Montag 08.04.13, 08:05 Uhr

Militante Nazis in Bochum vor Gericht


Am Freitag, den 12. April, findet um 9.30 Uhr im Saal C 140 des Bochumer Amtsgerichts der Prozessauftakt gegen die Neonazi-Brüder Sven (25) und Jan Kahlin (20) statt. Eine Gruppe Bochumer Antifas schreibt zu diesem Prozess: »Die beiden sowie weitere Mitglieder der „Skinheadfront Dortmund-Dorstfeld“ hatten am 26. Juni 2011 in einer Bar im Bochumer Bermuda3eck im Rahmen eines „Junggesellenabschieds“ gegen vermeintliche Linke gepöbelt und einen Gast mit Faustschlägen traktiert. Nachdem die gerufene Polizei lediglich Platzverweise gegen die Nazis ausgesprochen hatte, verübte die Gruppe am Hauptbahnhof einen weiteren tätlichen Übergriff auf eine andere Person. Sven Kahlin, der 2005 den Punker Thomas „Schmuddel“ Schulz erstochen hatte, war im Herbst 2010 vorzeitig auf Bewährung aus der Haft entlassen worden, da ein Gutachter der Meinung war, er habe sich aus der rechten Szene gelöst und von ihm ginge keine Wiederholungsgefahr aus. Eine fatale Fehleinschätzung, pflegte Kahlin doch während seiner der gesamten Haftzeit Kontakt zu seinen Kameraden und wurde von der „HNG“ – einem Hilfsnetzwerk für Nazis im Knast (dessen Vorsitzende bis zum Verbot 2011 Daniela Wegener aus Wattenscheid war) intensiv betreut. Nur kurze Zeit nach seiner Haftentlassung trat Sven Kahlin auf einer Nazi-Kundgebung als Redner auf und zeigte sich dort mit einem T-Shirt mit dem Slogan „Was sollten wir bereuen?“. Getreu dieses Mottos handelte Kahlin, der seit seiner Mordtat große Anerkennung in der Nazi-Szene genießt, in den Folgemonaten: Neben weiteren Gewalttaten beteiligte er sich am brutalen Angriff auf Gäste der alternativen Kneipe „Hirsch-Q“ im Dezember 2010 in Dortmund. Ein Verhandlungsbeginn hierzu ist noch nicht in Sicht, da das Dortmunder Landgericht „momentan überlastet“ ist. Zur Zeit verbüßt Sven Kahlin eine 21-monatige Haftstrafe, da er 2011 auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der „Skinheadfront“ zwei türkischstämmige Jugendliche grundlos zusammengeschlagen hatte. Weder beim Mord an Thomas „Schmuddel“ Schulz, noch beim Überfall am Dortmunder Weihnachtsmarkt mochte das Gericht eine „politische“ Tat erkennen.
Auch Jan Kahlin ist kein unbeschriebenes Blatt: Seit seinem 15. Lebensjahr ist er zu zahlreichen Jugendstrafen wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Widerstand und Beleidigung verurteilt worden. Sowohl beim Überfall auf die Hirsch-Q als auch beim Übergriff auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt war er mit dabei, kam allerdings mit einer Verwarnung und einem Wochenende Freizeitarrest davon, da ihm lediglich nachgewiesen werden konnte, eine junge Frau bespuckt zu haben, die er als Linke ausgemacht hatte.
Als autonome Antifaschist_innen geht es uns nicht darum, eine möglichst hohe „Bestrafung“ für die Gebrüder Kahlin zu fordern. Zum einen, weil das Wegsperren von Nazis nicht selten dazu führt, dass diese gestärkt aus der Haft hervorgehen, zum anderen, weil wir eine freie und solidarische Gesellschaft anstreben, in der Knäste keinen Raum haben. Vielmehr möchten wir auf die Gefahr militanter – und mordender – Neonazis hinweisen und einer gesellschaftlichen Gleichgültigkeit, besonders dann, wenn es sich bei den Opfern um „Punks“ oder Menschen mit Migrationshintergrund handelt, und Entpolitisierung ihrer Taten entgegenwirken. Deshalb wollen wir auf den kommenden Nazi-Prozess diejenige Aufmerksamkeit lenken, die er verdient und rufen antifaschistische Prozessbeobachter_innen und Journalist_innen dazu auf ihn kritisch zu begleiten.«
Fortsetzungen des Prozesses sind für den 17.04., 24.04. und 26.04. angesetzt.
Das Polit-Cafe Azzoncao hat auf linksunten.indymedia.org ebenfalls eine Einschätzung zum Prozess veröffentlicht.