Erntehelfer ihre Quarantäne auf den Spargelfeldern erleben dürfen kann es kein Problem sein einige tausend Menschen aus den griechischen Flüchtlingscamps zu retten.
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    Eiskirch meldete sich einen Tag nach der Feier Christi Auferstehung ((„Ging doch auch“). Er wolle nun umgehend mit der Bochumer Seebrücke ins Gespräch kommen – etwa in einer Woche, nach dem Urlaub (???).Halbherzig ist so viel wert wie herzlos. Und Kästners Ausspruch „Es gibt nichts gutes, außer man tut es“ sei ihm auch bekannt.
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    Bochum: Stadt ist zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit (13.04.2020 – 14:37 Uhr)
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    https://www.waz.de/staedte/bochum/bochum-stadt-ist-zur-aufnahme-von-fluechtlingen-bereit-id228899287.html
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    SPD-Chefin pocht auf Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Griechenland
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    https://www.oldenburger-onlinezeitung.de/nachrichten/spd-chefin-pocht-auf-aufnahme-weiterer-fluechtlinge-aus-griechenland-39153.html („angemessen“ sagte sie auch)
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    „Wollen nicht länger warten“: Deutschland will bis zu 500 Kinder aufnehmen
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    https://www.focus.de/politik/ausland/fluechtlingskrise-deutschland-laesst-zunaechst-50-minderjaehrige-fluechtlinge-aus-griechenland-einreisen_id_11719786.html
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    Asselborn sagte dem „Spiegel“: „Jedem Jugendlichen folgen später im Zuge des Familiennachzugs vier bis fünf weitere Personen, das ist so, das muss man auch offen sagen.“
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    https://www.tagesschau.de/ausland/fluechtlinge-eu-139.html
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    https://www.welt.de/regionales/hamburg/article206319581/Brief-an-Seehofer-Hamburg-will-Fluechtlinge-aus-Griechenland-aufnehmen.html

  • B.Akunin

    Gute direkte Aktion, inhaltlich am Puls der Zeit und im öffentlichen Raum platziert, wenn auch nur für eine Stunde.
    Was aber symbolisiert die gehenkte Puppe?
    Unter der HERRschaft der Mullahs im Iran oder den Talibs in Afghanistan ist es alltägliche Aktionsform, bei der Menschen: Frauen, Drogenhändler und Schwule
    mittels Kränen aufgehangen und hingerichtet werden.
    Angesichts dessen hinterlässt die erhängte Puppe einen etwas bitteren Nachgeschmack.

  • Ralf Feldmann

    So irritierend empfinde ich die Puppe nicht. Sie symbolisiert erschreckend die Werte der europäischen „Wertegemeinschaft „, die sie an den Haken gehängt haben. Und, B. Akunin, es ist eine alltägliche Aktionsform europäischer Regierungen, Menschen in Lagern „hängen zu lassen „, die selbst das Auswärtige Amt bisweilen mit Konzentrationslagern vergleicht.

  • Schneewittchen

    Nö, das ist keine „direkte Aktion“ gewesen, sondern eine symbolische Protestform mit appelativen Charakter.
    Vielleicht mal bei Joachim Raschke, „Soziale Bewegungen – ein historisch-systematischer Grundriß“, Campus
    Verlag, Frankfurt 1985 nachlesen. Dann entzieht man „direkten Aktionen“ auch nicht ihre Bedeutung und Wert.

    Dann dieser herbe Moschusgeruch von Aktion, Kraft und Männerschweiß. Form schlägt Inhalt. Marketing.

  • B.Akunin

    Hallo Ralf,
    die sog. europäischen Werte sind zum Fußabtreter verkommen, da hast du recht. Deshalb ein Perspektivwechsel:
    mich hätte eher die symbolisierte Form und Vermittlung der Festung Europa, Abschiebeflieger, gated communities sprich überwachte Abschiebeknäste oder gesunkene Schlauchboote am Kran angesprochen als ein erhängter Mensch, in diesem Fall eine Puppe.
    Das Auswärtige Amt muß aufpassen, damit es nicht in den Sog der Geschichtsfälschung gerät.
    Konzentrationslager haben trotz aller Tristesse bei der Behandlung von Geflüchteten eine andere Gewichtung über die hier nicht diskutiert werden muß.

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