Dienstag 12.06.12, 22:05 Uhr
Bochum darf jubeln – und zahlen

Public-Private Partnership Viewing


In der morgen erscheinenden Ausgabe  Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung (BSZ) gibt es wieder eine Reihe von spannenden Beiträgen. Berichtet wird z. B. über die Dominanz von Ultra-Rechten bei den Burschenschaften oder den Festivalsommer im Revier. Am dieser Stelle dokumentieren wir einen sehr lesenswerten Beitrag von Carsten Marc Pfeffer über das Geschäft und das Sponsoring beim öffentlichen Fußball-Gucken im Westpark:  »Über 100 Sicherheitskräfte, noch einmal genauso viel Servicepersonal, 84 Toiletten und Urinale sowie eine 77 Quadratmeter große Videowand: Gut 9.000 BesucherInnen sind nach offizieller Zählung zum ersten EM-Public Viewing in den Bochumer Westpark gekommen – 6.000 weniger als laut Auflagen des Ordnungsamts in den Park hinein gelassen werden sollten. Die VeranstalterInnen ziehen dennoch eine positive Bilanz. Wieviel Geld aus öffentlichen Haushalten das Spektakel verschlingt, wollen die Verantwortlichen allerdings lieber nicht verraten.
Es herrschen strenge Auflagen im Bochumer Westpark: Da, wo sonst nach Belieben gepicknickt werden darf, müssen nun alle schon beim Betreten des Parks die Taschen öffnen. Nicht nur Glasflaschen sind verboten, sondern anders als auf anderen Fanmeilen auch Tetrapacks, Plastikflaschen und Butterstullen. „Aus Sicherheitsgründen“, sagen die Verantwortlichen – aber wahrscheinlich wohl auch, um das einzige Geschäftsmodell abzusichern, dass es auf der Großveranstaltung gibt: Den Essens- und Getränkeverkauf.

Gefährliche Butterstullen?
Über die Gefährlichkeit von Butterstullen und Getränken in Papptüten darf man getrost geteilter Meinung sein. Trotz dieser Maßnahmen ist allerdings nicht davon auszugehen, dass das Public Viewing ein kommerzieller Erfolg wird. Soll es auch gar nicht, vielmehr ist die Veranstaltung  über den Umweg eines städtischen Tochterunternehmens öffentlich finanziert. „Sparkassen-Fankurve“, so lautet der offizielle Name des zum Sicherheitstrakt verwandelten Parks. Das Namenssponsoring macht klar, an wen die Rechnung für die Großveranstaltung geschickt wird. „Das Public Viewing ist ein Geschenk der Sparkasse an die Stadt“, wird Marcus Gloria nicht müde zu betonen. Der bochumer Event-Manager, der mit der Organisation der Sommerfeste an der Ruhr-Uni groß wurde, und der bereits seit 26 Jahren das inzwischen bundesweit größte Innenstadtfestival „Bochum Total“ veranstaltet, zeichnet sich auch für das Public Viewing verantwortlich.

Über die Kosten soll geschwiegen werden
Wie viel Geld die Sparkasse allerdings in die Hand nimmt, um das schwarz-rot-goldene Rudelgucken im Westpark zu ermöglichen, das will zur Eröffnung der Fankurve lieber niemand verraten. Zu präsent sind wohl noch die Diskussionen darüber, dass sich das städtische Tocherunternehmen bis vergangenes Jahr einen umstrittenen millionenschweren Profi-Radrennstall leistete, aber gleichzeitig Hartz-IV-EmpfängerInnen ein gebührenfreies Sozialkonto verweigerte – angeblich, weil dafür kein Geld da sei. Auch stand das öffentlich-rechtliche Geldunternehmen dafür in der Kritik, dass es zusammen mit den ebenfalls städtischen Stadtwerken zwei Millionen Euro für das bochumer Konzerthaus spendete. Schließlich müssen kommunale Tochterunternehmen ihre Überschüsse in den klammen städtischen Haushalt abführen. Dass die Millionen für das Konzerthaus trotzdem nicht als zusätzliche städtische Subvention, sondern als „Spende“ klassifiziert worden sind, hielten Viele für einen Etikettenschwindel – schließlich war im Vorfeld versprochen worden, dass die Stadt nur 2,4 Millionen Euro Eigenanteil für das Konzerthaus aufbringen müsse.
Auch aktuell steht die Sparkasse in dieser Angelegenheit wieder unter Beobachtung – denn weil die Stiftung Bochumer Symphonie trotz der städtischen Millionenspenden noch immer nicht genug Spendengelder für das Musikzentrum eingeworben hat, wird nun diskutiert, ob die Sparkasse für weitere 2,7 Millionen Euro an bisher ausgebliebenen Spenden bürgen soll. Sollten die Spenden weiter ausbleiben, hätte sich damit bereits vor Beginn des Baus der städtische Anteil an den Kosten von 2,4 auf 7,1 Millionen Euro erhöht. Angesichts all dieser Diskussionen ist es kein Wunder, dass die Sparkasse aktuell am liebsten jeglichen kontroversen Debatten über ihr Spenden- und Sponsoringgebaren die Grundlage entziehen will, indem sie mit genauen Zahlen zumindest freiwillig erst einmal nicht an die Öffentlichkeit geht.

Privatisierte Sicherheit
Eines jedoch kann man der Stadt im Zusammenhang mit dem Public Viewing nicht vorwerfen – nämlich, dass sie über ihr Tochterunternehmen Sparkasse ein weiteres Elitenprojekt finanzieren würde. Auch wenn die Kapazitätsgrenze von 15.000 Personen beim Auftakt längst nicht erreicht wurde: In den Westpark strömen die Massen – und lassen auch die Getränke- und Essensverbote weitgehend geduldig über sich ergehen. „Spaß ohne Glas“ auf dem Campusfest, Innenstadtverbote für Menschen mit Glasflaschen während „Bochum Total“ – an Sonder-Sicherheitszonen mit privatem Securitypersonal auch im eigentlich öffentlichen Raum haben sich die Meisten inzwischen scheinbar gewöhnt. Der Sachzwang des Spektakels wird dabei kaum in Frage gestellt.«