Sonntag 17.11.13, 21:57 Uhr
Am Donnerstag, dem 21.11. 2013, 15.00 Uhr tagt der Sozialausschuss:

Strategien zur Abwehr von Zuwanderung


von Norbert Hermann, Bochum Prekär
Die „Festung Europa“ mit ihrer Flüchtlingsabwehr „Frontex“ und (jetzt neu) „Eurosur“ ist verantwortlich für den Tod Tausender von Flüchtlingen im Mittelmeer und an Festlandsgrenzen. Die „Festung Bochum“ mit dem Kommandozentrum im Sozialamt will es jetzt im Kleinen nachmachen: Mit Polizeikontrollen, Ordnungs- und Gewerbeamt und gar einem „Aufkauffonds“ zum Erwerb möglicher „Problemhäuser“ sollen Zuwanderungswillige abgeschreckt werden. Am Donnerstag wird im „Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales“ darüber berichtet und beraten.
Schon vor einem Jahr setzte die Hetze gegen Zugewanderte aus Romani sprechenden Kreisen ein. Siehe Beitrag vom 13. 9. 2013. 
„>Dafür gab es zwar einen Dämpfer, zumindest in der Öffentlichkeit darf so nicht mehr gesprochen werden. Die Präsentation „Zuwanderung aus Südosteuropa“, die jetzt vorgestellt werden soll, haut aber in die gleiche Kerbe: „Es ist mit einem deutlichen Zuwachs der Zuwanderung aus diesen Staaten zu rechnen.“ heißt es dort. Eine gewagte Aussage. Seriöse Arbeitsmarktwissenschaftler_innen können das nicht bestätigen. Als 2011 die Arbeitsmarktbeschränkungen für Menschen aus Polen wegfielen, wurde Ähnliches befürchtet. Es traf nicht ein.
Die Zahl der Mitbürger_innen rumänischer oder bulgarischer Herkunft ist zwar in den letzten Jahren in Bochum stetig gestiegen, bewegt sich aber immer noch im kleinen dreistelligen Bereich. Die meisten sind gut integriert und beschäftigt. Auch in den vier sog. „Problemhäusern“ in Wattenscheid ist die Lage ziemlich entspannt – erreicht auch durch sachgemässen Einsatz der Behörden. Durch einen „Aufkauffonds“ zum Erwerb möglicher „Problemhäuser“ und „Eigentümersensibilisierung“ soll weiterer Niederlassung entgegengewirkt werden.
„Schrottimmobilien“ gibt es einige in Bochum, aber auch das für Hartz IV-Betroffene offenstehende Niedrigpreisangebot in Bochum entspricht in vielen Fällen nicht mehr dem aktuellen Standard, von der Lage ganz zu schweigen. Hier ist noch viel zu tun, der gesamte Soziale Wohnungsbau liegt im Argen.
Motiv für den Einsatz der Sozialbehörde scheint vor allem eine befürchtete finanzielle Belastung der Stadt zu sein. Selbst um Dometscherkosten machen sie sich Sorgen. Nach EU-Recht haben aber alle EU-Bürger_innen überall das Recht, in ihrer Heimatsprache Rat und Hilfe zu suchen und zu finden. Es ist auch gefestigtes Recht, dass soziale Verpflichtungen nicht fiskalischen Erwägungen unterliegen dürfen. Für Prestigeprojekte hat die Stadt immer Geld locker machen können, die Neuordnung der Finanzierung der Kommunen ist seit Jahren immer wieder auf die lange Bank geschoben worden.
In der Sitzung wird – in Fortführung der vorherigen Sitzung – auch berichtet über die Flüchtlingssituation in Bochum. Die Unterbringung hat sich verschlechtert und entspricht in keiner Weise den Bedürfnissen von traumatisierten und entwurzelten Menschen. Hier sollte Bochum sich an Köln ein Beispiel nehmen und in grosszügigem Umfang preiswerte Häuser aufkaufen und für diesen Zweck herrichten.
Durchaus manipulativ war in der vorangegangenen Sitzung über die Zahl der Flüchtlinge bundesweit berichtet worden: Aufgezeigt wurde die zunehmende Entwicklung seit 2008. In dem Jahr haben es leider so wenig Flüchtlinge wie seit 30 Jahren nicht mehr hierher geschafft. Hätte die Übersicht die Jahre bis 2002 einbezogen, wäre ein ganz anderes Bild entstanden. Es muss auch anerkannt werden, dass derzeit fast die Hälfte der Geflüchteten einen Flüchtlingsschutz nach dem AsylbLG oder dem Aufenthaltsgesetz erhalten.
Verwunderlich scheint, dass der bereits am Mittwoch tagende Ausschuss für Migration und Integration sich dieser Problemlage so gar nicht nähern will.
Ein weiteres Thema der Sitzung wird sein die sich abzeichnende prekäre Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt: selbst bei einer möglicherweise sinkenden Einwohnerzahl wird nicht mit einem Rückgang der Haushalte gerechnet. Das steigende Altersniveau erfordert mehr preiswerte und kleinere Wohnungen in unmittelbarer Nachbarschaft von Arztpraxen und Geschäften. Der Wohnungsbestand entspricht teilweise nicht mehr den aktuellen Standards. Die Sozialplanung rechnet mit einem Zuwachs an Hartz IV- und Grundsicherungsberechtigten (Nokia, Schlecker und Opel lassen grüssen!), armen Rentner_innenhaushalten und Niedriglohn-Beschäftigten. Es gärt bereits gewaltig in verschiedenen Bevölkerungsschichten. Wenn noch Wohnungsprobleme hinzukommen wird der soziale Friede noch mehr gefährdet: jährlich mehrere hundert erzwungene Wohnungsräumungen im Jahr sprechen eine deutliche Sprache.
Die Schließung der Notschlafstelle in Wattenscheid soll vom Ende des Jahres auf Ende März verschoben werden. Angesichts einer steigenden Zahl von Wohnungslosen (und schlechten Aussichten für die Zukunft) sollte die Stadt sich das noch einmal überlegen.
Die Dokumente der Sitzung gibt es hier:
https://session.bochum.de/bi/to0040.php?__ksinr=4989