Die Redaktion von bo-alternativ.de hatte in diesen Woche gezögert, eine Mitteilung der Redaktion von bodo zu veröffentlichen: „Vorsicht Fälschung!“ Hierin hieß es: „Die Verkäufer sind als osteuropäische Arbeitsmigranten ohne Arbeitserlaubnis gezwungen, ihre Existenz mit dem Verkauf der Zeitung ohne weitere Hilfen zu bestreiten.“ Ein solcher Hinweis auf die Herkunft ist in solchen Zusammenhängen meistens diskriminierend. Die Meldung wurde aus Solidarität mit bodo trotzdem veröffentlicht und bodo über die Kritik informiert. Über die Antwort hat sich die Redaktion gefreut: »Vielen Dank für die Veröffentlichung und die offene Kritik. Wir wissen, wie schwierig das Sprechen über die Situation dieser Gruppe von Migranten ist, da dieses Sprechen ungewollt rassistische / antiziganische Diskursebenen aktualisiert. Nicht nur wir soziale Straßenzeitungen sind mit einer EU-Politik konfrontiert, die Freizügigkeit koppelt an Ausgrenzung. Ausgegrenzte Minderheiten – Roma aus Rumänien, aber auch Moslems aus Bulgarien – fliehen vor Armut und Verfolgung nach Westeuropa, dürfen hier „sein“ aber nicht abhängig arbeiten.
Die Herkunftsnationen machen wenig Anstalten, die Lebenssituation der Minderheiten wie vertraglich zugesichert zu verbessern. Das EU-Recht erlaubt keine nachhaltigen Hilfen für Migranten, die hier unter zum Teil katastrophalen Bedingungnen leben. Und zwar – und auch hier ist das Sprechen darüber ein Problem – von Betteln, w/m bzw. m/m Prostitution, von „illegaler“ Gelegenheitsarbeit und von Eigentumskriminalität. Notgedrungen.
Bei den sozialen Straßenzeitungen bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob der Zeitungsverkauf ein passendes Angebot für diese Gruppe armer Menschen ist. Da sie keinerlei Sozialleistungen erhalten, müssen sie ihren Lebensunterhalt aus den Zeitungseinnahmen bestreiten. Wie beschrieben, ist das aus unserer Sicht kaum möglich. Dazu kommt, dass wir unsere Arbeit nicht vorrangig als Nothilfe bei Armut sehen, sondern als Reintegrationsangebot durch Kommunikation und Tagesstruktur.
Wir stehen im Austausch mit der Stadt Dortmund und mit den Trägern der Wohnungslosenhilfe. Gerne würden wir uns an einem Modell beteiligen, das die Existenz der Zuwanderer auf rechtskonforme Weise sichert. Die Beratungen stehen noch am Anfang. Im ganzen Feld dominiert nach unserer Sicht eher Ratlosigkeit. Die Düsseldorfer Straßenzeitung fiftyfifty wurde unter Strafandrohnung (500.000 Euro) daran gehindert, einen Sinto als Dolmetscher für die Verkäuferschaft anzustellen.
Unser Text muss diese Zusammenhänge leider unterschlagen. Uns ging es darum, unseren Ärger darüber zu dokumentieren, dass es Menschen gibt, die eine der am meisten benachteiligten Gruppen in unserer Gesellschaft ausbeuten – und zu diesem Zweck Ansehen und Integrität unserer Leute und unseres Vereins schädigen.