Die Staatsanwaltschaft hat dem Verantwortlichen von bo-alternativ.de mitgeteilt, dass das von der Oberbürgermeisterin gegen ihn angestrengte Strafverfahren eingestellt worden ist. Ottilie Scholz hatte Strafanzeige erstattet, weil das obige Motiv in einem Beitrag auf bo-alternativ.de veröffentlicht worden war, der darüber informierte, wie die Stadt Bochum durch ihren Jugendamtsleiter die offensive Teilnahme der Bundeswehr an der Berufsbildungsmesse rechtfertigt. Siehe auch Meldungen vom 4. 12. 14 und vom 2. 1. 15. In ihrer Anzeige hatte die Oberbürgermeisterin die Veröffentlichung als “eine nicht mehr tolerierbare und strafrechtliche relevante Verunglimpfung des Jugendamtsleiters” bezeichnet.
Unklar ist, was die OB mit der Anzeige bezweckte. Wollte sie nur ihren rumquängelnden Amtsleiter beruhigen, der wegen der Bundeswehrteilnahme an der Messe – wie es in der Anzeige heißt – “immer wiederkehrend von der Bochumer Friedensbewegung kritisiert” wird? Sollte die Anzeige nach den massenhaften Hausverboten gegen die Protestierenden im Vorjahr nur ein neuer Versuch der Kriminalisierung der Friedensbewegung sein? Es ist nicht auszuschließen, dass die OB ernsthaft der Ansicht war, Erfolg mit der Anzeige zu haben und es im Rathaus keine qualifizierten JuristInnen gibt, die sie beraten.
Auch die Bochumer Staatsanwaltschaft hat sich in diesem Fall nicht mit Ruhm bekleckert. Hier hat zunächst die “normale” Staatsanwaltschaft den Fall bearbeitet und den Staatsschutz der Polizei – also die politische Abteilung der Polizei – mit Ermittlungen beauftragt. Als dies durch Akteneinsicht offenkundig wurde, hat der Anwalt des Beschuldigten die Staatsanwaltschaft darauf aufmerksam gemacht, dass doch wohl auch bei ihr die politische Abteilung für die Bearbeitung zuständig sein müsste. Tatsächlich hat dann die zuständige Abteilung den Fall übernommen und noch drei Monate gebraucht, um zu erkennen, dass nach der herrschenden Rechtsprechung in politischen Auseinandersetzungen selbst erheblich heftigere Angriffe nicht strafbar sind.
Während der Dauer der Ermittlungen hat sich die OB mehrfach sehr ambitioniert für Pressefreiheit und für das Recht, mit satirischen Darstellungen Dinge zu zuspitzen, ausgesprochen. Sie müsste jetzt nur erklären, ob diese Einstellung nur für Paris oder auch für Bochum gelten soll.
Die Strafanzeige war gemessen an der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte evident unschlüssig. Das war für jeden Staatsanwalt und jede Staatsanwältin mit Grundkenntnissen im Straf-und Verfassungsrecht sofort zu erkennen. Ein Ermittlungsverfahren, das einen Betroffenen als Beschuldigten leicht hätte einschüchtern können, hätte gar nicht erst eröffnet werden dürfen. Vielmehr hätte die Staatsanwaltschaft der Oberbürgermeisterin gleich mit Rückpost klar machen müssen, dass sie die Meinungsfreiheit nicht respektiert. Warum nur hat sie den Betroffenen so lange schmoren lassen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Martin Budich geschmort hat. Es ist richtig: Jemand anderes hätte es leicht einschüchtern können. Ich habe von Martin Budich auf einer Veranstaltung mal gehört, dass er es für die denkbar beste Lösung hält, wenn Politik, Justiz und Polizei sich an ihm abarbeiten. Er sei beruflich und familiär so unabhängig, dass er es im Vergleich zu anderen politisch Aktiven am leichtesten verkraften kann, wenn derartige Repressionsversuche gestartet werden. Und er war sich auch sicher, dass er sich auf eine ziemlich große Solidarität verlassen kann. Das sei eine schöne Belohnung für die ansonsten nervige Angelegenheit. Ich hoffe, dass er das wirklich so sieht und sich die Sache nicht schönredet. Mich würde das enorm belasten, wenn ständig solche Kriminalisierungsaktionen gegen mich liefen.
Dass die Staatsanwaltschaft ein halbes Jahr verzweifelt danach sucht, ob die Anzeige der OB nicht doch irgendwie zu einer Anklage gegen ihn reicht, finde ich naheliegend. Seit der Niederlage im Tortenprozess wird wahrscheinlich auf Rache gesonnen. Ich erinnere mich noch an den ersten Tortenprozess. Da hatten ein “normaler” Staatsanwalt auf Freispruch plädiert, der dann auch beschlossen wurde. Die “politische” Staatsanwaltschaft hatte dann anschließend Revision beantragt. Es folgte drei oder vier weitere Prozesse bis zum endgültigen Freispruch. So etwas wird es wahrscheinlich nur alle paar Jahre im gesamten Bundesgebiet geben.
Bei einem der Prozesse hatte es einen Kommentar eines WAZ-Redakteurs gegeben, in dem es sinngemäß hieß: Die Justiz hat bei politischen Prozesse immer die Möglichkeit sich zu blamieren. Dies hat sie reichlich genutzt.
Dieses Mal hat sie ihre Möglichkeit, sich völlig zu blamieren nicht ausgeschöpft und das Verfahren nach einem halben Jahr eingestellt. Seien wir optimistisch und interpretieren wir das als Lernfortschritt.
Das ist ja Realsatire pur! Da schreibt doch Ralf Feldmann tatsächlich: “Vielmehr hätte die Staatsanwaltschaft der Oberbürgermeisterin gleich mit Rückpost klar machen müssen, dass sie die Meinungsfreiheit nicht respektiert.” Und zwei Tage später sorgt er mit Hilfe der Ratsmehrheit und der Oberbürgermeisterin dafür, die Meinungsfreiheit für ihn mißliebige Vereine einzuschränken und am liebsten abzuschaffen.
Andreas Maluga, sein DDR-Kabinett und seine Stasi-Freunde in Ost und West können selbstverständlich, solange sie menschenrechtsfeindliche Lust dazu haben, das Arbeiter- und Bauern-Paradies DDR lobpreisen und zu ihren Menschenrechtsverbrechen einfach mal danke sagen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt dieses öffentliche Bedürfnis von Betonkommunisten aus DKP, Stasi und Teilen der Linkspartei durchaus. Die Stadt Bochum ist aber nicht verpflichtet, ihnen dabei zu helfen. Menschenrechte, Demokratie und Menschenfreundschaft müssen das Leben in unseren Schulen prägen. Da darf es außerhalb des Unterrichts keinen Raum für das DDR-Kabinett geben, das Gegenteil zu propagieren.