Mittwoch 14.03.18, 20:51 Uhr
Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit:

Strategien für ein sozialeres Bochum 1


Am vergangenen Samstag fand die Konferenz „Soziales Bochum – alternative Strategien“ des Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit statt. Insgesamt fanden sieben Workshops zu unterschiedlichen Themenschwerpunkte statt. Hintergrund dieser Konferenz ist die von der Stadt Bochum entwickelte „Bochum Strategie 2030“. Aus Sicht des Bündnisses wird in der „Bochum Strategie 2030“ das Thema „soziale Stadt“ zu wenig bis gar nicht berücksichtigt. Deshalb hat das Bochumer Bündnis diese Konferenz durchgeführt und ist dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen:

Workshop 1: Senioren / Leben im Alter
Bereits heute gehören rund 103.000 Bochumer (= 27,8%) der Altersgruppe „60 plus“ an. Aufgrund des demographischen Wandels wird ihr Anteil bis zum Jahr 2030 noch deutlich ansteigen. Das Alter ist vielfach verbunden mit sinkender Mobilität, geringer sozialer Teilhabe, steigender Altersarmut und dem Wunsch, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu verbleiben – auch bei eintretender Pflegebedürftigkeit. Persönliche Beziehungen und Kontakte im unmittelbaren
Wohnquartier sind für ältere Menschen daher von entscheidender Bedeutung für die eigene Lebensqualität.
Benötigt wird daher in Bochum ein flächendeckendes Netz an dezentralen Quartiers- bzw. Nachbarschaftshäusern, in denen Treffpunkt Bildungs- und Freizeitangebote für alle Generationen durchgeführt werden. Für die dort zu leistende Quartiersarbeit müssen hauptamtlichen Quartiersmanager („Kümmerer“) zur Verfügung stehen, die die unterschiedlichen Akteure vor Ort (Vereine, Gruppen, Bewohner) zusammenbringen, um die jeweiligen Potentiale
der Wohnquartiere zu aktivieren und zu vernetzen.
Zudem ist es wichtig, dass in den Wohnquartieren eine wohnortnahe Versorgungsstruktur zur Abdeckung der täglichen Bedarfs (Einkäufe, Ärzte, Friseur, Bank etc.) existiert. Über den sozialen Arbeitsmarkt können ergänzend haushaltsnahe Dienstleistungen wie z.B. ein Einkaufs- und Reparaturservice oder ein Begleitdienst zu Ärzten und Ämtern eingerichtet und werden.
Auf städtischer Ebene ist es ferner notwendig, eine zentrale Wohnberatungsstelle einzurichten, die Wohnungssuchende über bedarfsgerechten, preiswerten bzw. generationsübergreifende Wohnungsangebote informiert und berät.

Workshop 2: Kommunale Wohnungspolitik
Die Stadt soll die jetzt zu fast 80 % kommunale VBW auf gemeinnütziges Wirtschaften
verpflichten.

  1. Die Stadt soll städtische Grundstücke nur noch in Erbpacht, nur noch für preiswerten Wohnungsbau und nur noch auf dem Wege der Konzeptvergabe zur Verfügung stellen.
  2. Die Stadt soll alle Sammelunterkünfte auflösen und Flüchtlinge nur noch in Normalwohnungen unterbringen.
  3. Die Stadt soll ein Antidiskriminierungsprogramm für Bevölkerungsgruppen mit erschwertem Zugang zum Wohnungsmarkt auflegen.
  4. Die Stadt soll eine Leerstandskataster nach dem Vorbild des Problemimmobilienkatasterserstellen und den Eigentümern Fördermittel vermitteln.
  5. Die Stadt soll die Bürger weit über das vorgeschriebene Maß hinaus an allen Planungendauerhaft beteiligen.

Workshop 3: Kultur für alle

Starke freie Kultur
Die Freie Kulturszene der Stadt engagiert sich seit vielen Jahren mit vielfältigen niederschwelligen Angeboten und qualitativ anspruchsvollen Projekten in Bochum. Der Erfolg der BoBiennale 2017 ist lebendiger Ausdruck dieses starken Netzwerks. Vorrangig müssen aus heutiger Sicht Lösungen für folgende Herausforderungen angegangen werden:
Räume: Behebung des Renovierungsstaus in den freien Kultureinrichtungen sowie Schaffung einer Produktionsstätte für Kulturschaffende aller Sparten mit Atelier-, Proben- und Lagerräumen und mit hervorragender Anbindung an den ÖPNV
Finanzen: Eine einmalige Erhöhung der institutionellen Betriebskostenförderung um mindestens 10%, ein realer jährlicher Inflationsausgleich bei der kommunalen Förderung und eine drastische Erhöhung der kommunalen Projektförderung für die Entwicklung neuer Kulturformate
Quartiere: Stärkung von dezentralen freien Kulturveranstaltungsstätten und Angeboten in den Stadtteilen und Förderung von kulturellen Darbietungen im öffentlichen Raum
Partizipation: Ständige Vertretung der freien Kulturszene im Kulturausschuss und partizipative Erstellung eines Kulturentwicklungsplans

Workshop 4: Migration und interkulturelle Öffnung

  1. Aufnahme des Themas Migration/Integration und interkulturelle Öffnung als sechstes zentrales Schwerpunktthema in die Bochum Strategie
  2. Überarbeitung, Aktualisierung sowie Umsetzung des Bochumer Integrationskonzeptes mit anschließender regelmäßiger Berichterstattung und Monitoring der erreichten Ziele bzw.vorhandener Hemmnisse
  3. Implementierung rassismuskritischer und diversitätssensibler Organisationsprozesse durch die Stadtverwaltung

Workshop 5: Förderung von Kindern, Jugendlichen und Familien
In Bochum wachsen ungefähr 25 % der Kinder und Jugendlichen in Familien auf, die mit Hartz IV auskommen müssen. Besonders stark betroffen sind die Familien Alleinerziehender und kinderreiche Familien. Diese Familien benötigen eine besondere Unterstützung und sie sind auf kostenlose außerschulische Bildungsmöglichkeiten (Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfe, Hilfen beim Übergang von Schule zu Beruf) und Freizeitangebote (Gruppenstunden, Jugendreisen, Spiel- und Sportangebote, Ausflüge, Projekte) angewiesen, die von den Trägern der Kinder- und Jugendarbeit (Jugendverbandsarbeit, Offene Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit) durchgeführt werden. Damit gute Angebote in ausreichender Anzahl vorhanden sind, müssen die Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit gestärkt werden. Für Kinder und Jugendliche sind die Treffpunkte, die Spielflächen und die Sportplätze mit vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten zu erhalten und auszubauen.
Um die besonderen Angebote der (kleineren) Vereine für spezielle Zielgruppen finanzieren zu können, gibt es unterschiedliche Förderprogramme. Diese Zuschüsse müssen oftmals mit komplizierten Anträgen beantragt werden und auch die Erstellung der Verwendungsnachweise ist aufwendig. Insbesondere rein ehrenamtlich aufgestellte Vereine sind mit den Antragsverfahren überfordert. Benötigt wird deshalb eine Projektstelle, die bei einem freier Träger einzurichten ist und die Verbände und Initiativen bei der Beantragung und Abrechnung von Projektmitteln unterstützt.
Damit Kinder und Jugendliche bei den Jugendreisen nicht ausgegrenzt werden, ist der städtische Zuschuss für die Finanzierung von Ferienfreizeiten von Kindern aus bedürftigen Familien zu erhöhen und der Kreis der Antragsberechtigten zu erweitern. Bisher sind nur Familien antragsberechtigt, die Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld beziehen. Notwendig ist auch die Unterstützung von Familien, die Wohngeld oder Asylleistungen beziehen und von Familien, die mit einem geringen Verdienst auskommen müssen.
Damit finanziell benachteiligte Familien am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, benötigen sie einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr. Geldmangel zwingt diese Familien oftmals auch, in Wohnungen an Straßen mit einem hohen Verkehrsaufkommen zu leben. Ihre Gesundheit wird durch Abgase und Feinstaub besonders belastet. Mithilfe eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs kann der individuelle Autoverkehr deutlich eingeschränkt und die gesundheitliche Belastung verringert werden.
Informationen über Hilfsangebote für Familien müssen auch in einfacher Sprache und mehrsprachig zur Verfügung stehen.

Workshop 6: Beschäftigte in der Gesundheitsversorgung: Arbeitsbelastung, die krank macht
In dem Spannungsfeld zwischen dem Fachkräftemangel in Krankenhäusern und der nicht vorhandenen Personalbemessung für alle Beschäftigtengruppen in Krankenhäusern hat sich die Arbeitsgruppe einerseits mit der Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern beschäftigt.
Deshalb stellen wir die Forderungen nach sozialer Infrastruktur für Krankenhäuser, dazu gehören:

  • Wohnraum auch für AZUBIS (es gibt keine Schwesternwohnheime mehr)
  • AZUBI Tickets ÖPNV analog der Tickets für Studierende / sowie Jobtickets
  • Unterstützung der Stadt bei der Forderung an die Bezirksregierung Arnsberg, mehrAusbildungsplätze zu schaffen

Des Weiteren fordern wir eine reale Personalbemessung durch Bochumer Gesundheitskonferenzen die durch unsere Bürger, Beschäftigtengruppen aus den
Krankenhäusern, niedergelassene Ärztinnen, Seniorenzentren, Pflegewissenschaftlerinnen und der Gewerkschaft ver.di besetzt sind. Dort kann ein realer Bedarfsplan für das Gesundheitswesen im jeweiligen Stadtteil entstehen.
Um die Krankenhäuser langfristig zu entlasten sind wir sicher, dass unsere Stadtteile Gesundheitspraxen in Quartieren und eine Agentur zur Unterstützung in sozialen Angelegenheiten benötigen.
Diese beiden neu zu schaffenden Arbeitsfelder können gleichzeitig die Möglichkeit bieten, alternsgerechte Arbeitsplätze für die Kolleginnen und Kollegen zu schaffen, die nach vielen Jahren Erfahrung im Krankenhaus den tatsächlichen „Stationsdienst“ physisch und psychisch nicht mehr schaffen können.

Workshop 7: Umgang mit verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit
Folgende Forderungen haben sich herauskristallisiert:

  • Ein dauerhafter Begegnungsraum (neutral und zentral in der Innenstadt) mit der kontinuierlichen Begleitung durch eine kompetente Ansprechperson (Sozialpädagoge/in).
  • Der (fragile/unzureichende) Personalbestand in den Jobcentern steht den vielen Menschenmit ihren existenziellen Nöten gegenüber und führt zu problembeladenen Situationen. Hier muss die Stadt ihre/eine verantwortungsvolle Rolle übernehmen.
  • Ein Sozialticket zu einem angemessenen Preis
  • Statt dem Schnellschuss „Beschäftigungsgesellschaft“ muss eine ausreichende und nachhaltige Finanzierung von Beschäftigung für Langzeitarbeitslose gewährleistet sein undzwar unter Einbeziehung der bereits vorhandenen Beschäftigungsträger.
  • Langzeitarbeitslose Menschen, die z. B. einer kontinuierlichen Ehrenamtstätigkeit o. ä.nachgehen, sollten -falls gewünscht – vom Jobcenter in dieser Zeit nicht mit Vorladungenetc. befasst werden.

Ein Gedanke zu “Strategien für ein sozialeres Bochum

  • Dirk

    Wunschkonzert

    Fragen:
    Hier werden Forderungen an „die da oben“ gerichtet ein „Sozialeres Bochum“ zu schaffen. Welchen Grund sollten „die da oben“ für Handlungen für „die da unten“ haben? Liegt so etwas in dem Interesse von „denen da oben“? Und wenn nicht, warum nicht? Wem nutzen dann solche Forderungskataloge und welchen Zweck erfüllen diese Forderungslisten für die die sie aufstellen? Ist deren Strategie das Formulieren von Wunschkonzerten?

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