Sonntag 21.11.10, 07:26 Uhr
Zur Psychopathologie des Vernichtungskrieges

Curzio Malapartes ‘Kaputt‘ (1944)


Am Dienstag, den 23. November findet um 19.00 Uhr im Kulturcafé an der Ruhr-Uni in der Critix-Reihe ein Vortrag von Torsten Liesegang statt. Das Thema: Zur Psychopathologie des Vernichtungskrieges. Curzio Malapartes ‘Kaputt‘ (1944). In der Ankündigung heißt es: »Manchmal hilft das Lesen von schöner Literatur: Der erste umfassende Roman zum Vernichtungskrieg nimmt die Ergebnisse der neueren Täterforschung vorweg: „Ja, es ist wahr […]. Sie schlachten die Wehrlosen, sie hängen die Juden an die Bäume auf den Dorfplätzen, sie verbrennen sie lebend in ihren Häusern, wie die Ratten, sie erschießen die Bauern und die Arbeiter auf den Höfen der Kolchosen und Fabriken. Ich habe sie lachen, essen, schlafen sehen im Schatten der Leichen, die an den Ästen der Bäume schaukelten.“ Der frühere Faschist Curzio Malaparte, italienischer Kriegsberichterstatter an der Ostfront, schildert in seinem Anfang 1944 im von den Alliierten befreiten Neapel erschienenen Roman „Kaputt“ ein facettenreiches Porträt der deutschen Täter im Vernichtungskrieg. Die Akteure sind ihm keine Schreibtischtäter, verführte Landser oder kriminelle Einzeltäter, sondern ein sadistisches Kollektiv von Herrenmenschen, die ihre grausamen Phantasien mit Kalkül und Genuss gleichermaßen ausleben. In seinem Kunstroman konfrontiert Malaparte die Nachwelt mit den Taten der „willigen Vollstrecker“ im Sinne des Freudschen Paradigmas „Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten“. Der Roman wirft ein Licht auf die Ergebnisse der neueren Täterforschung ebenso wie auf die allseits anerkannte Behauptung eines „bleiernen Schweigens“ (Klaus Berghahn) über den Vernichtungskrieg bis in die sechziger Jahre. „Kaputt“ war in den fünfziger Jahren für die kritische Jugend ein Muss und verkaufte sich allein in Deutschland über 100.000 Mal. Warum der erste umfassende Roman zum Vernichtungskrieg dann in Vergessenheit geriet, wird abschließend erörtert.«