Donnerstag 15.10.15, 12:33 Uhr
66. Jahrestag der Gründung der DDR

Und der Zukunft zugewandt 5


Das DDR-Kabinett Bochum führt am kommenden Samstag, den 17. Oktober eine Festveranstaltung  zum 66. Jahrestag der Gründung der DDR durch. Die FDP (um 10 Uhr)  und die Grüne Jugend (um 9.30 Uhr) rufen zu Protestaktionen gegen die Veranstaltung auf.  Die FDP schreibt auf ihrer Webseite: „Der Gründungstag eines Willkürstaates ist kein Grund zum Feiern. Die DDR, die freie Wahlen, freie Meinungsäußerung und eine unabhängige Justiz auf ihrem Staatsgebiet verhindert hat, darf nicht verklärt werden. Eine Relativierung und Rechtfertigung des riesigen Repressions- und Spitzelapparates der Stasi und der damit erzwungenen Anpassung an ein systemkonformes Verhalten hat in Bochum keinen Platz.“ Auf der Blogseite des DDR-Kabinetts wird dazu ein LeserInnenbrief veröffentlicht, in dem es u. a. heißt: » Ausgerechnet die FDP hat es nötig, sich zum Thema DDR aus dem Fenster zu lehnen.
Vielleicht ist es Herrn Rademacher auch gar nicht bekannt, dass 1990 die Mitglieder der LDPD der DDR und der NDPD der DDR nahezu nahtlos in die FDP übernommen wurden […] Natürlich wollte man sich auch das Parteivermögen aus DDR-Zeiten nicht entgehen lassen. So führte die FDP einen jahrelangen Streit und einigte sich Ende 1995 auf 4,8 Millionen DM in bar und zwei Grundstücke im Ostseebad Zinnowitz und in Dresden im Wert von rund 1,5 Millionen DM.«
Die Grüne Jugend schreibt auf ihrer Webseite: »Aus unserer Sicht war hingegen die DDR antikommunistisch! In ihr wurden linke Kritiker*innen des Regimes verfolgt, gefoltert und weggesperrt. Die Deutsche Demokratische Republik war nicht kommunistisch; sie war ein autoritärer, staatsmonopolkapitalistischer Staat […] Wir rufen alle linken, emanzipatorischen und demokratischen Menschen dazu auf, sich dem DDR-Nationalismus am kommenden Samstag Ecke Castroperstraße 195, 1. Parallelstraße ab 9:30 Uhr entgegenzustellen.«
Das DDR-Kabinett schreibt dazu auf seiner Webseite: »Die Versuche unsere, nicht öffentliche Veranstaltung, zu behindern, zu denunzieren oder Proteste zu organisieren, sind und werden ins Leere laufen. Diese Auseinandersetzung, mit wenigen Bochumer „Zeitgenossen“, wird von uns inhaltlich beantwortet werden. Dazu laufen gerade die Vorbereitungen.«


5 Gedanken zu “Und der Zukunft zugewandt

  • Volker

    Vielleicht sollte man vor dem Eingang zum Tanzlokal einfache eine Mauer bauen. Wer besorgt den Zement?

  • Ralf Feldmann Autor des Beitrags

    Leserbrief zu „Und der Zukunft zugewandt“

    Die FDP und die Jungen Liberalen und die Grüne Jugend wollen mit durchaus unterschiedlichen Inhalten am Samstag vor Ort gegen die stalinistische Vergangenheitspolitik der DDR-Freunde aus West und Ost protestieren. Die größeren Parteien halten sich offenbar bedeckt. Bei ihnen wiederholt sich eine Einstellung, die ich in meinem politischen Leben sehr häufig – gerade auch in Bochum – in der öffentlichen Nicht-Auseinandersetzung mit Neonazis erlebt habe: Ewiggestrige verdienen keine öffentliche Aufmerksamkeit. Frei nach Karl Valentin: „Gar nicht erst ignorieren!“ Nun sind die Unterstützer des „DDR-Kabinetts“ aber sehr heutige Menschen, die im linken Spektrum der Bochumer Politik durchaus mitmischen. Mich betrübt zutiefst, das für so mache „linken“ Freunde des „DDR-Kabinetts“ in Bochum ihre Verbundenheit mit den DDR-Verklärern aus der DKP und ihrem Umfeld so wichtig ist, dass sie die Menschenrechte beim Rückblick auf die DDR ganz vergessen und eine Festveranstaltung zu ihrer Erinnerung nicht weiter schlimm finden.

    Die Ratsfraktion der Linken ist bekanntlich in der Debatte über die Änderung der Schulraumnutzungsbedingungen sogar dafür eingetreten, dem „DDR-Kabinett“ für seine DDR-Feiern weiterhin Schulen zu öffnen. Wahrscheinlich ist das der engen Oppositionsgemeinschaft mit dem DKP-Mitglied Günter Gleising geschuldet, dessen Partei die treibende Kraft hinter dem „DDR-Kabinett“ ist. Dagegen – und zum Protest gegen die Festveranstaltung – habe ich einen Resolutionsantrag an die Mitgliederversammlung der Bochumer Linken eingebracht, der eng an die vergangenheitspolitische Beschlusslage der Linkspartei angelehnt ist. Der Antrag stammt vom 3. September. Die turnusmäßige Mitgliederversammlung in der letzten Septemberwoche – rechtzeitig vor der DDR-Feier – ließ der Kreisvorstand ausfallen. In der Einladung für den 21. Oktober findet sich mein Antrag nicht. Kreissprecher Amid Rabieh teilte mir auf Nachfrage mit, zu diesem Zeitpunkt sei mein Antrag ja bereits durch Zeitablauf erledigt.

    Folgenden Resolutionsantrag enthält der Kreisvorstand der Linken den Mitgliedern bislang vor:

    „Der Geburtstag der DDR ist kein Grund zum Feiern. Die Linke lernt aus der Geschichte. Anspruch linker, emanzipatorischer Politik ist es immer, aus der Vergangenheit, aus der eigenen Geschichte Schlussfolgerungen für Gegenwart und Zukunft zu ziehen, aus Erfolgen wie aus Niederlagen. Das gilt umso mehr für das Scheitern des realen Sozialismus im 20. Jahrhundert. Die DDR ist nicht an der Blockkonfrontation und der Übermacht ihrer Gegner, sondern an den eigenen Mängeln und am Unrecht in Politik und System, am systematischen Misstrauen ihrer politischen Führung gegenüber den eigenen Bürgerinnen und Bürgern gescheitert und auch an den mangelhaften Fähigkeiten ihres Wirtschaftssystems, den Konsumbedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. Der Versuch, einen sozialistischen Staat aufzubauen, musste misslingen vor allem wegen eines eklatanten Mangels an Demokratie und der Missachtung elementarer Bürgerrechte.

    Es gab in der DDR keine Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, keine unabhängigen Gewerkschaften, keine unabhängige Justiz, schon gar nicht gegen staatliche Willkür. Freie Parteigründungen und freie Wahlen waren unmöglich, und wer den Wehrdienst verweigerte, musste mit schweren Nachteilen rechnen. Obrigkeitsgehorsam war Voraussetzung für ein Studium, Wissenschaft und Kunst hatten dem System zu dienen. Menschen, die ihren Staat verlassen wollten, wurden strafverfolgt, eingesperrt, auf der Flucht erschossen; das letzte der 872 Todesopfer starb noch 1989. Auf ihrem Parteitag 1989 hat sich die SED-PDS, eine Vorgängerpartei der Linken, bei der Bevölkerung der DDR für das von der DDR begangene Unrecht entschuldigt und einen Prozess der unwiderruflichen Trennung von stalinistischen Traditionen der SED begonnen.

    Für den Kreisverband Bochum der Linken sind Freiheit und Sozialismus untrennbar. Wir wenden uns deshalb entschieden gegen den Versuch, die Menschenrechtsverletzungen und –verbrechen der DDR mit einer „Festveranstaltung“ zum Tag ihrer Gründung vergessen machen zu wollen und damit ihre Opfer zu verhöhnen. Diese unerträgliche Tradition darf sich in unserer Stadt nicht verfestigen. Eintreten für die Grund- und Menschenrechte und Widerstand gegen alle, die Menschenrechtsverletzungen und Menschenrechtsverbrechen relativieren, schönfärben, rechtfertigen oder gar gutheißen: das gehört für uns in Bochum zu guter demokratischer Tradition.

    Manche wollen in diesen Tagen die Grenzen in Europa wieder mit Zäunen und Stacheldraht „dicht machen“, damit Fliehende, die Kriegen, Hunger und existenzieller Not entkommen wollen, uns nicht mehr erreichen können. Diese herzlose Aussperrung der Hilfesuchenden wäre ebenso empörend wie die „Festveranstaltung“ zur Feier eines Regimes, das Menschen mit Mauern, Zäunen und Todesmaschinen einsperrte und sie erschießen ließ, wenn sie die menschenfeindliche Grenze überwinden und aus diesem Staat fliehen wollten.

    Wer die DDR feiern will, ist in Bochum nicht willkommen.“

    Noch weigere ich mich mir vorzustellen, dass die Mitglieder der Kreisverbandes Bochum der Linken – in Solidarität mit dem „DDR-Kabinett“ – über all dies achselzuckend zur Tagesordnung übergehen. Auf der Blogseite des „DDR-Kabinetts“ stimmen inzwischen unerschütterliche Alt-Stalinisten aus dem Grab heraus die Festgemeinde auf die linientreue Sicht der Dinge ein. Am ärgsten finde ich die Beiträge von Karl Eduard von Schnitzler, des früheren Chef-Ideologen des DDR-Fernsehens (am 7.Oktober), und von Rolf Vellay (am 11.Oktober).
    Ob Honecker und Ulbricht noch folgen?

    Ralf Feldmann

  • Andreas Maluga

    Besonders die FDP, die gerade auf ihrer Website den „Moltkemarkt“ preisen, gegen den Ralf Feldmann ebenfalls die Proteste (zurecht) organisiert, als Bündnispartner zu gewinnen ist schon ein starkes Stück. Im Antikommunismus vereint spielt es für Ralf Feldmann wohl auch keine Rolle, wenn auf der „Gästeliste“ der FDP/Junge Liberale auch Leute stehen, die in AfD Werbespots auftreten. Wie vereinbart sich das mit seiner Mitarbeit im „Bündnis gegen Rechts“?

    Aber eigentlich sind wir für diese Kampagne dankbar. Soli-Schreiben erreichen uns im Minutentakt, Anmeldungen ganzer Kreisvorstände der Linkspartei aus dem Ruhrgebiet liegen nun vor und der ehemalige IGM-Bevollmächtigte von Köln und der amtierende ver.di Bezirksvorsitzende aus Hamburg finden es sicher gut, von Ralf Feldmann, als „Stasi“-Kader oder Stalinisten verunglimpft zu werden.

    Und die Menschen, die aktiv im linken Bochumer Spektrum mitmischen, sind mittlerweile eigentlich nur noch genervt von den Aktionen des Ralf Feldmann.

    Vor allem sind wir gespannt, ob er in nächster Zeit als Diskussionsteilnehmer bei uns auf dem Podium sitzen wird oder ob der Stuhl für Dr.Ralf Feldmann dann leer bleibt.

    • Ralf Feldmann

      Wenn das, was in der DDR war und was morgen gefeiert werden soll, Kommunismus war,dann bin ich Antikommunist. Wenn dann tatsächlich ganze Parteivorstände der Linkspartei aus dem Ruhrgebiet die DDR mitfeiern, wäre das ein perfider Bruch mit dem, was die Partei als Ergebnis der innerparteilichen Diskussion nach außen erklärt. Das kann man oben im ersten Absatz meines Resolutionsantrags nachlesen.

      Ich werde sicher nicht auf der Veranstaltung eines Vereins auf dem Podium sitzen, der ein System, das an seinen Menschenrechtsverletzungen und -verbrechen gescheitert ist, in einer Festveranstaltung feiert.

      Ralf Feldmann

  • Wolfgang vom Ubu

    Was ich gerade las in der Süddeutschen vom 29.09.2015 , Seite 10 :
    „Laura Weissmüller :
    Welche Qualitäten würden Sie dem DDR-Design zuschreiben ?
    Günter Höhne :
    Vor allem den Wunsch, aus dem Vorhandenen das Optimum zu machen, gerade vor dem Hintergrund der Rohstoffarmut. Kurze Produktzyklen waren Teufelswerk. Es ging vielmehr darum, Gebrauchswerte so anzulegen, dass sie auch wirklich lange gebraucht werden. Sollbruchstellen waren bei uns nicht denkbar. Ein Beispiel für dieses Prinzip der „endlosen“ Nutzung sind die Superfestgläser, die 1980 in die Massenproduktion gingen. Das Glas, an dem Forscher lange gearbeitet haben, war superleicht, stapelbar und fast bruchsicher. Wenn man das aus einer Höhe von 1,5 Meter fallen lässt, dann geht es nicht kaputt, sondern springt wieder hoch. Was die Produkte noch abgehoben hat, war die Reparaturfreundlichkeit. Zum Beispiel das Rührgerät RG 28. Wenn Ihnen das in die Rührschüssel fällt, dann brauchen Sie nur vier Schrauben zu lösen. Das kann jeder mit einem einfachen Schraubenzieher. Zumal wir ja Reparaturunterricht an der Schule hatten, und zwar Mädchen wie Jungen.“

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