Sehr geehrter Herr Marcus Gloria
Sehr geehrtes Team der Veranstaltungsagentur Cooltour und der Bochum Total 2010 UG,
Bochum Total soll ein buntes, kostenloses Fest für alle Bürger*innen in Bochum sein. Doch die Vorfreude auf das Fest, welches am heutigen Donnerstag startet, trübt sich angesichts Ihres Hinweises für arabisch sprechende Personen stark ein. In dem kurzen Text mit dem Titel “gutgemeinte Infos und Tipps für unsere arabisch sprechenden Gäste”, schreiben sie unter anderem “kommt alle zu Bochum Total aber versteht, dass die Deutschen auf ihre Art feiern und das viel Alkohol getrunken wird. Auf keinen Fall wollen Frauen angebaggert oder bedrängt werden. Auch nicht wenn sie nur wenig Kleidung tragen. Das ist hier so üblich.”
Wir kritisieren diese Hinweise stark! Ihre Veröffentlichung reproduziert in vielfacher Weise rassistische Stereotype.
Ein grundsätzliches Statement gegen besoffene und nicht besoffene Grabscher jeglicher Nationalität oder Sprachgruppe, ein Statement gegen sexistische Übergriffe bei Bochum Total wäre sicherlich sinnvoll. Wir wünschen uns eine Erklärung über ihr Konzept, wie sie als Veranstalter generell sexuelle Übergriffe verhindern wollen. Anstelle einer klaren Positionierung gegen sexuelle Gewalt auf ihrem Festival, richten sie sich in ihrer Erklärung jedoch nur an eine von ihnen willkürlich ausgewählte Personengruppe: Der Titel „Für unsere arabisch sprechenden Gäste“ signalisiert, dass alle arabischsprachigen Gäste – und nur sie – diese Informationen und Verhaltenstipps dringend benötigen, da sie sonst die Persönlichkeitsrechte von „Deutschen“ missachten. Der Satz „das die Deutschen auf Ihre Art feiern“ verdeutlicht zudem, dass arabischsprechende Menschen keine Deutschen sind und dass ausschließlich diese Gruppe zu sexistischen Übergriffen neigt. Die schöne Formulierung „(die) sich erst eingewöhnen müssen“ stellt dann gleich noch klar, dass Menschen die arabisch sprechen, bisher ein anderes Verhalten gewöhnt sind: Sie suggerieren, dass diese von Ihnen konstruierte Personengruppe bislang nicht die Rechte von Frauen beachtet, sondern diese belästigt und bedrängt hat.
Zu guter Letzt impliziert „Verhaltet Euch zurückhaltend…“ dass Aufdringlichkeit und Übergriffigkeit gleichsam zum Naturell arabischsprechender Menschen gehört.
Ein so kurzer und gleichzeitig so undifferenzierter Text mit so vielen rassistischen Generalisierungen und Stereotypen ist selbst für uninformierte Medienmacher eine wahre Meisterleistung.
Wir erwarten von einem der größten Festivals Deutschlands und Wahrzeichen der Stadt in der wir leben eine klare Distanzierung und klare Haltung gegen Rassismus und Sexismus in unserer Gesellschaft.
Unterzeichner*innen:
Initiativen, Organisationen und Parteien:
Amnesty International Bochum
Bahnhof Langendreer
Begegnungscafé Lysa
Bochumer Forum für Antirassismus und Kultur – BoFo e.V.
Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Bochum
Der Paritätisch NRW- Kreisgruppe Bochum und Herne
DIDF
DIDF Jugend Bochum
Die Linke (Amid Rabieh, Duygu Kamali, Christian Leye)
Fraktion DIE LINKE. im Rat der Stadt Bochum
Endstation Kino
Feminismus im Pott
Foodsharing Bochum
Grüne Ratsfraktion (Astrid Platzmann-Scholten, Manfred Preuß)
IFAK e.V.
Infoladen Notstand e.V.
Kampagne Flucht ist kein Verbrechen
Kinder- und Jugendring Bochum e.V.
KostNixLaden Bochum
Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.
Netzwerk Steinkuhl
PlanB Ruhr e.V.
Planungsgruppe Lennershof
Refugee Strike Bochum
Ronahi e.V.
Soziales Zentrum Bochum
Treffpunkt Asyl
Verein Angekommen e.V.
WorldBeatClub – Tanzen und Helfen e.V.
Aus Kunst und Kultur:
Alex Leiffheidt
Café Eden
Compania Bataclan
Die Freedes
Frank Grewers
Guy Dermosessian (Kalakuta SoUL)
Jan Feuer (Goldene Zeiten)
Jonathan Ludwig (Spontan Bochum)
Karsten Buhr
Karsten Stienecke
Marcell Grewers
Patrick Ritter
Radio El Zapote
Prinz-Regent-Theater
Tim Müller ( DJ Team Schwarze Katze Weißer Kater)
Einzelpersonen: Carola Frackowiak
Cornelia Weskamp
Barbara Jessel
Bernd Vössing
Birgit Landgraf
Daniel Krause
Jonathan Ludwig
Karin Pries
Katja Arndt
Kirsten Heining
Maria Wargin
Monique Kaulertz
Natascha Frankenberg
Nicky Ulrich
Thomas Döring
Ximena León
Sorge um das „Wahrzeichen Bochums“
Ein auf puren Kommerz ausgerichtetes Festival bei dem es nur darum geht der Stadt Bochum und ihrer Gastronomie die Taschen zu füllen wird hier als „buntes, kostenloses Fest für alle Bürger*innen in Bochum“ schöngeredet.
Die knallharten Kapitalisten, die seit Jahren alle Straßen und Plätze privatisieren, die die nicht-zahlungskräftigen Menschen aus der City vertreiben, die sich im übertragenen Sinne vom Geld der ALG II BezieherInnen ein Konzerthaus gönnen, die die Gentrifiziereung der Innenstadt und der angrenzenden Randbezirke vorantreiben und die mit ihrem „buy or die“ der Innenstadt Bochums ihren brachialen, inhumanen, utilitaristischen Stempel aufdrücken setzen mit ihrem Bo-Total Spektakel all dem die ultimativ Kommerz-Krone auf. Diese Herrschaften, denen man zu Recht unterstellen kann, dass ihnen die Hautfarbe derjenigen Menschen die sie ausbeuten gleich ist. Diese Herrschaften werden in diesem Pamphlet geadelt und Bo-Total zum „Wahrzeichen Bochums“ deklariert.
Ich gehe seit Jahren nicht mehr in die Bochumer Innenstadt, wenn dieses Sauf- und Pöbelgelage namens Bo-Total stattfindet. Man könnte sagen ich werde exkludiert, aus der Innenstadt vertrieben.
Was soll progressiv sein, wenn man kein Eintritt auf einer Konsummeile zahlen soll? (Schon mal nachgedacht, warum der Zugang zu Bo-Total kostenlos ist? Es wäre wohl kaum verwaltungsrechtlich zu organisieren eine ganze Innenstadt über mehrere Tage zu privatisieren. Aber hier wird die verwertungsorientierte Okkupation der Innenstadt zur Komplett-Konsum-Meile als „gratis“ Akt, als „umsonst und draußen“ schön geredet.) Mit meiner Abstinenz zu Bo-Total umgehe ich ein Wochenende mit herumziehenden Nazigruppen, aggressiv-sexistischen Machotypen, hohlfrasierenden Alkohol- und Speed-kiddies, vollgekotzten Bürgersteigen, etc..
Ein „buntes, kostenloses Fest für alle Bürger*innen in Bochum“? Ich wundere mich, dass Bo-Total hier als kulturelle Bereicherung ausgezeichnet wird.
Anstatt zu betonen, dass ein solches durch und durch geldgeiles Spektakel genau die Dummheit und Brutalität hervorbringt, die ihm zwangsläufig inne wohnt. Anstatt Herrschafts- und Kapitalismuskritik zu üben und den integrierten Rechtspopulismus als Topic zu thematisieren. Anstatt dessen wird hier Markus Gloria und der Stadt Bochum der Bauch gepinselt. Meint eigentlich irgendjemand, dass man durch eine derart staatstragende Schleimerei gehört oder respektiert wird?
Antirassismus heißt auch Antikapitalismus!
mit anarchistischen Grüßen