Sonntag 28.08.11, 12:45 Uhr
Trotz "Facharbeitermangels": Viele Unternehmen bleiben...

…ausbildungsunwillig und -unfähig


Die berufliche Bildung in Deutschland soll eigentlich weitgehend eine betriebliche Ausbildung sein, die durch die Berufsschule ergänzt wird. Seit Jahrzehnten funktioniert dieses Duale System jedoch nicht, weil viele Unternehmen und Betriebe ausbildungsunwillig und ausbildungsunfähig sind. Für die Arbeitsagentur Bochum bedeutet dies in ihrer letzten veröffentlichten Statistik vom Juli des Jahres, dass 1.166 BewerberInnen, die einen Ausbildungsplatz suchen, „unversorgt“ sind. Diese Zahl erfasst alle Ausbildungsplatz-Suchenden, also auch die, die in einer Warteschleife schon länger auf eine Lehrstelle warteten. Nicht erfasst werden ca. 1.000 Ausbildungsplatzsuchende, die von der Agentur als ausbildungsunfähig eingestuft werden. Wie dramatisch die Zahlen sind, zeigt auch die jährlich erhobene Untersuchung des Schulverwaltungsamtes Bochum. Hier werden „EntlassschülerInnen“ zu ihrer Ausbildungssituation befragt. Von den 581 HauptschülerInnen, die in diesem Jahr die Schule verlassen, haben demnach nur 85 (14,6 %) einen Ausbildungsplatz erhalten. 356 HauptschülerInnen gehen weiter zur Schule. Von ihnen geben vierzig Prozent (141) an, lieber eine Ausbildung absolvieren zu wollen. Schließlich bleiben noch 140 HauptschülerInnen, die keine Lehrstelle bekommen haben und nicht weiter zur Schule gehen. In wenigen Wochen werden Arbeitsagentur, Industrie- und Handelskammer und Handwerkskammer wieder ihre jährliche Ausbildungsbilanz-Pressekonferenz abhalten und berichten, dass alle diejenigen, die ausbildungswillig und ausbildungsfähig sind, eine Lehrstelle gefunden haben. Das ganze funktioniert so: Etliche merken, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als sich doch in eine schulische Warteschleife zu begeben. Andere nehmen einen Job an und der Rest wird statistisch von der Arbeitsagentur entsorgt. Ein Mitarbeiter der Arbeitsagentur schildert, wie das geht: „Ich habe aus Nürnberg Vorgaben, wie meine Zahlen aussehen sollen. Wenn ich noch zu viele Ausbildungsplatzsuchende habe, lade ich sie zwei Mal pro Woche vor. Sobald sie das nicht mehr einsehen und nicht erscheinen, kann ich sie als ausbildungsunwillig aus der Statistik streichen.“
Aus der Befragung des Schulverwaltungsamtes geht hervor, dass von den 2.165 Entlass-SchülerInnen 298 (13,9 %) einen Ausbildungsvertrag bekommen haben. Bei den Förderschulen waren es 5 von 155 (3,2 %), bei den Realschulen 125 von 755 (16,6 %) und bei den Gesamtschulen 83 von 674 (12,3 %).
In der Befragung gaben 49 AbgängerInnen ohne Ausbildungsvertrag an, dass sie eine Ausbildung in Aussicht haben und 107 bewerben sich weiterhin um eine Lehrstelle.