Polit-Talk „Demokratie braucht Partizipation“ auf der bobiennale am 20.6.2025 –
Das Argument ‚Wir machen doch schon ganz viel Bürgerbeteiligung, wir haben das Portal ‚bochum-mitgestalten.de‘, aber je mehr wir machen, desto unzufriedener äußern sich die Menschen – dieses Argument begegnet uns in der Diskussion mit Politik und Verwaltung immer wieder. Und ja, tatsächlich gibt es viel Bürgerbeteiligung – von der Spielplatzgestaltung bis hin zu ausgesprochen aufwendigen Beteiligungsverfahren z.B. zu Bauvorhaben. Oder man kann sich online äußern.
Aber auch der Kulturentwicklungsprozess gehört dazu, der bei der Auftaktveranstaltung zu dieser bobiennale lobend von Matthias Frense vom Bochumer Kulturbüro hervorgehoben wurde.
Was in der Regel angeboten wird, sind Informationsveranstaltungen. Da können Herzchen geklebt und Zettel mit Anregungen ausgefüllt werden. Oder man kann sich online äußern.
Danach ist die Erfahrung meist: es geht nicht weiter.
Ich bin schon etliche Male auf solchen Veranstaltungen gewesen und gleich zu Anfang wurde von Bürger*innen interessanterweise oft die Frage gestellt: Was wird aus unseren Anregungen? Wie werden wir bei den nächsten Schritten einbezogen? Diese Fragen werden deshalb gestellt, weil die Bürger*innen immer wieder die Erfahrung gemacht haben: die nächsten Schritte, wo es in der Planung ernst wird, machen Verwaltung und Politik ohne sie. Obwohl die Menschen vor Ort mit den Ergebnissen dieser Entscheidungen leben müssen.
Und da stellt sich natürlich die Frage: Warum sollte man sich bei derart mangelnder Transparenz und fehlender Verbindlichkeit überhaupt die Zeit nehmen mitzudenken und mitzuplanen?
Leider beschränkt sich diese Erfahrung nicht auf Spielplatzgestaltung.
Auch bei großen Beteiligungsprozessen läuft was grundsätzlich schief – dazu ein Beispiel für ein wichtiges Thema, das an der Öffentlichkeit aber weitgehend vorbeigelaufen ist:
Explizit gebeten von der Politik haben verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen an einem aufwendigen Beteiligungsprozess teilgenommen. Es ging darum, in 1 ½ Jahren mit Politik und Verwaltung zu diskutieren, wie aus Bochum eine Global Nachhaltige Kommune werden kann. Wir haben aus den unterschiedlichen Perspektiven hart um gute Lösungen gerungen und alles miteinander abgestimmt.
Die abschließenden Arbeitsergebnisse dieses wirklich guten gemeinsamen Prozesses wurden von der Verwaltung nie vorgelegt sondern nur die von der Verwaltung überarbeiteten Ergebnisse – d.h. es gab null Transparenz – übrigens auch nicht für die Politik im Rat – und damit aus unserer Sicht auch keinen Respekt gegenüber der Arbeit dieses Gremiums.
D.h., um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: es reicht nicht, Beteiligungsprozesse zu organisieren, man muss mit ihnen respektvoll und verbindlich umgehen!
Wer aber nach Beendigung einer Beteiligung nach Gutdünken Veränderungen vornimmt, muss sich nicht wundern, dass vor allem die zivilgesellschaftlichen Akteure, die ja nicht über ihren Job sondern als Ehrenamtliche in solchen Prozessen mitwirken, enttäuscht und letztlich verbittert sind. Ihr Vertrauen verlieren und keine Lust auf eine Wiederholung dieser Erfahrung haben.
Für das Wir-Gefühl in einer Stadt, die mit dem Slogan „Hier, wo das WIR noch zählt“ wirbt, für die Idee also, gemeinsam unterwegs zu sein und den Alltag zu gestalten, sind solche Erfahrungen tödlich. Resignation und Frust statt dem Erleben von Selbstwirksamkeit ist das Gegenteil von dem, was diese Stadt braucht.
Und das sind nicht die einzigen schlechten Erfahrungen – nur zwei Beispiele: 17.000 Unterschriften für den Radentscheid – vom Rat abgelehnt. 11.000 Unterschriften für den Erhalt des Hallenfreibads in Höntrop – die Bürgerinitiative hat Jahre gekämpft, bis sich die Politik auch nur zu einem einfachen Gespräch bereit erklärt hat. Und jeder ihrer zahlreichen Vorschläge wurde – abgelehnt.
Was ist also der Befund in Bochum: – es gibt eine große und sehr lebendige Zivilgesellschaft, es gibt jede Menge Expertise, Beharrlichkeit und Leidenschaft – aber es gibt keinen konstruktiven Dialog.
– es gibt durchaus eine Menge Bürgerbeteiligung, aber der Umgang mit den Ergebnissen dieser Beteiligungsprozesse ist aus zivilgesellschaftlicher Sicht verheerend und destruktiv.
Vor der letzten Kommunalwahl hatten wir vom Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung Wahlprüfsteine an die Parteien verschickt und sie nach ihrer Haltung zu Bürgerbeteiligung gefragt – alle waren dafür, auch für die Erarbeitung von Leitlinien für Bürgerbeteiligung, die dann vom Rat beschlossen und verbindlich gelten sollten. Nach der Wahl verabschiedeten die Grünen einen Klausurbeschluss, der Abstand von diesen Positionen nahm. Und dann hatte die Verwaltung eine zündende Idee, wie man an einer gemeinsamen Diskussion über solche Leitlinien ganz vorbeikommt: sie haben in der Verwaltung einfach unter sich diskutiert, was sie unter Bürgerbeteiligung verstehen, ohne die Zivilgesellschaft! Die Politik hatte keine eigenen Ideen und war von diesen unbequemen Stadtaktiven sowieso genervt. Am Ende wurde das Ergebnis der Verwaltungsdiskussion im Rat von Rot-Grün verabschiedet – grotesker geht’s nicht!
Dieses Jahr im September gibt’s eine neue Chance, zu einer ernstgemeinten Diskussion zurückzukehren.
Was wir dringender denn je brauchen, ist ein grundsätzlicher Wechsel in der politischen Debattenkultur: statt Mauern in der Sache sind Offenheit, Respekt, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit nötig. Die durch Wahlen verliehene Macht und Legitimität schließt nicht aus, Partizipation als Bereicherung anzuerkennen. Das machen andere Städte vor!
„Ist nicht der Rat die Stadtgesellschaft?“ hat uns vom Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung mal ein führender SPD-Politiker gefragt. Unsere Antwort wäre: Wir alle sind die Stadtgesellschaft und wir alle können gemeinsam so viel mehr erreichen!
Wie aber kann das gehen? Wir sind total neugierig, wie die Kölner das geschafft haben, denn auch dort wars schwierig!