Donnerstag 12.07.12, 22:20 Uhr
Erneute klammheimliche Aktion von Jobcenter und Sozialamt:

Neue Hartz-IV-Mietobergrenzen


Bochum-Prekär informiert: »Nachdem die Stadt Bochum bereits im Februar 2012 neue Wohnungsrichtlinien für Hartz IV- und Sozialhilfe-/Grundsicherungsberechtigte erlassen hat, ohne den Rat, den Sozialausschuss, die Beratungsstellen und die Öffentlichkeit in Kenntnis zusetzen, haben sie am 21. Juni 2012 auch neue Mietobergrenzen (MOG) festgelegt – wiederum ohne darüber zu informieren. Dabei hat die Leiterin des Amtes für Soziales und Wohnen, Frau Dr. Ott, noch einen Tag zuvor im Sozialausschuss zugesagt, Änderungen zukünftig zeitnah mitzuteilen. Die neue MOG-Tabelle, Anmerkungen zum Hintergrund und Links zu den neuen Regelungen im Folgenden.

Die neuen Richtwerte für die Bruttokaltmiete:

> 1-Personen-Haushalt: 50 m² x 7,12 € = 356,00 €
> 2-Personen-Haushalt: 65 m² x 6,93 € = 450,45 €
> 3-Personen-Haushalt: 80 m² x 6,93 € = 554,40 €
> 4-Personen-Haushalt: 95 m² x 6,93 € = 658,35 €
> 5-Personen-Haushalt: 110 m² x 6,93 € = 762,30 €.

jede weitere Person jeweils 15 m² (103,95 Euro) mehr.
Quelle: Wohnungskosten-Infos Sozialamt und Jobcenter Bochum (1)
(Zu berücksichtigen ist, dass Alleinerziehenden, Eltern(-teilen), die regelmäßig von ihren nicht im Haushalt lebenden Kindern besucht werden, und Menschen mit Behinderungen ggf. mehr Wohnraum zusteht.)
Bereits im Frühjahr haben das Sozialgericht Dortmund und das Landessozialgericht Essen das Jobcenter und damit die Stadt Bochum in Kenntnis gesetzt, dass die örtlichen Wohnungsrichtlinien nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entsprechen und die Stadt kein sog. „schlüssiges Konzept“ zur Ermittlung der Mietobergrenzen vorweisen kann. Das Konzept muss nämlich nachweisen, dass zu den angegebenen Preisen auch tatsächlich angemessener Wohnraum in Bochum in verschiedenen Stadtteilen anmietbar ist. Das geht nicht mit einem Verweis auf einen Mietspiegel, der zudem auf Daten zurückliegender Jahre beruht.
Als Übergangsregelung erlaubt das Bundessozialgericht, vorübergehend auf die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes zurückzugreifen, zuzüglich eines zehnprozentigen Sicherheitsaufschlags. Zulässig ist auch, in die Ermittlung der MOG die sog. „kalten Betriebskosten“ (ohne Heizkosten) einzubeziehen und eine sog. „Bruttokaltmiete“ zur Grundlage der Angemessenheitsgrenze zu machen. So macht es neuerdings die Stadt Bochum als „Richtlinienverantwortliche“. Im Grunde ist diese Regelung vorteilhaft, da sich für viele Betroffene die Flexibilität bei der Wohnungssuche erhöht: eine höhere Grundmiete kann ggf. durch niedrigere Betriebskosten ausgeglichen werden, und umgekehrt.
Das enthebt die Stadt Bochum aber nicht der Verpflichtung, ein „schlüssiges Konzept“ zur Ermittlung der MOG zu erarbeiten. Ob das mit den beschränkten eigenen Kräften möglich ist, ist fraglich, die Beauftragung eines auswärtigen Institutes kann mehrere hunderttausend Euro Kosten verursachen.
Zu erinnern wäre hier an das Vorhaben aus 2006, die neue KdU-Richtlinie in Zusammenarbeit der qualifizierten Öffentlichkeit zu erstellen, insbesondere mit Betroffenenvertretungen, Wohlfahrts- und Sozialverbänden, Gewerkschaften, Mieterverein und Vermietervereinigungen. Auch dazu wären wissenschaftliche empirische Erhebungen Voraussetzung.
Die provisorische Ermittlung der MOG mit Hilfe der Wohngeldtabelle (Single: 330 Euro + 33 Euro „Sicherheitsaufschlag“) und des NRW-Betriebskostenspiegels (2) birgt ohnehin so manche Unsicherheiten in sich: es bleibt fraglich, ob alle Haushaltsgrößen auf diese Weise mit Wohnraum versorgt werden können. Bei einer Anwendung des Betriebskostenspiegels dürfen keine Anteile herausgerechnet werden. Ohnehin gilt dieser Spiegel nur als Vergleichsmaßstab und nicht als feste Grenze. Er beruht auf Preisen, die in 2009 erhoben worden sind. Bekanntlich sind die Betriebskosten seit dem ganz erheblich gestiegen. Wer also eine neue Wohnung sucht, kann Ärger mit dem Jobcenter vermeiden, wenn er/sie sich an die angegebenen Grenzwerte hält. Wer bei Eintritt in den Bezug von Hartz IV-Leistungen bereits in der gewünschten Wohnung wohnt, muss sich daran aber nicht orientieren. Wenn die Wohnkosten vom Jobcenter als zu teuer eingestuft werden, sollte bald  eine Beratungsstelle und/oder eine sachkundige Rechtsanwaltskanzlei aufgesucht werden. In aller Regel hat das Jobcenter schlechte Karten, einen Umzug zu erzwingen.
Adressen von Beratungsstellen und Anwaltskanzleien über:
Tel. 0234 – 460 169 oder e-mail: Bo-prekaer@t-online.de
Norbert Hermann für Bochum-Prekär

Link: www.bo-alternativ.de

(1) Wohnungskosten-Info Sozialamt Bochum (s.u.)
http://www.bochum.de/C12571A3001D56CE/vwContentByKey/W28RVDTT962BOLDDE/$FILE/auszug_kdu.pdf

Wohnungskosten-Info JC Bochum:
http://www.jobcenter-bochum.de/fileadmin/filebase/bochum/Downloadcenter/Jobcenter/Informationen_zu_Ihrem_Umzugswunsch__-_Stand_Juni_2012.pdf

(1) NRW-Betriebskostenspiegel
http://www.mieterforum-ruhr.de/de/themen/wohnkosten/nebenkosten/index.php/art_00002304

Weitere Informationen zum Thema:

Bericht über die Sitzung des Sozialausschusses vom 21.07.2012: „Sozialverwaltung lenkt ein“:
http://www.linksfraktion-bochum.de/nc/aktuell/aktuell/meldungsarchiv/detail/zurueck/aktuell-005c58d104/artikel/sozialverwaltung-lenkt-ein-1/

Die Richtlinie „KOSTEN DER UNTERKUNFT (KdU)“ vom Februar 2012:
http://www.bochum.de/C12571A3001D56CE/vwContentByKey/N26XT8XM306HGILDE/$FILE/kdu.pdf
Bei der Richtlinie handelt es sich um ein seit den achtziger Jahren stückchenweise verändertes Papier, dass zum Februar 2012 per PDF-Stückelei grundsätzlich neu, widersprüchlich und unübersichtlich gestaltet wurde.

Anderswo wird besser gearbeitet. Ein Beispiel für „good practice“ in Verwaltungsarbeit bietet die entsprechende Richtlinie des Kreises Kleve (auch wenn wir aus rechtlicher und sozialpolitischer Sicht nicht mit allem Einverstanden sein können – 633 kb):
http://www.kreis-kleve.de/www/hbsweb.nsf/files/%C2%A722%20Erg%C3%A4nzende%20Regelungen%20zur%20MAGS-Arbeitshilfe/$file/Erg%C3%A4nzende%20Regelungen%2019.06.2012.pdf

BSG und SG DO zur KdU-Praxis in Bochum:
http://www.bo-alternativ.de/2012/05/16/mehr-miete-fuer-hartz-iv-betroffene/
http://www.bo-alternativ.de/2011/11/11/jobcenter-bochum-nicht-in-einklang-mit-der-rechtsprechung/

Stadt Bochum: Auszug aus der Verfügung “Kosten der Unterkunft”

Anerkennungsfähige Kosten der Unterkunft für Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB XII im Bereich des Jobcenters Bochum bzw. der Stadt Bochum
Die im Leistungsrecht des SGB II und SGB XII anzuerkennenden Kosten der Unterkunft (KdU) werden in Bochum nach der sog. “Produkttheorie” ermittelt. Hierbei wird aus dem Produkt
abstrakte Quadratmeterzahl x (abstrakter Quadratmeterpreis + pauschale kalte Betriebskosten) = Richtwert.
ein Richtwert für die Bruttokaltmiete gebildet.
Die angemessene Wohnungsgröße wird nach landesrechtlichen Vorschriften festgelegt und beträgt für:
< 1 Person bis zu 50 m²
< 2 Personen bis zu 65 m²
< 3 Personen bis zu 80 m²
< 4 Personen bis zu 95 m²
jede weitere Person jeweils 15 m² mehr.

Hieraus ergeben sich unter Berücksichtigung der nach dem zurzeit gültigen Bochumer Mietspiegel anzuerkennenden Mietpreise und des Betriebskostenspiegels NRW für sozialhilferechtlich relevanten Wohnraum folgende Richtwerte für die Bruttokaltmiete:
< 1-Personen-Haushalt: 50 m² x 7,12 € = 356,00 €
< 2-Personen-Haushalt: 65 m² x 6,93 € = 450,45 €
< 3-Personen-Haushalt: 80 m² x 6,93 € = 554,40 €
< 4-Personen-Haushalt: 95 m² x 6,93 € = 658,35 €
< 5-Personen-Haushalt: 110 m² x 6,93 € = 762,30 €.
Sofern der Richtwert nicht überschritten wird, kann die Wohnfläche nach oben oder unten abweichen.
Dem so ermittelten Richtwert werden zur Ermittlung der Gesamtmiete anschließend die Heizkosten und die Kosten für die Warmwasserbereitung (sofern an den Vermieter zu zahlen) hinzugerechnet. Die anzuerkennende Gesamtmiete errechnet sich also wie folgt:
Richtwert + Heizkosten + Warmwasserkosten = KdU
Weitere, speziell einen Einzelfall betreffende Fragen, können in einem Beratungsgespräch beim Amt für Soziales und Wohnen, der zuständigen Bezirksverwaltungsstelle oder dem Jobcenter Bochum besprochen werden.
Stand 06/2012; Quelle:
http://www.bochum.de/C12571A3001D56CE/vwContentByKey/W28RVDTT962BOLDDE/$FILE/auszug_kdu.pdf
Anmerkung: es handelt sich nicht um einen „Auszug“, sondern um eine Vorwegnahme eines Solchen.«