Freitag 17.01.14, 16:45 Uhr
Praxis der Abschiebehaft in NRW widerspricht Europarecht

Flüchtlinge entkriminalisieren –
Abschiebehaft abschaffen


„853 Tage –  so lange saßen Flüchtlinge in NRW allein im letzten Halbjahr unrechtmäßig in Abschiebehaft. Das haben der Bundesgerichtshof und verschiedene Landgerichte in NRW festgestellt“, schreibt der Flüchtlingsrat NRW in einer Pressemitteilung. Weiter heißt es: »Der Flüchtlingsrat NRW fordert das Innen- und das Justizministerium NRW auf, ab sofort auf die Anwendung der Abschiebehaft zu verzichten. Die Abschiebehaft kriminalisiert Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, außer, dass sie nicht daran mitwirken wollen, in die ausweg- und perspektivlose Situation ihres Herkunftslandes zurückzukehren. Zudem verletzt sie in den meisten Fällen das Grundrecht auf Freiheit der Person, denn die Prognose, ob sich jemand tatsächlich einer Abschiebung entziehen möchte, ist höchst unsicher. Für den Flüchtlingsrat NRW ist es unverständlich, dass ausgerechnet in NRW die Zahl der Abschiebehaftgefangenen auch noch regelmäßig deutlich höher ist als in allen anderen Bundesländern.
Ob Abschiebehaft für Flüchtlinge – eine so genannte Sicherungshaft, um das „Abtauchen“ abgelehnter Asylsuchender vor einer drohenden Abschiebung zu verhindern – überhaupt rechtmäßig sein kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Menschen, die keine Straftat begangen haben, wird die Freiheit entzogen und sie werden teilweise über Monate inhaftiert. In Nordrhein-Westfalen kommt erschwerend hinzu, dass Abschiebegefangene zusammen mit Strafgefangenen in der JVA Büren untergebracht werden.
Der gemeinsamen Unterbringung von Strafgefangenen mit Abschiebegefangenen widerspricht Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie), in dem es heißt: „Die Inhaftierung erfolgt grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen. Sind in einem Mitgliedstaat solche speziellen Hafteinrichtungen nicht vorhanden und muss die Unterbringung in gewöhnlichen Haftanstalten erfolgen, so werden in Haft genommene Drittstaatsangehörige gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht.“  Im offenen Widerspruch zu dieser Richtlinie hält NRW jedoch an dieser Praxis fest. So beschloss zuletzt das LG Paderborn am 07.01.2014 (AZ 5T429/13), dass die Inhaftierung eines Abschiebehäftlings in der JVA Büren rechtmäßig sei. Andere Amts- oder teilweise sogar Landgerichte haben die Abschiebehaft in NRW hingegen längst für unzulässig erklärt.
Der Flüchtlingsrat NRW e.V. lehnt Abschiebehaft entschieden ab und tritt daher für eine sofortige  Abschaffung ein. „Wir würden es sehr begrüßen, wenn die zuständigen Ministerien Alternativen zur Abschiebehaft entwickeln, die nicht mit einer Freiheitsentziehung einhergehen. In der Zwischenzeit muss indes zumindest das Trennungsgebot beachtet werden. Straf- und Abschiebehäftlinge dürfen in Vollzugsanstalten nicht gemeinsam untergebracht werden!“  betont Heinz Drucks, Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates NRW.«