Freitag 11.11.16, 08:41 Uhr

Ketzerischer Sonntag 8


Am kommenden Sonntag, den 13. 11. trifft sich wie an jeden zweiten Sonntag im Monat die Initiative Religionsfrei im Revier um 11 Uhr im Sozialen Zentrum. Im Mittelpunkt der Diskussion steht diesmal der Austausch darüber, welche Werte und Normen antiklerikale Menschen für wichtig halten. Eine Diskussionsgrundlage hierfür werden die zehn Angebote des evolutionären Humanismus sein. Wie immer gibt es auch ein Frühstücksbuffet, zu dem Beiträge herzlich willkommen sind.


8 Gedanken zu “Ketzerischer Sonntag

  • Hartmut Grajetzky

    Liebe Leute,
    was um alles in der Welt soll denn an den ‚Zehn Angeboten des evolutionären Humanismus‘ oder an dem Urtext ketzerisch sein??? Jeden Satz kann ich unterschreiben, obwohl ich mich selber als Christ bekenne.Der Wahrheitsgehalt dieser Prinzipien ist doch vollkommen unabhängig davon, ob ich sie mit einem Gott in Verbindung bringe oder nicht.
    Einen schönen Sonntag wünsche ich.
    Hartmut Grajetzky

  • Norbert Hermann

    Lieber Hartmut Grajetzk,
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    die ‘Zehn Angebote des evolutionären Humanismus’ finde ich auch ganz toll, hängen jetzt bei mir an der Wand. Beim Angebot Nr. 4: Du sollst nicht … töten – es sei denn, es gibt im Notfall keine anderen Möglichkeiten, die Ideale der Humanität durchzusetzen!“ gehören natürlich ein paar grosse Fragezeichen hin. Wer hat denn da das Sagen?
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    Zu “ Religionsfrei im Revier“:
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    „Ein großer Teil der gläubigen Menschen hat noch niemals seinen Glauben wirklich kritisch hinterfragt.“ – Das sollten die „Wissenschafts“gläubigen aber auch mal tun. Und Angebot Nr. 7 beachten: „Sei dir deiner Sache nicht allzu sicher! Was uns heute als richtig erscheint, kann schon morgen überholt sein! Zweifle aber auch am Zweifel!“
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    „In der Gruppe ‘Religionsfrei im Revier’ haben sich Menschen aus dem Ruhrgebiet zusammengefunden, die religiöse Weltanschauungen kritisch hinterfragen und für eine religionsfreie, demokratische Gesellschaft eintreten.“ – Sie sollten aber auch mal ihrer eigene Weltanschauung kritisch hinterfragen. Da ist immer und sicher erlaubt ein Stück „Glauben“ dabei, denn absolute Wahrheiten kann es ja nicht geben. Das sagt selbst die „Wissenschaft“ von sich. „Die Wahrheit von heute ist der Irrtum von morgen“.
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    Was nicht heissen soll keine Weltanschauung zu haben (das geht ja gar nicht) und/oder keine Meinung und Einstellung zur Welt zu haben und besonders auch eine entsprechende Praxis), im Gegenteil. “ Selbst wenn unser Wissen stets begrenzt und vorläufig ist, solltest du entschieden für das eintreten, von dem du überzeugt bist. Sei dabei aber jederzeit offen für bessere Argumente, denn nur so wird es dir gelingen, den schmalen Grat jenseits von Dogmatismus und Beliebigkeit zu meistern.“
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    Alle Zitate aus: http://religionsfrei-im-revier.de/uber-uns/
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    Dort verlinken sie auch „Die Skeptiker“ (http://gwup.org/), eine Organisation die aggressiv Menschen anderer Meinung bekämpft.
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    Norbert Hermann, ehedem von harten Linken genannt „Sokrates“, geborener Skeptiker.

  • Anke

    Hartmut Grajetzky formuliert vorwurfsvoll: „Der Wahrheitsgehalt dieser Prinzipien ist doch vollkommen unabhängig davon, ob ich sie mit einem Gott in Verbindung bringe oder nicht.“ Richtig, genau das war die Idee von Julian Huxley. Die Prinzipien formulieren Werte, die dem Evolutionsstand der Menschheit gerecht werden sollten. Auch Christen, die ihren Verstand benutzen und nicht an Jahrtausende alte Geschichten glauben, sollten diese Prinzipien achten und nicht Schwule und Ungläubige umbringen, wie es im alten Testament gefordert wird. Wenn die Geschichten über Jesus im Neuen Testament stimmen, hat er Ideen zur Evolution der menschlichen Werte beigetragen und den rachesüchtige brutalen Gott des alten Testamentes nicht mehr als Norm gebende Instanz propagiert.
    Die Entwicklung der letzten 2.000 Jahre hat ein paar Schritte weitergeführt. Immer mehr Menschen sind gottlos glücklich. Sie durchschauen, wie fast alle Gesellschaftsformen versucht haben und immer noch versuchen, übermenschliche Instanzen zu konstruieren, mit denen Normen und Herrschaft unhinterfragbar gemacht werden sollen. Die Aufklärung, das Recht auf Selbstbestimmung bzw. die Formulierung allgemeiner Menschenrechte zählen zu den großartigen Erfolgen im Kampf gegen religöse Bevormundung und Repression. Diese Errungenschaften sind auch für etliche Menschen attraktiv, die sich noch nicht von ihrer religiösen Sozialisation befreien konnten. Die Weltreligionen stehen unter gewaltigem Druck z. B. die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht länger zu negieren. Selbst die Kath. Kirche wird hier ihre Dogmen über Bord werfen müssen. Schließlich werden auch keine weisen Frauen mehr als Hexen verbrannt.
    Aktuell erleben wir eine beachtliche Entwicklung in der ev. Kirche. Sie distanziert sich vom Judenhass ihres Begründers Martin Luther und passt sich damit dem heutigen gesellschaftlichen Mainstream an.
    Als die Nazis sich vor 80 Jahren in dieser Frage auf Luther beriefen, zeigte sie sich ebenso angepasst.

  • Hartmut Grajetzky

    Zum Brief von Anke kann ich mir ein paar Anmerkungen nicht verkneifen.
    „Vorwurfsvoll“ war mein Zwischenruf nicht gemeint. Ich bin eher etwas belustigt gewesen, als ich unter der Überschrift ‚Ketzerischer Sonntag‘ auf einen Text aufmerksam gemacht wurde, dessen Inhalt sonntags in vielen Kirchen auf den Kanzeln gepredigt wird. Die interessante Frage ist dann allerdings, wer diese 10 Angebote eines evolutionären Humanismus in seine Lebenspraxis umsetzen kann. Es wird so sein, dass es Menschen gibt, die aus sich heraus soviel positive Energien haben. Darüber kann man sich dann nur freuen. Andere allerdings spüren auch ihre persönlichen Grenzen, wenn sie versuchen ,so zu leben, wie es die 10 Angebote des evolutionären Humanismus empfehlen. Der Rabbi von Nazareth übrigens, den Anke ganz positiv bewertet, der hat sich bei seinen Reden und mitmenschlichen Aktionen immer auf eine externe Kraftquelle berufen. Ankes Hinweis auf die unselige Haltung der Evangelischen Kirche vor 80 Jahren gegenüber dem propagierten Judenhass auch unter Berufung auf Martin Luther erinnert mich an Dietrich Bonhoeffer. Wegen seines Kampfes gegen den Faschismus wurde er von den Nazis ermordet. Der kannte seine persönlichen Grenzen in seinem Kampf für eine menschlichere Welt. Sein Motto war darum: Beten und Tun des Gerechten. Den alten Hut, den Anke hervorkramt : Gott als übermenschliche Instanz, um Normen und Herrschaft unhinterfragbar zu machen – diesen alten Hut lässt sich doch heutzutage kein vernünftiger Christ mehr aufsetzen. Die Evolution des Geistes ist ein permanenter Prozess. Und darum zum Schluss doch etwas vorwurfsvoll: „Religionslos im Revier'“ und die anderen „Gottlos Glücklichen“ sollten sich in Sachen Religion im 21.Jahrhundert mal etwas updaten lassen. Und dann bleibt fröhliche Leute!
    Hartmut Grajetzky

  • Martin Budich Autor des Beitrags

    In der Ankündigung für das Treffen steht, dass die zehn Angebote des evolutionären Humanismus „eine“ und nicht „die“ Grundlage für die Diskussion sei.
    Hartmut Grajetzky hat offensichtlich nur die Kurzfassung überflogen und schreibt leichtsinnig, dass er „jeden Satz unterschreiben kann“ und dass der „Inhalt sonntags in vielen Kirchen auf den Kanzeln gepredigt wird“. Das stimmt sicherlich nicht.
    Das 3. Angebot lautet nämlich: >>Habe keine Angst vor Autoritäten, sondern den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Bedenke, dass die Stärke eines Arguments völlig unabhängig davon ist, wer es äußert. Entscheidend für den Wahrheitswert einer Aussage ist allein, ob sie logisch widerspruchsfrei ist und unseren realen Erfahrungen in der Welt entspricht. Wenn heute noch jemand mit „Gott an seiner Seite“ argumentiert, sollte das keine Ehrfurcht, sondern Lachsalven auslösen.<< Hartmut Grajetzky schreibt weiter: "Den alten Hut, den Anke hervorkramt: Gott als übermenschliche Instanz, um Normen und Herrschaft unhinterfragbar zu machen – diesen alten Hut lässt sich doch heutzutage kein vernünftiger Christ mehr aufsetzen." Wenn das stimmt, dann ist es erschreckend, wie wenig vernünftige Christen es selbst unter dem Verkündigungspersonal gibt. Ich höre hauptberufliche Christen nur noch, wenn ich zu Beerdigungen gehe. Da wird dieser alte Hut immer und konfessionsübergreifend aufgesetzt. Über die Kriminalgeschichte des Christentums oder die Rolle der ev. Kirche im Faschismus und da die Isolierung Niemöllers sogar durch die bekennende Kirche wegen seiner aufrechten Haltung gegen die Ermordung der Juden ließe sich viel schreiben. Interessanter ist die heutige Position der ev. Kirche. Sie feiert mit Martin Luther einen der übelsten Hassprediger der deutschen Geschichte. So menschenverachtend, wie er sich über Frauen, Bauern, Juden oder Behinderte geäußert hat, verbietet es sich, eine Organisation zu respektieren, die sich feierlich auf Luther bezieht. Hitler hat Luther folgendermaßen gewürdigt: „Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach der die Dämmerung; sah er den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen.” Ich lese gerade Luthers Buch "Von den Juden und ihren Lügen". Dieses Buch haben führende Nazis bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen zur Rechtfertigung ihrer Verbrechen herangezogen. Die Alliierten setzten das Buch auf den Index. Die ev. Kirche versucht bei ihren aktuellen Luther-Feierlichkeiten die Hasstirade von Luther, als "dunkle Flecken" oder "Schattenseiten" in seiner Biografie zu verniedlichen. Wer das erwähnte Buch liest, erkennt leicht, dass Luther sich nicht unreflektiert an einem Mainstreamdiskurs seiner Zeit beteiligt hat, wenn er gegen die Juden hetzte. Im Stile heutiger fundamentalistischer Hassprediger hat er ganz dezidiert aus seiner heiligen Schrift abgeleitet, warum Synagogen angezündet und Häuser von Juden zerstört werden sollen. Und man soll "den Juden das freie Geleit auf den Straßen ganz und gar verwehren und verbieten. Denn sie haben nichts im Land zu suchen". Die Initiative Religionsfrei im Revier wird Anfang 2017 zu einer Lesung aus dem Buch "Von den Juden und ihren Lügen" von Martin Luther einladen. Nachfolgend ein Textauszug aus der Version in der aktuellen deutschen Sprache. Die Originalseiten aus dem Lutherbuch und die vollständige Textpassage sind hier zu finden.

    Was wollen wir Christen nun anfangen mit diesem verworfenen und verdammten Volk der Juden? Zu ertragen sind sie für uns nicht, solange sie hier sind und wir solches Lügen, Lästern und Fluchen von ihnen hinnehmen müssen, auf dass wir nicht mitschuldig werden an all ihren Lügen, Fluchen und Lästerungen. […]
    Ich will meinen wohlgemeinten Rat geben.
    Erstens, dass man ihre Synagogen oder Schulen anziinde und was nicht verbrennen will, mit Erde üherhäufe und überschütte, sodass kein Mensch für alle Zeiten weder Stein noch Schlacke davon sehe. […]
    Mose schreibt (5.Mose 13,13-17], dass da, wo eine Stadt Götzen anbetet, man diese mit Feuer ganz zerstören soll, sodass nichts davon zurückbleibt. Und wenn er jetzt lebte, so wäre er der erste, der die Synagogen und Judenhäuser ansteckte. […]
    Zweitens sollte man auch ihre Häuser abbrechen und zerstören, denn sie treiben darin genau das gleiche, wie in ihren Synagogen. Stattdessen mag man sie etwa unter ein Dach oder in einen Stall tun, wie die Zigeuner, damit sie wissen, dass sie nicht Herren in unserem Land sind, wie sie sich derzeit rühmen, sondern im Elend und gefangen, dass sie uns deswegen ohne Unterlass vor Gott anklagen, herumjammern und schreien.
    Zum dritten möge man ihnen alle ihre Gehetbüchlein und Talmude nehmen, in denen solcher Götzendienst, Lügen, Fluch und Lästerung gelehrt wird.
    Zum vierten soll man ihren Rabbinern bei Leib und Leben verbieten, weiterhin zu lehren. Denn ein solches Amt haben sie mit allem Recht verloren, weil sie, die armen Juden mit dem Spruch Moses [5,Mose 17) gebunden sind, der da gebietet, sie sollen ihren Lehrern gehorchen bei Verlust des Leibes und der Seele, wo doch Mose daselbst klar hinzufügt, was sie dich lehren nach dem Gesetz des Herrn, das sollst du halten. Solches übergehen die Bösewichter und nutzen den Gehorsam des armen Volkes mit Absicht gegen das Gesetz des Herrn aus und flößen ihnen solches Gift, Fluch und Lästerung ein. Ebenso wie uns der Papst mit dem Spruch (Mt 16,18): „Du bist Petrus“. usw., gefangen hielt, sodass wir alle glauben mussten, was er uns vorlog und vorschwindelte aus seinem Teufelskopf, indem er uns nicht nach dem Worte Gottes lehrte. Deswegen hat er das Lehramt verwirkt,
    Zum fünften soll man den Juden das freie Geleit auf den Straßen ganz und gar verwehren und verbieten. Denn sie haben nichts im Land zu suchen, weil sie weder Herren, noch Amtsleute, noch Händler oder dergleichen sind. Sie sollen daheimbleiben.
    Zum sechsten soll man ihnen wuchern verbieten, was ihnen schon Mose verboten hatte. Da sie nicht in ihrem eigenen Land sind, können sie nicht Herren über ein fremdes sein. Und man nehme ihnen alle Barschaft und Wertsachen wie Silber und Gold und lege es zur Verwahrung beiseite. Grund dafür ist, dass sie uns alles, was sie haben, wie oben gesagt, durch ihren Wucherzins gestohlen und geraubt haben, weil sie sonst keinen anderen Erwerb haben. […]
    Siebtens soll man den jungen und starken Juden und Jüdinnen Flegel, Axt, Hacke, Spaten, Spinnrockenm und Spindel in die Hand geben und sie ihr Brot verdienen lassen im Schweiße ihres Angesichts, wie es Adams Kindern auferlegt ist [1.Mose 3). Denn das kann nicht sein, dass sie uns verfluchte Gojim im Schweiße unseres Angesichts arbeiten lassen, und sie, die heiligen Leute, das Ergebnis unserer Arbeit hinter dem Ofen im Müßiggang mit Rülpsen und Furzen verzehren wollen. Und sie prahlen auch noch lästerlich angesichts unseres Schweißes, dass sie die Herren der Christen seien. Man müsste sie notfalls zur Arbeit prügeln.
    Wir aber müssen befürchten, sie könnten uns schaden an Leib, Weib, Kind, Gesinde und Vieh usw., falls sie uns dienen oder für uns arbeiten sollten, weil davon auszugehen ist, dass diese edlen Herren der Welt wie giftige, ungenießbare Würmer keine Arbeit gewohnt sind und sich ungern unter den verfluchten Gojim derart demütigen lassen würden. So lasst uns der einfachen Klugheit der anderen Nationen wie Frankreich, Spanien, Böhmen usw. folgen und wie diese das zurückverlangen, was sie uns abgezockt und danach gütlich geteilt haben. Diese Völker haben sie aber für immer aus dem Land getrieben. Denn wie gesagt, Gottes Zorn ist so groß über sie, dass sie durch sanfte Barmherzigkeit nur noch schlimmer und schlimmer, durch Strenge aber kaum besser werden. Darum nur weg mit ihnen.

  • Norbert Hermann

    http://religionsfrei-im-revier.de verlinken auf ihrer Seite auch die Giordano-Bruno-Stiftung.
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    Der Namensgeber, geboren als Luther gerade tot war, steht ja auch im Verdacht Antisemit gewesen zu sein. Entschuldigt wird das so:
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    „Denn wie wir alle wissen (siehe hierzu auch die kritische Analyse des Antisemitismuswahns in meinem Buch „Jenseits von Gut und Böse“), war der Judenhass in der Geschichte des Abendlandes so weit verbreitet, dass sich solch grundverschiedene Denker wie Luther, Goethe, Fichte, Voltaire und Schopenhauer zu abscheulichen antijüdischen Attacken hinreißen ließen.“
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    https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/plaedoyer-fuer-einen-rationalen-diskurs
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    Aber wie dem auch sei, laut Wikipedia war Bruno durchaus nicht gottlos, im Gegenteil, er hatte wohl mehr davon als alle Christ*innen. Ein Idealist und Pantheist:
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    „Für Bruno stammte alles aus der Natur von der göttlichen Einheit von Materie und Dunkelheit ab. Zum einen trennte er Gott von der Welt, und zum anderen tendierte er zu einem dazu entgegengesetzten Pantheismus. Bruno verband die These, dass Gott allem innewohne, mit dem Glauben, dass die Realität der Vorstellung entspringe.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Giordano_Bruno)
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    Das halten durchaus viele Christ*innen, auch im “ Verkündigungspersonal“, für durchaus vereinbar mit ihrer Religion. Letztere sagen das aber nicht so laut.
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    Nebenbei: ich brauch‘ s weder so noch so noch anders. Mir reicht es so schon, was die Welt so an Verrücktheit zu bieten hat.
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    Zum Zitat „Wahrheitswert einer Aussage ist allein, ob sie logisch widerspruchsfrei ist und unseren realen Erfahrungen in der Welt entspricht“.
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    Da fehlt aber die philosophische Tiefe: Logik (besser: Logiken) sind historische und machtpolitische Konstrukte. Mit der Wahrscheinlichkeitstheorie beispielsweise nicht kompatibel. Für die Gültigkeit von „Logik“ gibt es keine Beweise, sie beweist sich immer nur mit sich selbst. Naja, wie so Manches andere auch.
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    Und “ … unsere realen Erfahrungen in der Welt …“ sind immer individuell und verschieden. „Wenn ich nur einen Moment die Welt mit deinen Augen sehen würde, ich würde schier verrückt werden“ (sagt ein grosser Denker).

  • Hartmut Grajetzky Autor des Beitrags

    Noch einmal zum ‚Ketzerischen Sonntag‘

    1. Gerne gebe ich Martin Budich recht. Nur die Kurzfassung der zehn Angebote des evolutionären Humanismus hatte ich gelesen. Dass es‘ Lachsalven auslösen‘ soll, wenn jemand mit ‚Gott an seiner Seite‘ argumentiert, diesen Satz in der Urfassung hatte ich nicht gelesen. Aber indem Martin Budich mich auf diesen Satz hinweist, tappt er in eine Falle. Wenn er wenige Zeilen später an Martin Niemöller und seine „aufrechte Haltung gegen die Ermordung der Juden“ erinnert ,dann müsste ihm das Lachen im Halse stecken bleiben. Vermutlich hat Martin Budich übersehen, dass gerade Martin Niemöller in seinem Kampf gegen die Judenverfolgung als Hitlers ‚persönlicher Gefangener‘, dass er dann nach 1945 in seinem Kampf gegen die Wiederbewaffnung und insbesondere gegen die Seuche der Atomwaffen, dass er in all diesen Kämpfen als evangelischer Pastor und späterer Kirchenpräsident ‚mit „Gott an seiner Seite“ argumentierte. Sein Motto war „Was würde Jesus dazu sagen?“ Nicht zuletzt die Friedensbewegung steht in der Tradition auch solcher religiösen Menschen Und das soll dann Lachsalven auslösen?
    2. Zu dem alten Hut „Gott als übermenschliche Instanz, um Normen und Herrschaft unhinterfragbar “ zu machen will ich auch noch etwas anmerken. Leider muss ich Martin Budich in diesem Punkt recht geben, dass sich unter dem Verkündigungspersonal immer noch welche diesen Hut aufsetzen. Aber, lieber Martin Budich, bei Beerdigungsansprachen geht es in der Regel nicht um Normen und Herrschaft .Der von mir zitierte Dietrich Bonhoeffer sagt im Blick auf solche naiven religiösen Vorstellungen :“Einen Gott ,den es gibt, den gibt es nicht“ .
    3.Schließlich aber finde ich an Martin Budichs Stellungnahme etwas sehr bedenklich. Wie er da über die Evangelische Kirche und ihre Haltung zu Martin Luther und seinem schrecklichen Judenhass schreibt, das erinnert mich in der Methode daran, wie die rechten Populisten Stimmung machen. Bloß nicht auf Fakten einlassen, denn dann gehen einem die Argumente aus. Diese Ignoranz finde ich erschreckend .So ignoriert Martin Budich , dass das Parlament der Evangelischen Kirche in Deutschland am 11.November 2015 einen Beschluss fasste, mit dem die Kirche die Hasstiraden Martin Luthers gegen die Juden unmissverständlich verurteilt .Dort heißt es u.a. „Im Vorfeld des Reformationsjubiläums können wir an dieser Schuldgeschichte nicht vorbeigehen. Die Tatsache, dass die judenfeindlichen Ratschläge des späten Luther für den nationalsozialistischen Antisemitismus in Anspruch genommen wurden, stellt eine weitere Belastung für die evangelische Kirche dar….Das weitreichende Versagen der Evangelischen Kirche gegenüber dem jüdischen Volk erfüllt uns mit Trauer und Scham.“ Ich verstehe schon, dass man solche Schuldbekenntnisse nicht gut gebrauchen kann, wenn einem die Leute , die man bekämpfen will, in dieser Weise den Wind aus den Segeln nehmen. Und auch das wird Martin Budich ungern hören, dass die Evangelische Kirche eben nicht Martin Luther feiert, sondern der ‚Reformation‘ gedenkt -ein gesellschaftspolitisches Ereignis, das selbst Atheisten zu würdigen wissen. Also liebe Religionslose im Revier und all die anderen gottlos Glücklichen- passt auf, dass Ihr nicht in die populistische Falle tappt und Fakten ignoriert, um Stimmung machen zu können. Im übrigen finde ich ganz gut, dass es euch gibt; denn dadurch wird hier und da über Religion nachgedacht – und der Geist weht ja, wo er will.
    In diesem Sinn bleibt locker.
    Hartmut Grajetzky

  • Martin Budich Autor des Beitrags

    Ein paar Richtigstellungen zu Hartmut Grajektzy:
    1. Wie in der ursprünglichen Meldung notiert und in meinem Leserbrief wiederholt sind die Angebote des evolutionären Humanismus eine Diskussionsgrundlage für ein Treffen gewesen. Hartmut Grajetsky argumentiert so, als sei dies mein Glaubensbekenntnis. Das ist Unfug. Ich finden den Text unzureichend, weil z. B. die Idee der Selbstbestimmung und das Prinzip der Toleranz nicht ausdrücklich erwähnt werden. Eine Formulierung wie in dem Satz mit der Lachsalve finde ich inakzeptabel und staunte deshalb nicht schlecht, als Hartmut Grajetzky schrieb, dass er jeden Satz unterzeichnen kann.
    2. Dass die ev. Kirche sich nach 500 Jahre von den Äußerungen Luthers über die Juden distanziert, ist löblich. Dies habe ich erwähnt und kritisiert, dass das als Schattenseite von Luther verharmlost wird. Ich finde es unerträglich so einen Menschen als Vorbild zu präsentieren und Straßen und Einrichtungen nach ihm zu benennen. Mir ging es in dem Zitat vor allem darum, deutlich zu machen, was Religion so gefährlich macht: Der fanatische Hass auf Menschen, die eine andere Überzeugung haben und wie das als Wille eines allmächtigen Gottes mit Bibeltexten begründet wird. Es ist das gleiche Muster, das wir aktuell dramatisch bei einigen Anhängern des Islams oder bei Evangelikalen in den USA erleben.
    3. Die EKD feiert selbstverständlich Luther. Neun Jahre der Lutherdekade der EKD haben wir schon hinter uns. Das alles wird auch noch mit bisher 250 Millionen Euro aus öffentlichen Steuermitteln subventioniert.

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