Freitag 20.11.15, 16:43 Uhr
Die Medizinische Flüchtlingshilfe zu den Regierungsplänen zum Asylrecht

Unrecht und Willkür wird
Recht und Gesetz


Für die Medizinische Flüchtlingshilfe (MFH) stellt der Entwurf zum 2. Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz einen frontalen Angriff auf Menschenrecht, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit dar. In ein Erklärung der MFH heißt es:» Am 16.11.2015 hat die Bundesregierung den ersten Entwurf zum zweiten Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vorgelegt. Mehr noch als das erste Gesetz vom 16.10.2015 konkretisiert dieser Gesetzentwurf die Politik der massiven Flüchtlingsabwehr und weitet die Verweigerung des Zugangs zu rechtsstaatlichen Asylverfahren auf zahlreiche weitere Flüchtlingsgruppen aus. Eilverfahren würden mit dieser Gesetzesverschärfung in Zukunft die Regel, der Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten dauerhaft eingeschränkt und die Abschiebung unter anderem von schwer erkrankten Menschen vereinfacht werden.
Folgender Fall wäre  ist nach dem derzeitigen Stand des Gesetzesentwurfes denkbar: Ein Folterüberlebender aus einem nicht als sicher eingestuften Herkunftsland, der unter den körperlichen, wie auch seelischen Folgen der Misshandlung leidet, reist ohne Pass (§30a Abs. 1.4 Entwurf) und „unrechtmäßig“ (§30a Abs. 1.8 Entwurf) nach Deutschland ein, mit dem Ziel hier Asyl zu beantragen. Einen legalen Einreiseweg zu diesem Zweck gibt es nicht. Nach seiner Ankunft beantragt er Asyl. Aus Scham und Angst vor Stigmatisierung oder aufgrund von Misstrauen oder Unkenntnis berichtet er nicht von der Folter bzw. äußert sich nur indifferent. Er wolle ein neues, besseres Leben beginnen (§30a Abs. 1. 1 Entwurf). Daraufhin wird er in eine „Besondere Aufnahmeeinrichtung“ verbracht. Der Antrag wird innerhalb einer Woche abgelehnt (§30a Abs. 2). Er hätte eine Woche Zeit um Klage einzureichen und ein Eilverfahren zu betreiben. Da in der Kürze der Zeit keine qualifizierte Rechtsberatung möglich war, verstreicht diese Frist. Zwar ist der Betroffene in der Einrichtung auffällig gewesen und die Sozialarbeiter vermuten eine Traumatisierung. Ein Arzt von der Liste des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bescheinigt jedoch die Reisefähigkeit. Es liege keine lebensbedrohliche Krankheit vor (§ 60 Abs. 1.1 Entwurf AufenthG). Der Flüchtling wird daher in die Hände seiner Folterer zurückgeschoben.
Als Therapiezentrum für Überlebende von Folter und Krieg weiß die Medizinische Flüchtlingshilfe nur zu gut, dass es zu genau diesen Fallkonstellationen kommen wird, wenn mit dem zweiten Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz Unrecht und Willkür in den Stand von Recht und Gesetz erhoben werden. Der derzeitige Entwurf kollidiert zudem frontal mit den gültigen Bestimmungen der EU. Nach der EU-Aufnahmerichtlinie sind besonders schutzbedürftige Flüchtlinge zu identifizieren, und ihnen muss eine entsprechende Behandlung und Hilfestellung sowie besondere Verfahrensgarantien gewährleistet werden (Artikel 22 EU2013/33/EU in Verbindung mit Artikel 31.7b EU2013/32/EU). Aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der UN Konvention gegen Folter ergibt sich der absolute Schutz vor Abschiebung in Folterstaaten. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Ärztelisten von Ausländerbehörden vor allem solche Ärzte umfassen, die im Sinne des Aufenthaltsrechts und nicht im Sinne der PatientInnen begutachten.«