Freitag 02.03.12, 13:53 Uhr
Bericht der Linksfraktion über die gestrige Ratssitzung

„Politisches Trauerspiel“


Gestern hat der Rat seinen Beschluss, dass es in diesem Jahr keine verkaufsoffenen Sonntage in Bochum geben wird, zurück genommen. In einem sehr ausführlichen Bericht über die gestrige Sitzung bezeichnet die Linksfraktion dies als „politisches Trauerspiel“. Außerdem wird über folgende Themen berichtet: Das Verbot von Glasflaschen bei Fußballveranstaltungen in den Bochumer Stadien, die geplanten Einschränkungen von Möglichkeiten in Grünanlagen zu grillen, die Ausschreibung des  Architekturwettbewerbs für das geplante Musikzentrum (Konzerthaus),  die jährliche Anfrage zu Widersprüchen und Klagen gegen das Jobcenter, Ursachen für das geringe Interesse am „Sozialticket“ und schließlich eine Anfrage, warum der Sozialausschuss nicht über die Überarbeitung der Richtlinie für die Kosten der Unterkunft informiert wurde.

Verkaufsoffene Sonntage

Am heftigsten umstritten war die Wiederholungsvorlage zu den verkaufsoffenen Sonntagen. Obwohl es kein einziges neues Argument gab, hat vor allem die SPD-Fraktion einen Schwenk vollzogen und diesmal mit großer Mehrheit für die Verkaufsoffenen Sonntage gestimmt. Ihre eigenen BedenkenträgerInnen hat sie mit einer offensichtlich unverbindlichen Absichtserklärung auf Kurs gebracht. Die Linke blieb selbstverständlich bei ihrem Nein.

Am 2. Februar hat der Rat mit knapper Mehrheit beschlossen, in Bochum keine verkaufsoffenen Sonntage zu genehmigen. Was dann folgte, ist für uns ein politisches Trauerspiel: Der Einzelhandel akzeptiert das Votum des Rates nicht und macht Druck auf Verwaltung und Politik. Die Verwaltung schlägt sich eindeutig auf die Seite des Einzelhandels. Sie verfasst eine Beschlussvorlage, die die Wünsche des Einzelhandels eins zu eins aufgreift. In der ersten Runde des Ältestenrates werden Kirchen und Gewerkschaften gar nicht erst eingeladen. Ihre Positionen seien bekannt. Es folgt ein Kompromiss mit 9 statt 13 Sonntagen, den der Rat gestern mit großer Mehrheit mitgetragen hat. Damit hat diese Mehrheit des Rates die Glaubwürdigkeit der Bochumer Kommunalpolitik schwer beschädigt.

Die Debatte um Ex-Bundespräsident Wulff hat gezeigt, dass die Bevölkerung die Einflussnahme von Wirtschaft und Industrie auf die Politik sehr kritisch sieht. Zu Recht. Der derzeitige Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik wird durch solches Einknicken vor dem Einzelhandel nur befördert.

Glasverbot und Grilleinschränkungen

Die Bochumer Sicherheitsverordnung wurde in den Fachausschüssen seit Monaten diskutiert und sollte überarbeitet werden. Neu vorgesehen war ein weitreichendes Glasverbot bei Fußballspielen in der Innenstadt und Wattenscheid. Dieses Verbot hielt unsere Fraktion für rechtlich fragwürdig und unnötig, da die Polizei bei Gefahr bereits Glasflaschen einziehen kann. Die Linksfraktion hat deshalb beantragt, das Verbot aus der Verordnung zu nehmen und damit eine intensive Debatte angestoßen. Heraus gekommen ist eine abgemilderte Version, die aber unsere Bedenken nicht ausräumen konnte.

Ein weiterer uns wichtiger Punkt sind in der Verordnung die Regelungen zum Grillen in öffentlichen Grünanlagen. Die Verwaltung hatte hier Sicherheitsabstände von 40 Metern von Bäumen und 60 Metern von Gebäuden vorgeschlagen, damit wäre das Grillen in kaum einer der Grünanlagen (außer vielleicht im Westpark) möglich gewesen, auch wenn die Rechtsdezernentin etwas anderes behauptet. Hierzu hatten wir ebenfalls einen Änderungsantrag gestellt, nämlich diese Abstandsregelungen ganz zu streichen. Auch hier wurde nachgebessert und zwar auf 20 und 50 Meter. Das ist besser, aber immer noch nicht gut. Aus diesem Grund haben wir der Vorlage nicht zugestimmt. Die Verbesserungen hätte es allerdings ohne unser Eingreifen nicht gegeben, auch wenn sich die Koalition diese nun auf ihre Fahnen schreibt.

Architekturwettbewerb Musikzentrum

Bereits im Haupt- und Finanzausschuss gab es eine ausführliche Debatte um das Musikzentrum. Die Argumente sind bekannt. Gestern ging es um die „Auslobung des Realisierungswettbewerbs“. Da wir, wie sehr viele andere Menschen in Bochum auch, den Bau des Musikzentrums wegen der unabsehbaren Folgekosten und des Risikos der Kostensteigerung ablehnen, haben wir diesem weiteren Schritt hin zu einem Millionengrab nicht mitgemacht und gegen die Vorlage gestimmt.

Widersprüche und Klagen gegen das Jobcenter

Unsere jährliche Anfrage zu Widersprüchen und Klagen gegen das Jobcenter ist zur gestrigen Sitzung beantwortet worden. Auch wenn in der Presse der leichte Rückgang der Klagen bejubelt wurde, bewegen sich die Zahlen sieben Jahre nach Einführung von Hartz IV weiterhin auf einem erschreckend hohen Niveau. In 2011 wurden 2.880 Widersprüche erledigt, davon waren 41 % ganz oder teilweise erfolgreich. Klagen wurden 615 in letztem Jahr erledigt. Bei den meisten kam es gar nicht zu einem Gerichtsentscheid, allein 569 wurden „durch andere Weise“ (z.B. durch Anerkenntnis, Rücknahme, Vergleich) erledigt. Davon hat das Jobcenter in 246 Fällen ganz oder teilweise nachgegeben, das sind 40 % aller Klagen. Von Entwarnung also keine Spur.

Werbung Sozialticket

Die Nachfrage nach dem neuen VRR-Ticket war in den ersten Wochen schlecht. Wir gehen davon aus, dass das vor allem an dem zu hohen Preis liegt. Aber wir glauben auch, dass die Werbung verbessert werden könnte und hatten nachgefragt, was die Stadt dafür tun könne. So wollten wir wissen, ob den Leistungsberechtigten nicht automatisch mit dem Bewilligungsbescheid auch die Berechtigungskarte geschickt werden könne. Die Antwort der Verwaltung lässt nicht darauf schließen, dass die Stadt an einem hohen Verbreitungsgrad des so genannten Sozialtickets interessiert ist. Für die Werbung sei der VRR zuständig. Die Berechtigungskarte werde nicht automatisch mit versandt, weil in der Pilotphase der Verwaltungsaufwand bewusst niedrig gehalten werde. Dass das für die Anspruchsberechtigten im Gegenzug einen hohen persönlichen Aufwand bedeutet und eine Hürde darstellt, spielt keine Rolle, Hauptsache die Angelegenheit wird formal korrekt abgewickelt.

Anfrage Richtlinie Kosten der Unterkunft

Über „Bochum-prekär“ hat die Linksfraktion erfahren, dass es eine überarbeite Richtlinie „Kosten der Unterkunft“ gibt. Diese Richtlinie wurde 2006 intensiv im Sozial- und Gesundheitsausschuss diskutiert und Änderungen beschlossen. Die aktuell überarbeitete Version ist dem jetzigen Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales nicht zur Kenntnis gegeben worden. Das ist für die Linksfraktion nicht verständlich, zumal es auch nach 2006 – gerade um die Angemessenheit der Heizkosten – große Auseinandersetzungen gab. Vor diesem Hintergrund haben wir gefragt, welche Passagen der KdU geändert wurden und wie. Und ob dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales noch eine Synopse (alt/neu) vorgelegt wird.