Sonntag 01.09.19, 12:03 Uhr
Redebeitrag auf der Kundgebung zum Antikriegstag 2019 in Bochum

Sevim Dagdelen, stellv. Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linken


Nach dem 2. Weltkrieg und der Befreiung vom Deutschen Faschismus war man sich in Ost und West einig. Deutschland sollte auf Frieden und Abrüstung verpflichtet werden. Die Wurzeln des deutschen Militarismus sollten für immer durchtrennt werden. So findet sich in unserem Grundgesetz ein klares Friedensgebot. Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen, wie es der Friedensnobelpreisträger Willy Brandt so klar formuliert hat. Rüstungsexporten sollte ein Riegel vorgeschoben werden. Eine Aufrüstung zur Vorbereitung neuer Kriege für immer verhindert werden.
Die Bundesregierung aber hat sich heute, 80 Jahre nach dem Beginn des Überfalls von Nazideutschland auf Polen verpflichtet, die deutschen Rüstungsausgaben auf 85 Milliarden Euro steigern zu wollen. Ja 85 Milliarden das wäre nach den Berechnungen der Stiftung Wissenschaft und Politik die Umsetzung des 2%-Ziel der NATO. Diese geplante Aufrüstung ist die größte Wiederaufrüstung nach dem 2. Weltkrieg vergleichbar nur mit der Wiederbewaffnung in der Hochzeit des Kalten Krieges in den 50ziger Jahren. Diese Aufrüstung ist ein friedenspolitischer Offenbarungseid der Bundesregierung. Jeder Mensch, dem Frieden und Sicherheit in Europa am Herzen liegen, muss gegen diesen Wahnsinn aufstehen.
Ich frage die Bundesregierung: Wozu braucht ihr so viele neue Waffen? Was soll dieser Waffenwahn? Brauchen wir wirklich neue Panzerarmeen, Kriegsschiffe und Luftkampfverbände?
Ich frage die Bundesregierung: Warum soll es für uns erstrebenswert sein, die stärkste Militärmacht in Europa noch vor Russland zu werden?
Ich frage die Bundesregierung. Warum soll es für uns erstrebenswert sein, die weltweit drittstärkste Militärmacht nach den USA und China zu werden?
Waren dies wirklich die besten Zeiten in unserem Land, als aufgerüstet wurde, als gäbe es kein Morgen?
Nein, Nein und nochmals Nein. Wir müssen diesen Rüstungswahnsinn stoppen! Denn wer derart rüstet, der bereitet neue Kriege und Kriegsbeteiligungen vor. Wer derart
rüstet vergeht sich am Friedensgebot des Grundgesetzes. Wir aber stehen hier an der Seite der Friedensbewegung um Kanzlerin Merkel und Außenminister Maas zu stoppen. Wir sagen: Kein Fußbreit für diese Art der Kriegsvorbereitungen, die allein den Profiten der deutschen Rüstungsschmieden nutzt.
Wer in der Kommunal- oder auch der Landespolitik engagiert ist, hat es sicher schon hundertmal gehört: Nein dafür ist kein Geld da. Zur Sanierung maroder Schulen? Nein dafür ist kein Geld da? Für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr? Nein dafür ist kein Geld da? Für die lebensrettende Sanierung öffentlicher Schwimmbäder? Nein, da ist eben auch nicht genug Geld da:
Aber wenn wir uns die Aufrüstungspläne der Bundesregierung anschauen, ist für eines offenbar Geld wie Dreck da, nämlich für die Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben. Dies ist ein unerträglicher himmelschreiender Skandal. Es ist ein antisoziales, anti-ökologisches Verbrechen, an uns aber auch an der Zukunft unserer Kinder.
Und deshalb sagen wir: wir müssen den Rüstungswahnsinn nicht allein stoppen, weil es hochgefährlich ist Deutschland zur stärksten Militärmacht in Europa machen zu wollen.
Nein, jeder der auch nur an einem Funken Sozialstaat oder auch an einer funktionierenden Infrastruktur interessiert ist, muss sich diesem Wahnsinn entgegenstellen. Denn Aufrüstung und marode Infrastruktur sind nur zwei Seiten ein und derselben Medaille und es ist wirklich sträflich unsere Steuergelder, die wir für bessere Schulen, Schwimmbäder oder eine gut funktionierende und bezahlbare Bahn bräuchten für Panzer, Kriegsschiffe und Kampfjets verfrühstücken zu wollen.
Ich will dies noch einmal ganz plastisch machen. Ich hatte vor kurzen die Bundesregierung zum Finanzierungsbedarf von Schwimmbäder in NRW gefragt. Wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorging, fehlen allein in NRW 188,2 Millionen Euro, um in den öffentlichen Bädern lose Kacheln, marode Rutschen und Sprungtürme sowie abgenutzte Umkleiden zu sanieren. Für das Programm des Bundes „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ hatten sich 60 Kommunen aus NRW beworben. Nur zehn von ihnen erhielten einen Zuschlag. 110 Millionen
Euro sollen für die Sanierung von Schwimmbädern in ganz Deutschland fließen. Die 50 nordrhein-westfälischen Kommunen, die leer ausgehen, hatten insgesamt Fördermittel in Höhe von 188,2 Millionen Euro beantragt. Es ist ein absolutes Armutszeugnis für diese Bundesregierung, dass in einem der reichsten Länder der Welt mittlerweile jede vierte Grundschule keinen Schwimmunterricht mehr anbieten kann, weil die Bäder verfallen und dichtmachen müssen. Und diese Politik hat tödliche Folgen. 60 Prozent der Zehnjährigen können nicht sicher schwimmen. Allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres sind in NRW 40 Menschen ertrunken. Und währenddessen verspricht die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sich in der Bundesregierung für ein noch schnelleres Erreichen der 85 Milliarden bei den Verteidigungsausgaben einzusetzen. Nein Liebe Freudinnen und Freunde, lasst uns gemeinsam darum kämpfen, dass diese gefährliche Verantwortungslosigkeit beendet wird. Für einen starken Sozialstaat mit Investitionen für das Leben, gegen den Aufrüstungswahn der Bundesregierung. Ich möchte euch etwas ganz konkret vorschlagen, was wir hier von Bochum aus initiieren könnten: In der Tradition der Volksbefragung gegen die Wiederbewaffnung, sollten wir heute eine Volksbefragung gegen die geplante Aufrüstung in Gang setzen. Ich finde, wir sollten da von hier aus den Anstoß geben und ich lade alle ein, dass wir gemeinsam überlegen, wie wir hier den Druck auf die Bundesregierung erhöhen können. So jedenfalls wie bisher kann es nicht und darf es nicht weitergehen.