Mit Ehrengräbern bezeugt die Stadt Bochum ihren von Nationalsozialisten ermordeten Widerstandskämpfern Hochachtung und Dankbarkeit. Diese Ehre sollte nach dem Wunsch der Bochumer CDU auch Josef Hermann Dufhues erhalten. In der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses zog die CDU-Fraktion ihren Antrag überraschend zurück, weil, so Ratsmitglied Franz, dafür keine Mehrheit zu erwarten sei. In einer einige Tage zuvor veröffentlichten Stellungnahme hatte ich mich gegen den Antrag ausgesprochen, weil Dufhues der Reiter-SS angehört und in der vergangenheitspolitischen Diskussion der Nachkriegszeit eine Amnestie für alle in politischen Zusammenhängen, auch im Zusammenhang mit dem Krieg begangenen Straftaten gefordert habe – gemeinsam mit dem SS-Haupttäter Werner Best und dem Essener FDP-Landtagsabgeordneten Ernst Achenbach, im Krieg in Frankreich mit Organisation der Deportation von Juden nach Auschwitz befasst, beide mit großem eigenen Interesse an der Straffreiheit für Nazi-Verbrecher.
Nachdem CDU-Ratsmitglied Franz bereits bei der Antragsrücknahme im Ausschuss bemerkt hatte, Rechtsanwälte würden sich mit meiner Kritik befassen, reagiert die Bochumer CDU darauf auf ihrer Internetseite mittlerweile mit heftigen Beschimpfungen. In der Sache behauptet sie, Dufhues habe der Reiter-SS allenfalls kurze Zeit angehört; auf meine Kritik an dem Schlussstrichkämpfer Dufhues geht sie nicht ein. Die vehemente Reaktion der Bochumer CDU lässt befürchten, dass sie ihren Antrag bei zukünftig möglicherweise günstigeren politischen Konstellationen erneut stellen wird. Ich werde dem neuen Rat nicht angehören. Deshalb habe ich in einem Schreiben an alle Ratsmitglieder meinen Standpunkt noch einmal zusammengefasst. Dieses Schreiben und meine ursprüngliche Stellungnahme sind angehängt.
Das ist für mich entscheidend: Bochum gedenkt seiner von Nationalsozialisten ermordeten Widerstandskämpfern mit Ehrengräbern. Wer für ihre Peiniger zusammen mit Nazi-Schergen Straffreiheit forderte, ist gleicher Ehre nicht würdig.
Das Schreiben von Raf Feldmann an die Oberbürgermeisterin und alle Ratsmitglieder:
Kein Ehrengrab für Josef Hermann Dufhues
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die CDU-Ratsfraktion hat ihren für die letzte Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses gestellten Antrag, Josef Hermann Dufhues mit einem Ehrengrab der Stadt zu ehren, zurückgenommen. Mit einer öffentlichen Stellungnahme, die ich noch einmal beifüge, hatte ich mich wenige Tage zuvor gegen diesen Antrag ausgesprochen. Herr Kollege Franz begründete die Rücknahme damit, dass der Antrag, wie sich im Vorfeld gezeigt habe, keine Mehrheit finden werde. Dabei übte er scharfe, allerdings inhaltlich nicht näher konkretisierte Kritik an meiner Ablehnung, mit der Rechtsanwälte befasst seien. Mittlerweile reagiert die CDU Bochum auf ihrer Internetseite mit Beschimpfungen: Meine Stellungnahme sei „verleumderisch“, „ehrabschneidend“, „unerträgliche Demagogie“, „historisch abenteuerlich“, „strafrechtlich bedenklich“, „moralisch verwerflich“. Ich möchte den Rat nicht gern mit solchen Nachrufen verlassen und überlasse es mit Blick auf die unstreitigen und durch zeitgeschichtliche Forschung gesicherten Fakten getrost Ihrem Urteil , wie diese Aufregung einzuordnen ist. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die CDU in einer veränderten politischen Landschaft ihren Antrag erneut einbringt. Deshalb fasse ich den Kern meiner Ablehnung noch einmal zusammen.
Grund für die Erregung der CDU ist mein Hinweis auf eine Mitgliedschaft in der Reiter-SS. Dass Dufhues dort seit 1933 Mitglied war, ist im Bundesarchiv unter Bestand SS-Führer, Josef Hermann Dufhues (Eintrag in der SS-Stammrolle Nr. R4/6 146 v.28.2.1934 dokumentiert und wird von ihm selbst in einem Lebenslauf für erklärungsbedürftig gehalten und erklärt, den er 1946 seinem Antrag auf Wiederzulassung als Rechtsanwalt beifügte. Clemens Kreuzer vermutet dazu, dass Dufhues keinen Aufnahmeantrag gestellt habe, sondern kollektiv mit einem Reiterverein aufgenommen worden sei, dem er als junger Jurist in Berlin angehört habe.
Sicher hat Dufhues – in Berlin ganz besonders – die Anfangsverbrechen des Regimes und seiner Hilfstruppen SA und SS, die sich in aller Öffentlichkeit abspielten wahrgenommen: die Vertreibung jüdischer oder politisch missliebiger Richter aus den Gerichten oder von Professoren aus den Universitäten ebenso wie die Verfolgung der politischen Gegner, die Besetzung ihrer Partei- und Gewerkschaftshäuser, Verhaftungen und Misshandlungen auf offener Straße und Verschleppungen in die ersten wilden Konzentrationslager. Sebastian Haffner, damals Referendar am Kammergericht in Berlin, hat dies in seiner „Geschichte eines Deutschen“ aus bürgerlicher Perspektive eindrucksvoll und einfühlsam beschrieben. Für den jungen Juristen Dufhues aber war das alles kein Anlass, Distanz zur verbrecherischen Staatsmacht zu wahren. Es war keine Reiterfolklore, sondern ein Zeichen von Loyalität zum Regime, wenn er sich in seine Hilfstruppe einreihte, gewiss nicht in die Mörder- und Schlägerabteilung, sondern, um der Expertise der Konrad Adenauer Stiftung zu folgen, in vornehme Gesellschaft vorwiegend deutschnational denkender Herrenreiter aus dem Hoch- und Erbadel und dem gehobenen Bürgertum, die auf diese Weise dabei sein wollte.
Entlastet sieht die CDU Dufhues dadurch, dass er bereits 1934 nach dem Röhm-Putsch aus dem SS-Reitersturm ausgetreten bzw. ausgeschlossen worden sei. Die Mordaktionen des Röhm-Putsches, denen unter Führung der SS nicht nur große Teile der SA-Führung, sondern auch zahlreiche Gegner der Nationalsozialisten zum Opfer fielen, hätten ihn veranlasst, die Beitragszahlungen einzustellen und den Austritt zu erklären. Als Beleg dafür dient der Lebenslauf aus dem Jahr 1946, ein Selbstzeugnis. Ich halte solche Erklärungen aus Verfahren zur Wiedererlangung oder Festigung einer bürgerlichen Existenz oder auch in Entnazifizierungsverfahren nicht per se für unbeachtlich, auch wenn es in diesem Zusammenhang in der Nachkriegszeit sicher Hunderttausende geschönte oder falsche Darstellungen Betroffener oder hilfsbereiter Dritter zur Glättung kompromittierender biographischer Details aus der Nazizeit gibt. Die Beweiskraft solcher Selbstzeugnisse ist deshalb nicht so groß, dass bereits sie historische Wahrheit verbürgen würden. Clemens Kreuzer und die Bochumer CDU sind recht mutig, wenn sie gleichwohl von „Klarheit“ sprechen. Die Wissenschaftler der Konrad Adenauer Stiftung sind offenbar vorsichtiger: Noch anlässlich des 100.Geburtstages von Hermann Josef Dufhues vor sechs Jahren hielten sie es für richtiger, sein „Lebensbild“ erst nach dem 2. Weltkrieg beginnen zu lassen.
Wenn die Verbrechen des Röhm-Putsches Dufhues tatsächlich Anlass zu Umkehr und Distanz gaben, dann finde ich keine Erklärung dafür, dass er 1951 nach der Hölle unserer Geschichte im „Vorbereitenden Ausschuss zur Herbeiführung der Generalamnestie“ ein Amnestiegesetz für „alle in politischen Zusammenhängen, auch im Zusammenhang mit dem Krieg begangenen Straftaten“ forderte. Dies in einem Boot mit dem SS-Haupttäter Werner Best, der gerade im Röhm-Putsch sein verbrecherisches Profil schärfte und bald als juristischer und intellektueller Kopf der SS und rechte Hand von Himmler und Heydrich sein großes Potential an Menschenverachtung und Vernichtungswillen entfalten konnte, mit am Steuer Ernst Achenbach (FDP), dessen Essener Mentor der Nachkriegszeit, der in der deutschen Botschaft in Paris mit der Deportation französischer Juden in die Vernichtungslager des Ostens beschäftigt war – beide mit großem Interesse an eigener Straffreiheit und Amnestie. Zu diesen Schlussstrichkämpfern – auch der damalige Essener CDU-Oberbürgermeister Hans Toussaint war dabei – finden sich beweiskräftige Hinweise in dem Buch „Vergangenheitspolitik“, der schon 1996 veröffentlichten Bochumer Habilitationsschrift des renommierten Zeithistorikers Norbert Frei, die Verbrechen und Verstrickungen der Mitstreiter Best und Achenbach sind etwa in der Best-Biographie von Ulrich Herbert und in der von Conze, Frei, Hayes und Zimmermann herausgegebenen Geschichte des Auswärtigen Amtes im Dritten Reich und der Bundesrepublik („Das Amt und die Vergangenheit“) beschrieben. Das scheint auch die CDU Bochum zu überzeugen. Auf diesen Teil meiner Kritik an ihrem Antrag geht sie mit keinem Wort ein; die historische Expertise der Adenauer-Stiftung schweigt dazu.
Dieser Punkt ist für mich aber der entscheidende: Bochum gedenkt seiner von Nationalsozialisten ermordeten Widerstandskämpfer mit Ehrengräbern. Wer zusammen mit Nazi-Schergen für ihre Peiniger Straffreiheit forderte, ist gleicher Ehre nicht würdig.
Ich grüße Sie mit der Zuversicht, dass die Mehrheit des Rates der Stadt Bochum dies – auch in Zukunft – genauso sieht.
Ralf Feldmann
Mich hatte interessiert, wo etwas über die SS-Mitgliedschaft von Herrn Dufhues im Netz zu finden ist und bin dabei auf folgenden Link gestoßen:
http://www.niqel.de/bredel/news/NRW.pdf
Da werden allerhand Leute aus dem NRW-Landtag genannt, die möglicherweise, überprüfen konnte ich das nicht, Mitglied in der NSDAP oder einer anderen Nazi-Organisation waren.
Ausser dem Innenminister Dufhues wird dort auch ein Name genannt, der samt Geburtstag auf einen weiteren NRW-Innenminister, diesmal jedoch aus der SPD, passen würde.
Davon hatte ich bisher noch nie was in der Zeitung gelesen oder sonstwo gehört. Der junge Herr soll damals – wohl zusammen mit vielen anderen seines Jahrgangs – am 20. April 44 – also Hitlers Geburtstag – mit gerade einmal 17 Jahren in die Partei eingetreten sein.
Da Walser, Hildebrandt, Jens, Lenz & Co. damals durch die Presse gingen frage ich mich, wieso diese Quelle bisher nirgendwo diskutiert wird.