Donnerstag 04.10.07, 16:00 Uhr

Offener Brief an den Bochumer Polizeipräsidenten Thomas Wenner vom 03. Oktober 2007


Sehr geehrter Herr Polizeipräsident Wenner,

heute, nach etwa zwei Monaten des gespannten Wartens auf eine Reaktion auf meine Beschwerde bzgl. des unprofessionellen Verhaltens zweier Ihrer Streifenbeamten, erhielt ich einen Brief. Und ich muss sagen: ich bin entzückt! Er ist unterzeichnet von Ihnen höchstpersönlich. Und ich dachte immer, dass Beschwerden nach den Kriterien der drei F ’s behandelt würden, naja, Sie wissen schon: formlos, fristlos, folgenlos. Genau deshalb hab ich auch nicht mehr damit gerechnet, überhaupt noch eine Antwort zu erhalten. Aber, Herr Präsident, Sie haben mein Vertrauen in ihre Behörde fühlbar gestärkt.

Jedoch – und das tut mir sehr Leid – kann ich Ihre Reaktion nicht unkommentiert hinnehmen. Ich muss dazu sagen, das ist das erste Mal für mich, dass ich meinen Unmut bei einer Behörde kund tue. Bitte verzeihen Sie mir also, wenn ich mit den Gepflogenheiten eines behördlichen Umgangs mit ziviler Kritik nicht vertraut bin.
Nun zum Inhalt der ganzen Angelegenheit. Am Nachmittag des 12. Juli hielt ich mich mit meiner Begleiterin am Eingang zum Kortumpark auf einer Parkbank auf, bis uns die zwei besagten Beamten – meiner Meinung nach aus dem Nichts heraus – belästigten. Dank ihres Briefes kann ich auch nun die Perspektive der Polizeibeamten PK B. und PM D. in meine Betrachtungen miteinbeziehen. Bis dato hätte ich z. B. nie vermutet, dass die Polizeibeamten tatsächlich unsertwegen ihre Streifenfahrt auf der Wittener Str. unterbrachen, und, wie Sie ihre „Mitarbeiter“ zitieren, „erst wenden mussten“ um uns „an der Bank auf[zu]suchen“. Und den Grund, weshalb die Polizeibeamten uns diese Ehre zuteil kommen ließen, liefern Sie gleich mit: die beiden Beamten hätten uns zuvor beobachtet, wie wir „auf der Parkbank sitzend einen Joint drehten“.
Das müssen sie mir jetzt aber mal erklären, Herr Präsident. Ihre Mitarbeiter waren – so lese ich das aus ihrer Begründung heraus – auf der Wittener Str. in ihrem Streifenwagen unterwegs; wahrscheinlich in Richtung Zentrum. Plötzlich sehen sie im Vorbeifahren nach rechts aus dem Fenster und beobachten, wie zwei junge Menschen, die in knapp 40 Meter Entfernung auf einer Bank vorm Kortumpark sitzen, einen Joint drehen. Ich muss schon sagen, alle Achtung! Sie stellen anscheinend nur Bewerber ein, die die Augen eines Turmfalken haben müssen. Im Vorbeifahren aus vierzig(!) Metern Entfernung unterscheiden zu können, ob jemand eine Zigarette mit Blättchen, Filter und Tabak dreht (was ja tatsächlich hätte sein können, denn ich drehe meine Zigaretten selbst) oder ob jemand noch zusätzlich Haschisch in eine viel zu lange Zigarette bröselt. Ich find‘ das phänomenal; ich an Stelle von PK B. hätte wahrscheinlich nur spekulieren können, was ich mit meinen Händen gemacht habe – sofern ich überhaupt etwas gemacht habe. Oder meine Begleiterin.

Im Übrigen: sofern ich mich recht erinnere, hat man uns zum Zeitpunkt der Personenkontrolle von diesem eigentlich Verdachtsmoment überhaupt nichts mitgeteilt. Naja, verständlich. Es wäre ja auch viel zu peinlich, zwei „abgestürzten“ Jugendlichen, die nach Ansicht der Beamten eh schon (zu)häufig mit den Hütern der öffentlichen Ordnung in unangenehmen Kontakt geraten sind, ihre Personalien abringen zu wollen mit dem Argument: ‚Wir haben euch beim Joint bauen gesehen. Vor fünf Minuten. Aber jetzt habt ihr ja keinen Joint mehr in der Hand.‘ …. Nein! Der clevere und erfahrene Polizist von heute hat mehr drauf. Er zaubert einfach einen neuen Verdachtsmoment aus der Dienstmütze, nämlich den, dass unsere Pupillen verengt gewesen wären. Gut kombiniert, Sherlok! Nun, die Beamten haben bei ihrer Einlassung ihnen gegenüber ganz richtig zitiert, dass ich dieser Begründung entgegnete, dass in diesem Augenblick die Sonne in meine Augen geschienen hat. Es war nämlich tatsächlich ein schöner, sommerlicher Nachmittag mit blauem Himmel, singenden Vögeln und grell scheinender Sonne. Ein guter Grund, in den Park zu gehen, um es sich gut gehen zu lassen. Selbst als „Absturzjugendliche“. Finden Sie nicht auch? Nun ja, dieser Umstand interessierte die Polizeibeamten nicht weiter. Sie gingen in diesem Moment, wie in Ihrem Brief dargelegt, von einer „Schutzbehauptung“ aus und somit ihrer „gerechten“ Sache (das Klamottenfilzen) nach.

Weiterhin interessant finde ich Ihre Reaktion auf den eigentlichen Anlass meiner Beschwerde, nämlich den Umstand, wie herablassend uns die Beamten behandelt haben. So mussten wir uns von PK B. u. a. in einem rüden Ton anhören, dass er ‚unsere Sorte von Kaputten‘ aus seinen 18 Jahren Berufserfahrung kennt. Damit ist für mich klar erwiesen, dass es sich bei dieser Kontrolle um einen Fall von gezielter Diskriminierung handelt.
In ihrer Eingebung schilderten die beiden Beamten „übereinstimmend“, dass wir die Personenkontrolle durch „provozierende Fragestellungen und Antworten zu behindern und zu erschweren“ versucht und die Identitätsfeststellung durch „eigenes Verschulden“ verzögert hätten.
Soweit ich weiß, gehört es doch schon seit einiger Zeit zur Politik Ihrer Behörde, sich in einer gewissen Form von „Bürgernähe“ zu üben. Ich glaube, Sie haben das Konzept der Bürgernähe nicht ganz verstanden. Bürgernähe heißt NICHT, dass ein Polizeibeamter auf Streife dem Bürger (bzw. einer diskriminierten Personengruppe, wie z.B. Punks, Obdachlose, Ausländer,…) ohne Distanzhaltung ‚auf die Pelle rücken‘ darf. Bürgernähe heißt – insbesondere in diesem Fall – dass die Polizeibeamten für ihre Kontrolle eine ernstgemeinte Begründung äußern sollten – zumindest doch aber auf die Frage danach! Bürgernähe ist also das Gegenteil von Beschimpfung oder Befehlston, und erst recht nicht die Androhung, dass Ihre „Mitarbeiter“ uns bei Verweigerung der ‚Kooperation‘ mit auf die Wache nehmen würden. Nein, Herr Präsident, so funktioniert „Bürgernähe“ nicht!

Und noch auf ein Letztes: im letzten Teil Ihres Briefes legen Sie bravorös dar, wie ernst es Ihnen mit meiner Kritik ist und mit welch rationaler Begründung Sie diese abschmettern. Nun schon zum dritten Mal innerhalb Ihres zweiseitigen Briefes machen Sie unser „provokatives Verhalten“ dafür verantwortlich, „dass die polizeiliche Maßnahmen zeitlich verzögert wurden und die Geduld der einschreitenden Beamten auf eine harte [sic!] Probe gestellt worden ist.“
Das tut mir aber Leid, ihre Mitarbeiter so doll provoziert zu haben. Und trotzdem PolizistInnen ja auch Menschen mit verletzbaren Gefühlen sind, kann ich diese Rechtfertigung nicht gelten lassen.
Und ich antworte darauf mit einem Zitat, und zwar von einem Spiegel-Redakteur, der das eskalative Verhalten der polizeilichen Sonderbehörde „Kavala“ während des G8 passend kommentiert (und prinzipiell auch auf unseren Fall passt), etwa sinngemäß:

„Der Bürger hat ein Recht auf Hysterie – der Staat niemals“

mit freundlichen Grüßen,

XXX

die Beschwerde an den Polizeipräsidenten
die Antwort des Polizeipräsidenten