Die Linksfraktion im Rat hat einen ausführlichen Bericht über die Sitzungen des Haupt-/Finanzausschusses, des Umweltausschusses und des Ausschusses für Migration und Integration veröffentlicht. Dabei wird über folgende Themen berichtet: Gebührensatzungen, Übernahme der Evonik-Energiesparte durch Stadtwerke, Widerspruch beim Elterngeld, Baumschutzsatzung, Ja zur Aufnahme von Flüchtlingen.
Gebührensatzungen
Die Stadt erhebt für bestimmte Leistungen wie Straßenreinigung und Abwasser etc. Gebühren. Diese sollen einen möglichst hohen Deckungsgrad haben, damit die Stadt nicht auf den Kosten sitzen bleibt. Nicht zulässig ist es hingegen, mit Gebühren Gewinn zu erzielen, deshalb müssen die Gebühren jedes Jahr neu kalkuliert werden.
Generell ist die Linksfraktion mit den neu vorgelegten Sätzen einverstanden, doch in zwei Punkten haben wir gegen die Verwaltungsvorlage gestimmt: Zum einen sollen die Friedhofsgebühren erhöht werden, weil die allgemeinen Pflegearbeiten von Grünflächen, die gar nicht für Gräber genutzt werden, auf die Grabstellen umgelegt werden. Das kann zu Mehrkosten für Begräbnisse von mehreren Hundert Euro führen. Die Betroffen sollen dabei für etwas zahlen, was sie gar nicht nutzen. Zum zweiten haben wir nicht der Erhöhung der Marktgebühren zugestimmt, weil die Existenz vieler Märkte bereits in Gefahr ist. Weil es weniger Marktstände gibt, werden die Kosten auch auf weniger Marktleute umgelegt.
Das heißt, je mehr Marktstände verschwinden, desto teurer wird es für die verbliebenen. Angesichts des hohen Stellenwerts der Stadtteilmärkte sowohl in Hinblick auf die Nahversorgung als auch des sozialen Aspekts, hat die Linksfraktion gegen diese Erhöhung gestimmt. Die SPD hat für die Koalition argumentiert, dass nicht nur die einfache Bevölkerung für die Gebühren z.B. beim Abwasser aufkommen soll, sondern auch die Gewerbetreibenden. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, unverständlich ist allerdings, warum die SPD und auch die Grünen gegen unseren Antrag zur Erhöhung der Gewerbesteuer gestimmt haben. Das hätte wesentlich mehr Geld in die Stadtkasse gespült und trifft die Gewerbetreibenden je nach Gewinnlage, wer gut verdient zahlt mehr, wer wenig verdient, zahlt weniger oder sogar gar keine Gewerbesteuer. Das gilt für die Wochenmarktgebühren nicht.
Übernahme der Evonik-Energiesparte durch Stadtwerke
Ein Konsortium von 7 Stadtwerken plant die Übernahme der Evonik-Energiesparte. Darunter auch die Stadtwerke Bochum. Um dieses Geschäft abschließen zu können, bedarf es eines Ratsbeschlusses der beteiligten Städte. Die Linksfraktion hat über das geplante Geschäft bereits Mitte Oktober und Mitte November jeweils mit einer Pressemitteilung und auch in der letzten Ausgabe der Einblicke berichtet. Die Entscheidung ist ein schwieriger Abwägungsprozess, denn unbestritten birgt das Geschäft auch Risiken und Schattenseiten. Ziel ist es, die Energieversorgung stärker in die öffentliche Hand zurückzuführen (Stichwort: Rekommununalisierung), um so die Vormachtstellung der 4 Energieriesen zu brechen. Dies soll natürlich nicht auf Kosten der Umwelt geschehen, weshalb auch zurzeit an einem Begleitantrag gearbeitet wird, damit u.a. Umweltschutz und ArbeitnehmerInnenrechte abgesichert werden. Wegen weiteren Beratungsbedarfs wurde auf der gestrigen Hauptausschusssitzung der Tagesordnungspunkt ohne Votum auf die Ratssitzung am 16.12. verschoben.
Widerspruch beim Elterngeld
In der letzten Woche ist die Linksfraktion auf einen weiteren Fallstrick bei Hartz IV und dem Elterngeld gestoßen. Per Pressemitteilung haben wir darauf hingewiesen, dass ALG-II-BezieherInnen gegebenenfalls Ansprüche auf das Elterngeld aus dem Jahr 2010 verlieren. Die Bundesregierung streicht diese Leistung für sie zwar erst ab Januar 2011, doch auch Ansprüche für das laufende Jahr sind von der Kürzung bedroht. Hartz-IV-Betroffene hatten bisher die Möglichkeit, die ihnen für 14 Monate zustehenden Elterngeldleistungen zu halbieren und damit auf 28 Monate zu strecken. Diese Möglichkeit wird ab dem 01.01.2011 gestrichen, das heißt, dass sie die Mittel, die ihnen formal für 2010 zustanden, nicht mehr erhalten.
Für den Haupt- und Finanzausschuss hatten wir eine kurze Anfrage gestellt, ob die betroffenen Familien von der ARGE oder der Elterngeldkasse über diese Widerspruchsmöglichkeit informiert wurden. Gestern teilte die Sozialdezernentin mit, dass dies nicht der Fall gewesen sei, weil der Kreis der Betroffenen schwer zu ermitteln sei. Die SachbearbeiterInnen seien aber angehalten, bei „Verdachtsfällen“ unverzüglich telefonisch Kontakt aufzunehmen. Uwe Vorberg hakte nach, ob die Stadt Bochum nicht auf ihrer Website und über die Pressestelle öffentlichkeitswirksam auf die Problematik hinweisen könne, da die Widerspruchsfrist bei der Elterngeldkasse mit dem 31. Dezember abläuft. Dies wurde von Dezernentin Anger zugesagt. Hoffen wir, dass das ein entsprechendes Echo in den Medien findet, damit die Betroffenen ihre Ansprüche geltend machen können.
Baumschutzsatzung
Bereits im Umweltausschuss stand die Überarbeitung der Baumschutzsatzung auf der Tagesordnung. Durch die Baumschutzsatzung werden Nadelbäume und die meisten Laubbäume (ausgenommen Obstbäume und einige Laubbaumarten wie Birke und Pappel) mit einem Stammumfang von mindestens 80 cm geschützt. Wer einen solchen Baum fällen will, muss dies begründen und dann genehmigen lassen. Wird die Genehmigung erteilt, muss eine Ersatzpflanzung vorgenommen werden. Damit soll der Baumbestand in Bochum geschützt werden. Bäume tragen wesentlich zur Reduzierung von CO2, Staub und Lärm bei. Mit der Satzung werden vor allem ältere Bäume geschützt, weil diese durch Neupflanzung nicht einfach so zu ersetzen sind.
Nun wollte die Verwaltung aus Kostengründen die Nadelbäume aus der Baumschutzsatzung heraus nehmen. Das leuchtete uns nicht ein, woraufhin wir uns von einem Vertreter von pro grün e.V. über den Nutzen von Nadel- und Laubbäumen haben informieren lassen. Danach haben alle Bäume – auch die Nadelbäume – einen hohen Wert für den Klimaschutz. Im Umweltausschuss beantragte die Linksfraktion daraufhin Nadelbäume, Birke & Co. in der Baumschutzsatzung zu verankern. Wie schon so oft, konnte bzw. wollte die Koalition unserem Antrag nicht einfach zustimmen und stellte 10 Minuten vor Ausschussbeginn einen eigenen, der zwar die Nadelbäume aber nicht die weiteren Laubbäume unter Schutz stellt. Inhaltlich wurde nicht begründet, warum Birke & Co. nicht schützenswert sind.
JA zur Aufnahme von Flüchtlingen
Millionen schutzbedürftige Flüchtlinge weltweit befinden sich heute in einer ausweglosen Lage. Die Erstzufluchtländer sind meist arm und strukturell überfordert. Deshalb sieht Die Linke auch Deutschland in der Pflicht, Flüchtlingen Schutz zu bieten. Andere europäische Staaten und auch Kanada und die USA übernehmen in dieser Frage mehr Verantwortung. Wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen unterstützt auch Die Linke im Rat die Kampagne „save me – Flüchtlinge aufnehmen!“ und hatte dazu bereits im September im Migrationsausschuss einen Antrag eingebracht. Die Linksfraktion wollte damit erreichen, dass Bochum einen Appell an die Bundesregierung für ein Neuansiedlungsprogramm richtet und zudem die eigene Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen signalisiert. In dieser Frage hatte die SPD zunächst Beratungsbedarf angemeldet, doch in der Sitzung am vergangenen Dienstag empfahl der Ausschuss dem Rat einstimmig eine entsprechende Resolution zu verabschieden.
„[…] Übernahme der Evonik-Energiesparte durch Stadtwerke […] Dies soll natürlich nicht auf Kosten der Umwelt geschehen, weshalb auch zurzeit an einem Begleitantrag gearbeitet wird, damit u.a. Umweltschutz und ArbeitnehmerInnenrechte abgesichert werden. […]“
Ich bin ein wenig verwundert über die Formulierung. Absicherung ist leider etwas anders als eine Absichtserklärung (fängt wohl beides mit „absich“ an, hat aber ansonsten wenig gemeinsam)! Jedoch nichts anderes wird hier gerade zwischen SPD, GRÜNE und LINKE vereinbart: Eine vertraglich nicht abgesicherte Erklärung des Stadtrats, deren Verbindlichkeit gleich Null ist (die Verträge sind ja schon längst zwischen den Vorständen der Stadtwerke und Evonik hinter verschlossenen Türen ausgehandelt und können nur noch mit ja oder nein von den Stadträten abgenickt werden!).
Dass es sich bei den Beschlüssen des Rates um nichts anderes als eine unverbindliche Absichtserklärung handelt, macht sogar der Mitarbeiter der Bochumer LINKEN Ratsfraktion Thorsten Jannoff in einem Artikel in „Politische Berichte – Zeitschrift für linke Politik“ sehr deutlich:
„[…] Von der Forderung nach der Verankerung der ökologischen Nachhaltigkeit in den Verträgen ist das Bündnis [linker Fraktionen aus den beteiligten Städten und dem Regionalverband Ruhrgebiet (RVR) sowie dem Wahlkreisbüro Ulla Lötzer] mittlerweile abgerückt, weil nachträgliche Änderungen im Vertragswerk allein schon aus verfahrenstechnischen Gründen nicht möglich sind. […] Deshalb will das linke Bündnis wenigstens erreichen, dass die Stadträte Absichtserklärungen beschließen. […]“
Ich möchte als Mitglied der Bochumer LINKEN an dieser Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, was wir den WählerInnen in Bochum in unserem Kommunalwahlprogramm bzgl. unserer Energiepolitik sehr explizit versprochen haben (siehe http://www.dielinke-bochum.de/fileadmin/kvbochum/Dokumente/Wahlen/DIE_LINKE_KV_Bochum_-_Kommunalwahlprogramm_2009_-_Druckversion_2009-04-20.pdf , Kapitel 5.2 „Energie“, Seite 61):
„[…] DIE LINKE. tritt ein für: […] * keine Beteiligung an weiteren Kohlekraftwerken […]“.
Oder unterstützen wir als LINKE bald den Ankauf von Anteilen von Unternehmen, die vor allem Kompetenzen im Bereich der Stromerzeugung durch Atomkraft haben, um diese dann zu tolllen Ökokonzernen zu transferieren.
Die Gegenstimmen der LINKEN mögen diesen absurden Deal nicht verhindern und es ist zu hoffen, dass die Basis der Grünen ihren RatsvertreterInnen Feuer unterm Hintern macht (in Duisburg ist die Grüne Basis jedenfalls dazu in der Lage, auch wenn dort die Fraktionen der LINKEN und der GRÜNEN dem Ausbau der Anteile der Stadtwerke an Kohlekraftwerken zugestimmt hat).
Leider findet die nächste Mitgliederversammlung der Bochumer LINKEN erst nach der entscheidenden Ratssitzung statt. Es ist zu hoffen, dass der Kreisvorstand die im Kommunalwahlprogramm gesetzte Forderung gegen die „Beteiligung an weiteren Kohlekraftwerken“ bekräftigt.
Da waren es nur noch 5!
Während in dem Bericht der Ratsfraktion noch von 7 Stadtwerken berichtet wird sind es in Wahrheit nur noch 5 . Die Stadtwerke Krefeld und Saarbrücken haben sich, wahrscheinlich aus guten Gründen, aus diesem Deal verabschiedet. Die Vernebelungstaktik in Bochum geht weiter. Cross Border lässt grüßen!
Bei dem Stadtwerke-Konsortium handelt sich um DEW 21 Dortmund, Dortmunder Stadtwerke, EVO Oberhausen, Stadtwerke Bochum, Stadtwerke Dinslaken, Stadtwerke Essen, Stadtwerke Duisburg. Und jetzt alle einmal zählen!
Gut dass ich nicht an der aktuellen PISA Studie zur Lesekompetenz teilgenommen habe, habe ich doch die EVO mit ihren 6% beim Lesen des WAZ Artikels glatt übersehen. Es sind also tatsächlich 6 Städte mit ihren Unternehmungen.
Dass Saarbrücken und Krefeld abgesprungen sind, bleibt aber dennoch eine Tatsache.
Wann die anderen entscheiden (Quelle WAZ; Der Westen vom 09.12.2010)
Sieben Unternehmen bilden das Stadtwerke-Konsortium Rhein-Ruhr, das 51 Prozent der Evonik-Steag kaufen will. Das Angebot des Konsortiums beträgt 614 Millionen Euro. Es könnten nach bereinigtem Jahresabschluss der Steag 2010 aber auch 680 Millionen werden (+10%). Das Angebot orientiert sich an einem Unternehmensgesamtwert von 3,8 Milliarden Euro. Evonik will die restlichen 49 Prozent mittel- bis langfristig verkaufen, am liebsten an das Konsortium mit heute fixiertem Preis.
Beteiligt am Konsortium sind neben EVO (6 %) Stadtwerke aus folgenden Städten:
Dortmund (Beteiligung mit 36%): Hier sind es zwei Gesellschaften, die eingebunden sind – die Holding aller städtischen Gesellschaften und eine Stadttochter. Der Rat entscheidet am 16. Dezember, SPD und CDU sind für den Deal, die FDP dagegen, die Grünen diskutieren noch.
Duisburg (19%): Die Stadtwerke als Konsortialführer haben seit dem Nikolaustag grünes Licht von ihrem Rat. Allein die FDP und zwei grüne Abgeordnete stimmten gegen das Geschäft.
Bochum (18 %): CDU und Grüne melden schwere Bedenken an. Die Grünen stoßen sich besonders an den Aktivitäten der Steag im Bereich Kernenergie (Brennstoffzellenzwischenlager Ahaus und Atom-U-Boot-Verschrottung in Murmansk). Entschieden wird am 16. Dezember.
Essen (15%): Die Essener Stadtwerke erhielten als erste das gewünschte Votum. Der Rat segnete den Kauf bereits am 24. November ab. Die drei Ratsmitglieder der FDP enthielten sich ihrer Stimme.
Dinslaken (6%): Der Rat entscheidet am kommenden Dienstag (14.). Ausgang offen, da die Parteien sich vorab nicht öffentlich äußerten.