Bo-alternativ.de dokumentierte eine Pressemitteilung des Bochumer Rechtsanwalts Harry Herrmann über einen Rechtsstreit um die fristlose Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters des Akademischen Förderungswerkes (AkaFö): Keine Kündigung wegen zwei Frikadellen. Da das AkaFö eine Einrichtung ist, die paritätisch von Studierenden kontrolliert wird, waren die Vorwürfe überraschend. Wir haben den AStA der Ruhr-Uni und das AkaFö um Stellungnahmen gebeten. Der Geschäftsführer des AkaFö Jörg Lüken schreibt zu den Vorwürfen: »In der Pressemitteilung vom 16.12.09, einem Tag vor der Verhandlung, schreibt Herr Herrmann: „Bereits im Jahr 2006 wurde bei einem anderen Arbeitnehmer der Universitätsküche über eine fristlose Kündigung wegen des Verzehrs einer geplatzten Brühwurst verhandelt.“ Gerade wegen dieses Vorfalls – der mit dem jetzigen nicht direkt vergleichbar ist – wurde im AKAFÖ umgehend gehandelt und die Vorschriften noch verbindlicher gestaltet.
Der im aktuellen Fall betroffene Mitarbeiter aus dem Bereich Spüle/Entsorgung (und kein Küchenmitarbeiter, wie auch oft behauptet wird) hatte sich bei der Verkaufsware in der Ausgabe – im Übrigen auch noch entgegen jeder Hygienevorschrift – bedient und der Vorfall fand während der regulären Öffnungszeiten statt – hierzu liegt auch eine Aussage eines Zeugen vor.
Von „Speiseresten“ kann also in keiner Weise die Rede sein.
Und unabhängig davon, zu welcher Zeit der Vorfall geschah: es ist definitiv untersagt und in unserem Unternehmen klar geregelt, dass es sich hierbei generell um einen Diebstahl handelt. Dies wusste auch der Mitarbeiter. Jeglicher Diebstahl führt zu einem nicht zu reparierenden Vertrauensbruch und damit zur fristlosen Kündigung.
Wir hatten nach dem Gerichtsprozess 2006 die Vorschriften verbindlicher gestaltet und extra nochmals darauf hingewiesen, dass ein Verzehrverbot besteht. Das AKAFÖ hat das gültige Verzehrverbot vor Gericht dargelegt und dokumentiert. Irritierend ist, dass der Richter sich ausschließlich an einem Aushang orientierte und die gültige und in den Akten vorhandene Dienstanweisung nicht zur Verhandlung heranzog. Bei dieser Dienstvereinbarung hatten alle (!) Mitarbeiter in den Gastronomieeinrichtungen des AKAFÖ schriftlich bestätigt, dass sie diese Regelung zur Kenntnis genommen haben. Zudem wurde uns schriftlich bereits durch Fremdpersonal bestätigt, dass selbst dieses von den gültigen Regelungen in Kenntnis gesetzt wurde und wird. Die Aushänge waren lediglich eine Ergänzung zu den Dienstanweisungen und sind ebenfalls völlig klar und unmissverständlich formuliert.
Mich macht es stutzig, dass die Fragezeichen hinter einer Überschrift den Richter stutzig machen. Unter dieser Überschrift wird auch auf dem Aushang klar und eindeutig geregelt, wer wann was im Mensabereich „essen“ darf: Ausschließlich die jeweils produzierenden Köche und einige Ausgabekräfte in genehmigten Einzelfällen haben die Aufgabe, zur Qualitätskontrolle die Speisen zu verkosten. Dies wird in jedem Fall protokolliert. Ein Mitarbeiter aus dem Bereich Spüle/Entsorgung kommt erst gar nicht in die Situation, Speisen zu degustieren, muss also in jedem Fall aufgrund der gültigen und von ihm schriftlich bestätigten Dienstanweisung wissen, dass er vorsätzlich einen Diebstahl begeht. Mitarbeiter, die nicht degustieren dürfen, müssen in jedem Fall einen Bon mit sich führen, um jederzeit zu dokumentieren, dass sie die mitgeführten Speisen erworben haben.
In einer Presseerklärung einen Tag vor (!) der Verhandlung schreibt der Rechtsanwalt der Gegenseite, Harry Herrmann, ich habe als Geschäftsführer in einer Personalversammlung den Mensabeschäftigten erklärt, ich „könne sie alle nach Hause schicken.“ Dies ist völlig aus dem Zusammenhang gerissen und falsch. Ja, ich habe eine Personalversammlung einberufen, da kurz vor dem Termin eine eidesstattliche Versicherung eines ehemaligen Leiharbeiters auftauchte, der alle (!) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschuldigt, sich nach Schließung der Ausgabe an den Theken zu bedienen. Über diese Erklärung habe ich meine Mitarbeiter informiert. Ginge es nach dieser Erklärung, so müsste ich alle meine Mitarbeiter unter Generalverdacht stellen – aber ich stelle mich klar hinter diese.
Ich habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht bedroht, sondern habe, da ich bereits im letzten Fall von allen gefragt wurde, warum der Geschäftsführer nichts gegen diese unverschämte Diffamierung der Mitarbeiterinnen machen würde, es ihnen überlassen, zu handeln. Falsch ist, dass ich gesagt habe „Wir müssen zusammenhalten“, sondern ich sagte, sie (die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen) müssen zusammenhalten. In dem o. g. Mitarbeitergespräch habe ich mich klar hinter meine Mitarbeiter gestellt und erklärt, dass ich rechtliche Schritte gegen die pauschale Diffamierung unseres gesamten Personals prüfen lasse.
Ich selbst als Geschäftsführer bin oft genug in den Einrichtungen (auch in den Lager- und Aufenthaltsbereichen), um mich für unser Personal zu verbürgen. Auch bin ich sehr oft mit Besuchern in der Mensa unterwegs bin, insbesondere kurz nach der Schließung der Ausgaben, damit man den laufenden Betrieb nicht stört. Ich und sicher auch meine Gäste aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Presse würden sofort bestätigen, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht bedienen.
Wenn Herr Herrmann nun auch behauptet, ich habe die Mitarbeiter „zusätzlich demonstrativ zum Rapport bei der Geschäftsführung hoch zitiert“, „damit auch mögliche Zeugen des gekündigten Herrn K. nicht zu Lasten des Arbeitgebers aussagen“, so sehe ich dies als eine Unterstellung und einen Versuch, mich zu diffamieren und mir Manipulationsversuche anzulasten. Es sind im Gegenteil viele unserer Mitarbeiter bereit, jederzeit zu bezeugen, dass die vor Gericht und in der Pressemitteilung vorgetragenen Behauptungen völlig falsch sind, die o.g. Regelungen den Umgang mit Speisen vor allem im Ausgabebereich klar regeln und keine „Mensamitarbeiter unkontrolliert Speisen zu sich nehmen.“ Wenn er dann noch in der Pressemitteilung vor der Verhandlung schreibt, nach „Ansicht zahlreicher Mensamitarbeiter und ehemaliger Mensamitarbeiter gehört das Verhalten des Geschäftsführers vor Gericht, aber nicht einzelne Mensamitarbeiter“, so sehe ich dies als einen üblen persönlichen Angriff an und eines Rechtsanwaltes unwürdig.
Abschließend möchte ich betonen, dass ich stolz auf unsere Belegschaft bin und es für alle fleißigen und ehrlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr bedauere, dass es einige wenige Mitarbeiter gibt, die aus Ärger oder Frust den gesamten Betriebsfrieden stören.
Wir werden nun die Begründung des Urteils abwarten und danach in jedem Fall in die Berufung gehen.«
Sonntag 20.12.09, 21:00 Uhr
Arbeitsgerichtsverfahren um die Kündigung eines Mensa Mitarbeiters
Das kommt mir alles ein wenig suspekt vor. Wieso soll es eine Diffamierung sein, wenn jemand sagt, die Mensamitarbeiterinnen würden sich nach Schließung der Mensa an den Resten „bedienen“? Obs stimmt oder nicht, kann ich ja nun wirlich nicht beurteilen, aber: Das ist doch nun wirklich keine Beleidigung, sondern da unterstellt jemand einfach einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen.
Es ist ja an Absurdität kaum zu überbieten, was gerade in der Lebensmittelbranche alles weggeschmissen wird. Da wäre es allemal besser, wenn die Beschäftigten sich sattessen dürften. Wenn das nicht erlaubt ist, sollten eher die EntscheidungsträgerInnen kritisch beäugt werden als die Beschäftigten.
Ich bin ja gerne bereit, dem Akafö-Geschäftsführer zu glauben, dass der Anwalt bei seiner Schilderung der Vorkommnisse (Ansprache an die Beschäftigten etc.) Dinge aus dem Zusammenhang gerissen haben könnte. Aber mal ehrlich: Dieses Draufrumreiten, dass das Essen von ein paar Pommes und zwei Frikadellen „Diebstahl“ sei, das ist doch eines Studentenwerk-Geschäftsführers unwürdig. Herr Lüken, wollen Sie das Akafö wirklich in eine Reihe stellen mit jenen zwielichtigen Unternehmen, die Angestellte kündigen wegen:
– dem Aufladen eines Handys („Stromdiebstahl“ im Wert von 0,5 Cent)
– dem Beschmieren eines gekauften (!) Brötchens mit firmeneigenem Aufstrich
– dem Mitnehmen einer Klopapierrolle von der Firmentoilette auf eine Dienstfahrt – obwohl der Mitarbeiter trotz Durchfall zur Arbeit erschienen ist
– Dem Essen eines Brötchens vom Buffet, das die Sekretärinnen nach dem Meeting abräumen sollten.
Wenn Sie, Herr Lüken, wirklich mit solchen Firmen in einer Reihe stehen wollen, dann weiß ich als Kunde ja auch, wie ich mich in Zukunft Ihren Einrichtungen gegenüber verhalten muss.
Der eigentliche Skandal ist aber eigentlich die deutsche Gesetzgebung, die Kündigungen aus solchen Gründen zulässt. Hier ist der Gesetzgeber nun wirklich gefragt, diesen dubiosen Praktiken ein Ende zu bereiten – damit die Herren Geschäftsführer endlich nicht mehr von „Diebstahl“ schwadronieren können, wenn jemand z.B. sein Handyakku am Arbeitsplatz auflädt. Von einem Rechtsstaat erwarte ich, dass solche Absurditäten verunmöglicht werden.
In vielen solchen Fällen hat sich gezeigt, dass die wahren Kündigungsgründe ganz andere waren als der angebliche „Diebstahl“ von einer Hand voll Essen. Da ist es kein Wunder, dass hier natürlich ebenfalls dieser Verdacht aufkommt – besonders wenn Herr Lüken schreibt, „dass es einige wenige Mitarbeiter gibt, die aus Ärger oder Frust den gesamten Betriebsfrieden stören“. Wer wegen zwei Frikadellen und zwei Portionen Pommes vor Gericht zieht, muss sich schon Fragen nach den Motiven gefallen lassen. Und natürlich auch die Frage: Was jetzt mehr geschäftsschädigend ist: Zwei Frikadellen und Pommes zu essen, oder die Kündigung mit anschließendem Gerichtsverfahren.
Mh… Geht es nicht vielleicht einfach auch darum, dass eine fristlose Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters wegen einer gegessenen Wurst (Welcher Warenwert?!) unverhältnismäßig ist? Als Student, der immer artig seinen AkaFÖ-Beitrag zahlt wünsche ich mir ein wenig Augenmaß im Umgang mit Mitarbeitern. Hätte eine Abmahnung denn nicht gereicht? Zu sich häufenden Kündigungen wegen Kleinigkeiten gibt es einen guten Artikel der ZEIT:
http://www.zeit.de/karriere/2009-10/kuendigungsrecht-ausser-balance?page=1
Ich finde es übrigens auch nicht gut, dass das AkaFö jetzt hier eine Gegendarstellung veröffentlicht, ohne dass der gekündigte Mitarbeiter zu Wort kommt…
@ Christian Michalak
Der Beitrag des AkaFö ist keine Gegendarstellung sondern eine Stellungnahme, um die wir gebeten haben. Dies hatten wir auch bereits bei der Veröffentlichung der Erklärung des Rechtsanwaltes des Betroffenen angekündigt. Auch vom AStA haben wir eine Stellungnahme erbeten. Schließlich wird das AkaFÖ mehrheitlich von Studierenden kontrolliert.
Eine weitere Stellungnahme des Rechtsanwaltes oder des Betroffenen würden wir selbstverständlich veröffentlichen.
@ Redaktion:
stimmt, das AKAFÖ wird von Studierenden kontrolliert, wenn auch nicht mehrheitlich (3 von 7). Einer dieser Studierenden ist übrigens nach eigenem Bekunden Christian Michalak (http://www.christianmichalak.de/?page_id=20)
Ich frage mich, wie das Augenmaß sich in diesem Casus ausgewirkt hat.
Ich glaube, das Medien dazu da sind öffentliche Debatten auszulösen, anzustoßen und zu dokumentieren, insofern finde ich das ne gute Idee, AKAFÖ-GF, RA Hermann und/oder seinen Mandanten zu Wort kommen zu lassen. Dafür großes Lob.
Andererseits werden öffentliche Debatten selten sachlich geführt. Wenn man die Debatte auf derwesten.de liest, grenzt das an einen Heugabel schwingenden Mob, der zum Sturm auf die Mensa aufruft. Dazu ist es natürlich auch wenig hilfreich, dass dort mehr Halbwahrheiten als Wahrheiten verbreitet werden, jede Meinung als pure Realität verkauft wird und mit Sicherheit auch die Prozessparteien an der Debatte in dem ein oder anderen Posting beteiligt sind.
Ich fände es erfrischend, wenn bo-alternativ nicht einer ähnlichen Debatte eine Heimat böte.
Ich würde mich freuen, wenn die Kontrolleure des AKAFÖ jetzt auch mal kontrollieren, ob der GF mit oder ohne Augenmaß gehandelt hat, denn es ist doch auch klar, dass er Personalangelegenheiten hier nicht in aller Offenheit erklären kann. Wenn am Ende eine Weiterbeschäftigung von Herrn K. steht, dann macht es jede Form der Stimmungsmache schwieriger, sich wieder in die Belegschaft einzufügen. Wenn am Ende die Kündigung steht, sollte man den Namen K. vielleicht besser nicht 7000 Mal unter dem Stichwort Diebstahl googlen können. Ansonsten bestraft die Öffentlichkeit und das AKAFÖ Herrn K. stärker als es ein Strafgericht für 2 Frikadellen und 2 Pommes jemals täte. Nämlich mit einer gesellschaftlichen Ächtung, die ihm dann wohl auch kaum gerecht werden dürfte und ihm 14 Jahre Hartz IV bescheren dürfte.
Inofern:
@ Christian und Co:
Viel Erfolg und genügend Augenmaß bei der Kontrolle des Vorgänge des AKAFÖ im kommenden Jahr. Bis dahin erbauliche Stunden und einen guten Rutsch—
Wie gesagt- ein Homepageleser